Re: hier noch das interessante INTERVIEW!

Geschrieben von Ego Man am 05. Januar 2006 21:46:44:

Als Antwort auf: .\\\\*////... Flächendeckende Alltagsüberwachung +++ _____*** geschrieben von Ego Man am 05. Januar 2006 21:33:01:

"Überwachung im Alltag ist jetzt möglich"


Datenschutzbeauftragter Schaar fordert, den Datenschutz der neuen Technik anzupassen


Herr Schaar, haben Sie Angst vor der großen Koalition?

Ich glaube nicht, dass die Entscheidungen des neuen Innenministers Wolfgang Schäuble stärker zu Lasten des Datenschutzes gehen werden als die seines Vorgängers Otto Schily. Rot-Grün hatte im Koalitionsvertrag zwar viel Datenschutz versprochen, aber wenig davon tatsächlich umgesetzt.

Also anders gefragt: Was erhoffen Sie sich von der großen Koalition?

Wir brauchen ein neues, umfassendes Datenschutzgesetz. Das alte ist nicht mehr in der Lage, der allgegenwärtigen Datenflut angemessen zu begegnen. Die Defizite sind groß und offensichtlich. Ich hätte mich daher gefreut, wenn die große Koalition den Datenschutz schon explizit thematisiert hätte.

Was meinen Sie mit allgegenwärtiger Datenflut?

Es ist inzwischen im Grunde möglich, den Bürger sehr weitgehend, also auch im Alltagsleben, zu überwachen. Es gibt neue Technik, die das möglich macht. Zum Beispiel die so genannten RFID-Chips, die per Funk ausgelesen werden können. Sie werden immer billiger und sind immer weiter verbreitet. Sie können in Supermarktwaren stecken, sie sind aber auch in Wegfahrsperren von Autos und in den neuen Pässen zu finden. Es entsteht eine neue Infrastruktur, bei der immerzu und überall Daten verarbeitet werden. Die Frage, wer eigentlich für diese Daten verantwortlich ist, lässt sich dabei kaum noch beantworten.

Wie ließe sich Abhilfe schaffen?

Das Bundesdatenschutzgesetz muss dieser Entwicklung unbedingt angepasst werden. Künftig wird man in diesem Gesetz unterscheiden müssen zwischen zielgerichteter Datensammlung - etwa bei der Ausstellung eines Kfz-Scheins - und der ungezielten Datenerhebung, etwa durch die Funkchips oder das Mobiltelefon. Gerade mit den ungezielt erhobenen Daten muss sehr viel sorgfältiger umgegangen werden als bisher.

Müssen solche Bemühungen nicht am technischen Fortschritt scheitern?

Die Gesundheitskarte bedeutet zweifellos ein großes Stück technischen Fortschritt. Dabei hat sich aber auch gezeigt, dass man die Datenschutz-Fragen sinnvoll gesetzlich regeln kann. Nur wenn der Patient zustimmt, darf ein großer Teil seiner Daten überhaupt auf der Karte gespeichert werden. Zu solchen Lösungen müssen wir auch anderswo kommen. Denken Sie nur an eine mögliche PKW-Maut oder die Ferndiagnose bei Herzpatienten. Das alles ist mit Kommunikationsvorgängen verbunden. Und auf diese technischen Möglichkeiten muss reagiert werden, im Gesetz und in der Technik selbst.

In der Technik selbst, wie das?

Schon bei der Entwicklung von Produkten müssen datenschutzrechtliche Erwägungen mit einfließen. Beispiel LKW-Maut: Da werden laufend personenbezogene Daten erhoben, deswegen braucht es ein Gesetz, um zu regeln, was mit diesen Daten passieren darf. Besser wäre es, schon bei der Entwicklung darauf zu achten, dass ein System so wenig Daten wie möglich erhebt. Wir brauchen neue Ansätze: Weg vom Datenschutz als juristische Bewältigungsstrategie, hin zum Datenschutz als technische und organisatorische Gestaltungsaufgabe.

Bei der Telefonüberwachung muss der Gesetzgeber auf Weisung des Verfassungsgerichts nachbessern. Wie sollte ein neues Gesetz aussehen?

Erstens müssen private Gespräche, zum Beispiel die zwischen Partnern, tabu für die Lauscher werden. Zweitens darf nur bei schweren Straftaten gelauscht werden, denn auch hier muss die Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Drittens sollten Richter nach der Bewilligung die Maßnahme regelmäßig kontrollieren. Auch die Benachrichtigung der Betroffenen muss verbessert werden.

Die EU hat beschlossen, dass Telekommunikationsdaten mindestens ein halbes Jahr lang gespeichert werden müssen. Sind Sie einverstanden?

Ich bedaure den Beschluss, auch wenn es noch wesentlich weiter gehende Vorschläge gab. Jetzt muss der Kompromiss aber von Deutschland umgesetzt werden. Ich fordere dabei größtmöglichen Datenschutz. Also die Minimalauslegung: Nur ein halbes Jahr Speicherung, keine Vorratsdatenspeicherung von Anrufversuchen und die Beschränkung auf schwere Straftaten. Das könnte eine erste, wichtige Richtungsentscheidung für die neue Regierung werden. Ich freue mich auf eine interessante Diskussion.

Das Gespräch führte Jakob Schlandt.



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