Eine kleine Geschichte

Geschrieben von HJH am 03. März 2006 15:41:25:

Tag zusammen

Gefühlsduseleien gehören nicht unbedingt ins Forum, gerade auch, wenn es um solche "Nichtigkeiten" geht, wie ich sie folgend schildern möchte, und heute Morgen erleben durfte.

Außen vorm Küchenfenster hängt das stabile Vogelhäuschen. Stark andauernder Schneefall veranlasste mich am Morgen nachzuschauen, ob genügend Körner darin sind, um die wenigen Spatzen und Meisen die sich im Wohngebiet noch aufhalten, ausreichend zu versorgen. Dies war der Fall, denn tatsächlich scheinen über den langen Winter nur wenige Vogelfamilien einem treu geblieben zu sein, und deren Hunger scheint sich in Grenzen zu halten.

Ich schloss das Fenster, und las die Tageszeitung. Darauf begab ich mich erneut ans Fenster, und erblickte jetzt auf dem Dach des Vogelhäuschens ein junges und kleines, zitterndes Meisenkind. Es hatte keine Kraft davonzufliegen, selbst meine unmittelbare Nähe brachte es nur zu einem schwachen Aufbäumen seiner Flügel. Erschöpft blieb es sitzen, bibbernd geschwächt, sein Köpfchen ins Gefieder verborgen. Ich bekam Mitleid, bemerkte nun auch noch eine blutrig-eiternde Flüssigkeit, die dem Flügeltier entschwand.

Hilflos kam ich mir vor, der Mensch und die Kreatur, und traurig wurde ich. Dann kam der Gedanke an diese Vogelgrippe in mir auf, aber auch das Wissen um Singvögel, die im Winter verenden-einfach so, ohne groß Aufhebens zu machen. Erinnerungen wurden wach, als vor Jahren einmal ein Spatz sich in mein Schlafzimmer verirrte, ich ihm die Freiheit wiedergab, und er sich mit einem Spatzenschiss zum Dank verabschiedete. Und ich am gleichen Tag jenes Sommers durch eine Allee mittags mit dem Auto fuhr, und wie aus heiterem Himmel von rechts und links Vögel den PKW regelrecht attackierten. Ich nahm diese beiden Vorgänge damals als persönliches Zeichen, schränkte meine Fahrlust extremst ein, und fahre selbst heute nur noch in äußerster Dringlichkeit mit einem dieser Verpester.

Und nun saß da diese junge Meise. Was sollte ich machen? Von Sensationslust gepackt suchte ich die Telefon-Nummer der Vogelgrippe-Hotline unseres Bundeslandes. Fand sie, ging ans Telefon, wählte die heiße Nummer und schilderte dämlich dümmlich den Vorfall. "Sollten mehr Tiere solche Verhaltensmerkmale aufweisen, wenden Sie sich am besten an Ihre Kreisverwaltung..." hörte ich den Fachmann am anderen Ende sagen. "Nehmen sie ein paar Handschuhe und stecken ihn in eine Tüte...und weg damit". "Aber der lebt ja noch", so mein Kommentar dazu. In meinem Größenwahn sah schon die Schlagzeile vor meinen Augen: Aufmerksamer Bürger verhindert Ausbreitung der Vogelgrippe - mit Landesverdienstorden geeehrt.

Zurück am Küchenfenster saß der kleine Piepmatz sichtlich ohne Besserung seines Zustandes, und ich blieb vor und bei ihm stehen, sichtlich gerührt. Der Schneefall nahm weiter zu, es kam Wind auf, und blies erste Flocken auf das noch flaumige Gefieder. Dann purzelte das gelb-grüne bisschen Leben die Dachpappe des Vogelhauses hinunter, fiel von dort mehrere Meter in die Tiefe, und plumpste
in den hohen Schnee. Leben ausgehaucht. Mit heißem Wasser und deutscher Rein- wie Gründlichkeit säuberte ich das Dach von der eitrigen Flüssigkeit die darauf klebte, und schaute alle halbe Stunde aus dem Fenster nach unten, wo der gefiederte Freund mehr und mehr vom Schnee bedeckt sein eisigen Grab fand-bis Tauwetter einsetzen wird, und ich erneut daran erinnert werde...

Wie unbarmherzig das Leben doch sein,- und enden kann. Ein Gebet gab ich dem Kleinen mit auf den Weg, eine kleine Hoffnung nach oben als es noch lebte, und sein Köpfchen sich einmal zu mir drehte, und die Augen schon fast zu schwach waren, diese zu öffnen.

Was ich mit dieser Geschichte auch sagen möchte ist, die "Überunsbestimmer" aller Bereiche der Welt hatten sicher nie solche Erfahrungen machen dürfen, und wenn, zerquetschten und quälten sie lieber die Schwächeren - ob Mensch oder Tier. Und das schon während ihrer Kindheit, und mit dem "Segen" ihrer Väter!

Denkt mal drüber nach, zu welcher Sorte "ihr" gehört...

Guten Tag

Jörg



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