«NPD ist nur die Spitze des Eisbergs»

Geschrieben von Suchender am 14. März 2005 21:29:

Argumente statt Empörung - Politikwissenschaftler Claus Leggewie im Gespräch
erstellt 11.03.05, 19:05h, aktualisiert 11.03.05, 19:09h

Berlin/MZ. 60 Jahre nach Kriegsende versuchen Neonazis das Gedenken für ihre rechtsextremistischen Ziele zu missbrauchen. So wollen die Neonazis heute durch Dessau marschieren, das im März 1945 von alliierten Bombern zerstört wurde. Über die braune Gefahr sprach unsere Korrespondentin Monika Zimmermann mit dem renommierten Politikwissenschaftler Claus Leggewie von der Universität Gießen.

In Sachsens Landtag sprach die NPD vom "Bombenholocaust". Ist die Aufregung dazu berechtigt?

Leggewie: Eine perfide Wortwahl, über die man sich aufregen darf. Gemeint und verstanden wird damit ja "ein bombiger Holocaust", im Sinne von Bombenstimmung, Bombenfest. Das passt aber dazu, wie der unglückliche Begriff Holocaust (Brandopfer) trivialisiert worden ist. Die Vorlage zur Gleichsetzung der fabrikmäßigen Vernichtung von Juden mit dem Bombenkrieg stammt von Jörg Friedrich. Die NPD hängt sich an eine breite Welle aufgesetzter Empörung, die besagt: nicht alle Deutschen waren Täter, aber alle waren Opfer.

Wie soll man umgehen mit der NPD? Verbieten?

Leggewie: Man muss sich argumentativ mit ihren revisionistischen Thesen auseinandersetzen. Also nicht empört den Landtag, das Fernsehstudio oder einen Saal verlassen, sondern These für These zerpflücken - in einer Sprache, die mögliche Sympathisanten verstehen. Da das die wenigsten leisten können, halte ich die Ausarbeitung eines entsprechenden Leitfadens für die dringendste Aufgabe politischer Bildung.

Wie gefährlich ist die rechtsradikale Entwicklung im Osten für die Demokratie in Deutschland?

Leggewie: Auf Dauer ist sie gefährlich, weil die NPD nur die Spitze des Eisbergs ist. Viele sind von "der Demokratie" enttäuscht und wünschen sich autoritäre Führung und Volksgemeinschaft zurück. Und die Art, wie demokratische Politik in den elektronischen Medien und Massenblättern präsentiert wird und wie sich viele Politiker selbst darstellen, unterstützt solche Affekte.


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