Frag mal den Berliner hier im Forum...

Geschrieben von Hinterbänkler am 15. Februar 2005 20:19:05:

Als Antwort auf: Die Politiker drehen jetzt völlog durch! geschrieben von Badland Warrior am 15. Februar 2005 19:22:35:

Lieber Badland Warrior,

eine kleine Recherche hilft!
Gib mal "Westberliner Tageblatt" mit Anführungszeichen (damit es als ein Begriff gesucht wird) in Google ein und Du erhälst genau 8 Antworten, wo sich alle immer auf denselben Text beziehen.

Ist ja auch logisch, denn der Begriff 'Westberlin', den gibt es ja überhaupt so nicht, den hat die DDR erfunden, um Berlin (West) umzunennen und auszugrenzen. Sie wollten Berlin als ihre Hauptstadt und ein anderes Berlin sollte es nicht mehr geben. Also wandelten sie Berlin (West) eben um. Ensprechend korrigierten sie auch ihre Stadtpläne. Es ist schon witzig mal einen 'Ostberliner' Stadtplan von damals zu sehen. Der zweimal grössere Westteil der Stadt schrumpft auf eine unstrukturierte graue Fläche von vielleicht 5 bis 10 Prozent des Ostteils, wobei natürlich im grauen Bereich keine Flurnamen stehen. Einfach graues Niemandsland. Aus- und eingegrenzt.

Es ist schlicht nicht möglich, daß eine Zeitung im Westen sich jemals 'Westberliner Tageblatt' nannte oder nennt, da alle im Westteil sich vehement gegen diese Bezeichnung wehrten. Eigentlich ist der Begriff erst langsam nach der Wende akzeptiert worden, da immer mehr geschichtsdeppige Leute nach Berlin strömten. Aber davon solltest Du Dich distanzieren, oder?

Meine Schwester (Berlinerin - West versteht sich) war mal so um 1985 mit Freunden aus dem Ostteil in einer Diskothek dort und lernte einige Leute aus der Tschechei kennen. Die Tschechen waren hocherfreut mal jemand aus Westberlin kennen zu lernen und fragten Sie, ob sie mit dem Flugzeug gekommen sei und wie lange man da fliege.

Für diejenigen unter Euch, die den Witz nicht verstehen wollen, muss vielleicht gesagt werden, daß Westberlin direkt an die Hauptstadt der DDR grenzte und man zu Fuß rüber ging, weil ein Flug sicher möglich gewesen wäre, er aber viele Stunden in Anspruch genommen hätte und man sicher in Frankfurt am Main das Flugzeug hätte wechseln müssen.

Der Eintritt in den Volkspark DDR war damals übrigens 20 DM, für diese Summe erhielt man dann auch einige Aluchips, die man an den verschiedenen Vergnügungsbuden ausgeben konnte. Für eine Fahrt in einer historischen Straßenbahn beispielsweise riss man sich eine Fahrkarte von einer Rolle in einem roten Kästchen ab und konnte - wenn man wollte - einen Aluchip mit Aufschrift 10 in das Kästchen oben reintun. Da die Leute immer mehr Aluchips hatten, als wie sie im Volkspark ausgeben konnten, hat niemals jemand den Betreiber der Bahn prellen wollen. Ausserdem waren die Bahnen wegen des großen Andrangs immer recht voll. Jedenfalls hatten die keine Schwarzfahrer bzw. die sich aus solcher Unsitte heraus ergebenden 'Pflichtfahrer' (die übrigens auch für ihre Fahrten nicht bezahlen) und keine Hightechautomaten um ihre roten Zahlen ins Schwarze zu wandeln. Die Betreiber der verschiedenen Vergnügungsbuden mussten übrigens nicht gewinnbringend wirtschaften. Solch dummen Zwängen unterlagen nur die Besucher z.B. die aus Westberlin.

Ach ja, spätestens pünktlich um Mitternacht musste man den Volkspark wieder verlassen. Dazu gab es dann extra einen Tränenpalast wo man darüber weinen konnte. Den gibt's übrigens heute noch dort. Der Tränenpalast war so ne Art Bunker, wo kein Tageslicht reinfiel. Was niemand weiter störte, weil man dieses Gebäude sowieso nur gegen Mitternacht betrat. Dafür waren dort Hunderte von flackernden Neonröhren. Die wurden mittlerweile durch Discoscheinwerfer ersetzt. Die Leute die heute noch dort hingehen sind auch immer noch recht schräg angezogen. Damals waren es auch sehr schräge Leute, halt in mausgrüngrauen Uniformen.

Mehr zur damaligen Situation in Berlin (West) und Ostberlin kann Dir sicher unser Berliner erzählen, der sich hier oder im anderen Forum rumtreibt.

Herzlichen Gruß
Hinterbänkler (ehemaliger Westberliner und Westdeutscher)


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