. \\\*/// ... the BIRD will come ...~~~ ____________________~~*
Geschrieben von Ego Man am 07. November 2005 21:49:07:
M. C. Escher, 1947, 'Another World'
"The Bird Will Come"
Die Rache des Geflügels
Die menschliche Fantasie hat die Vögel missbraucht. Jetzt muss sie die Ansteckung fürchten
Bora CosicEin Gespenst geht um in Europa. Aber es ist nicht mehr das Gespenst des Kommunismus, sondern das Gespenst realer, geflügelter Wesen, Krähen, Schwäne und profaner Gänse.
Die Vogelgrippe kommt mit einer Serie von Unannehmlichkeiten daher, die sich derzeit auf die Menschenwelt stürzen, gleich nach Überflutungen und Erdbeben, doch dieses Mal kommt die Seuche als eine lebende Gewalt über uns, wie symbolisch diese auch immer aussieht. Der Mensch erlebt generell Vögel übertrieben metaphorisch. Daher diese Unmenge an Wappen und Firmenlogos, die einen Schnabel, Krallen und das Auge des Falken tragen. Vögel sind eigentlich durch vielfältigen Missbrauch verunglimpft worden, als ginge von ihnen die Selbstherrschaft der Pharaonen aus, die Brutalität des deutschen Nazismus und aller anderen Varianten, in denen ein schöner Kopf diese paradiesischen Erscheinungen in Embleme der Gewalt verwandelt. Die Gewalt jedoch geht vom Menschen aus. Die Vögel haben damit nichts zu tun, sie sind ein freies Völkchen, das der menschliche Verstand nur beneiden kann, von Leonardo bis in unsere Tage. In den Flugzeugen und anderen Flugkörpern erlebten die Vögel eine besondere Nachahmung, doch durch die Einmaligkeit ihrer Flugweise sind sie eigenständig und unabhängig geblieben.
Manchmal werden sie sogar in globalem Ausmaß beschuldigt, so wie in Hitchcocks Film. Und so wurde all' das, was zu den üblen Verhaltensweisen der Menschen zählt, einer Gruppe Krähen angedichtet, die sich auf den Dächern, Telefonleitungen und Straßen einer Stadt zusammen fanden. Aber nirgendwo auf der Welt wird ein Haufen Raben sich auf eine fremde Haustür stürzen, nur die Menschen selbst machen so etwas, häufig gegen ihre nächsten Nachbarn, so wie es im bosnischen Zvornik, in Grosny und irgendwo in Uganda geschah. Die menschliche Faust ist jene Krähenkralle, das Messer ist der Schnabel des Adlers, der ohne eigenes Zutun in Hitlers Wappen eingefangen wurde. Die Menschen sind Raubvögel, nicht die Vögel selbst. Die Vögel rauben das, was ihnen durch die Dramaturgie der Natur zusteht, aber sie rauben nicht, was ihnen in keiner Hinsicht gehört, vor allem keinen Mantel, keinen Geldbeutel, keinen Kühlschrank aus Nachbars Haus.
Zugegeben, es gibt die diebische Elster oder das, was die Menschen über sie berichten. Manchmal denke ich, dass in dieser eher komischen Figur, in diesem Op-Art-Gefieder, das mehr dem Geschmack einer Modistin entspricht - dass sich in ihr ein getarnter menschlicher Charakter verbirgt.
Außerdem singen die Vögel. Ihre Arien tragen sie auf natürliche Weise vor, ohne Ausbildung, wie Pavarotti oder die Callas sie hatten. Sie sind Teil einer Oper, die unabhängig von den Repertoires der großen Bühnen ist. Ihre Musik ergießt sich auf jeden, auch den kleinsten Garten, sogar auf Gebiete, in denen der menschliche aggressive Geist schießt und schlägt und wütet. Der Vogel ist sowieso eines der Lieblingsziele des Mannes mit Gewehr. Der besessen davon ist, ein Dutzend Wachteln an seinem Gürtel aufgereiht nach Hause zu bringen.
Der Mensch ist genetisch ansonsten ein Anti-Vogel, so viele Vogeleigenschaften er auch nachzuahmen trachtet. Aus diesem Grunde sieht ein religiöses Subjekt sein Vorbild im Engel, im geflügelten Epheben - egal wie gottesfürchtig, träumt er davon, zum paradiesischen, himmlischen Garten empor zu steigen.
Nun kommt diese Vogelpest wie eine Quintessenz des Zerwürfnisses zwischen Adlern und Menschen. Dass eine Wachtel, ein Kranich und ein gewöhnliches Haushuhn eine eigene Variante einer Erkältung bekommen, sollte doch ihre Sache sein, aber da sich die Menschen in ihr Leben eingemischt haben, in ihr Schicksal und in viele Vogelparameter, die sie sich ausleihen, bekommen nun dieselben Menschen ihren Teil des Schreckens, der Angst und der Todesdrohungen ab. Hat nicht dieses Gefieder ein Recht auf seinen eigenen Schnupfen, seinen eigenen Husten und seine eigenen Halsschmerzen, vor allem jene unter ihnen, die so lange Hälse haben!
Zufällig und auf Grund alter Gewohnheiten fallen Menschen in Vogelgebiete ein, mit mehr oder weniger gewalttätigen Methoden. Man baut riesige Käfige in Zoos oder markiert ihre dünnen Beinchen mit Zeichen, so wie man es bisweilen am Menschen praktiziert. Überall, wo es Vögel gibt, gibt es anscheinend sofort auch Menschen, friedfertige angelsächsische Beobachter in den Wäldern, sorgfältige Wissenschaftler, Liebhaber, die ihre Umzüge in den Süden verfolgen, bis hin zu ungetarnten Mördern mit Schrotflinten und Küchenmessern. Schon in zartestem Alter bauen Knaben Fallen, um eine kleine Amsel zu erwischen, und ganz Hundsmiserable klauen die Eier aus unbewachten Vogelnestern.
In diesen Wochen herrscht also Angst vor dem Geflügel unter den übermächtigen Menschen. Hätten sie nur nicht auf wilde Enten geschossen, hätten sie die Vögel nicht in Schwanenteichen und Hühnerställen gefangen gehalten, und hätten sie doch nicht gierig Pute mit hausgemachten Nudeln verschlungen! Der Mensch hat es selbst gewählt, sich in alles um ihn herum einzumischen. Dafür muss man manchmal bezahlen. Die Natur kann sich - trotz ihres eigenen Desinteresses - eben doch zur Wehr setzen. Auf der anderen Seite fällt die menschliche Abwehr von Hitchcocks Vögeln unweigerlich gewalttätig aus. Der Mensch exekutiert Millionen gefiederter Wesen wie in Gaskammern und Krematorien. Mit all' jenem, was er für die Vernichtung der menschlichen Rasse erdacht hat.
Der einstige Vogel, dieser gefallene Engel: der Mensch, könnte endlich - belehrt durch vielerlei Umstände - etwas mehr Bescheidenheit annehmen.
Aus dem Serbischen von Alida Bremer.
Bora Cosic zählt zu den bekanntesten serbischen Autoren. Er lebt in Berlin und Rovinj/Kroatien.
Enjoy it, take care: the LORD bless you.
Ego Man
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