Re: Hellinger - Familienaufstellungen

Geschrieben von Susi am 18. November 2004 16:36:

Als Antwort auf: Hellinger - Familienaufstellungen geschrieben von Röde Orm am 18. November 2004 15:05:58:

Hallo Röde,

auch wenn ich in Deinem Forum nicht angemeldet bin, so bin ich doch stille Mitleserin ;-).

Auch ich befasse mich grad mit Familienaufstellungen. Habe die ersten Aufstellungen vor ca. 2 Jahren machen lassen und wirklich einiges erfahren und auch kleine Veränderungen gespührt. Die Aufstellungen damals wurden von einer Heilpraktikerin gemacht, die sehr viel Erfahrungen damit hat.

Im letzten Urlaub hab ich jemanden kennengelernt, mit dessen Hilfe ich wieder eine Familienaufstellung gemacht hab. Bislang konnten ich leider keine Veränderung feststellen - naja, der Urlaub ist auch noch nicht sooo lange her.
Man darf auch keine Wunder erwarten.

Vielleicht greifen wir das Thema ja kurz beim HH-Stammtisch auf?!

Bis dann
viele Grüße
Susi

>Hallo Leute
>Ich erfuhr mal ein bisschen in Sachen Familienaufstellungen. Anfangs konnte ich gar nichts damit anfangen, aber man bildet sich ja weiter:-)
>Kann das einer von Euch etwas näher erläufern? So wie ich es verstanden habe, werden Personen in einer bestimmten Ordnung angeordnet, um so dem Klienten sein Problem mit der Psyche näher zu bringen. Diese Personen spielen dann die Familie wieder. Das Prinzip ist wohl das Erkennen von Zusammenhängen usw. Das jetzt mal gaaanz grob erklärt.
>Ich erhielt auch von unterschiedlichen Personen Lesetipps. Hellinger tauchte immer wieder auf. Bücher sind hier zu finden.
>Als Beispiel eine Rezension:
>Anerkennen, was ist
>Bert Hellinger kann heftige Reaktionen auslösen, sowohl bei seinen Anhängern und Klienten als auch bei seinen Kritikern. Wenn jemand derart polarisiert, wird er vermutlich etwas Un- oder sogar Außergewöhnliches tun, dachte ich mir (wobei ich bewußt auf eine positive oder negative Wertung verzichte).
>Mein Interesse an Hellinger war also geweckt, und als mir eine Freundin dieses Buch als eins ihrer Lieblingsbücher beschrieb und mir anbot, es mir auszuleihen, begann ich, darin zu lesen und war erstaunt, auf was für einer tiefen Ebene es mich ansprach.
>Ich habe dieses Buch gern gelesen, weil es mich an intuitiv einleuchtende Weisheiten erinnert hat, die bei mir auf einer (für mich) erstaunlich tiefen (Gefühls)-ebene Resonanz fanden. Es ist ein Buch, das mir beim Lesen wie kaum ein anderes ein Gefühl der Ruhe und geistigen Sammlung eröffnet hat.
>Hellingers Sprache ist sehr klar. Er benötigt keinen populären oder akademischen Psycho-Jargon, sondern spricht Wesentliches in einfachen, alltäglichen und jederzeit verständlichen Worten an.
>Während der Großteil der Autoren heutiger Pop-Psychologie und Erfolgskonzepte eine allumfassende Machbarkeit und Verwirklichbarkeit aller nur denkbaren Träume propagiert, macht Hellinger in diesem Buch überhaupt keine Versprechungen. Stattdessen empfiehlt er eine Achtung vor dem (persönlichen) Schicksal: aus dem Anerkennen dessen, was ist, erwachse nämlich eine tiefere, ruhigere und letztlich stärkere Kraft als aus oberflächlichen alles-ist-möglich-Ideologien wie Kommunismus, Liberalismus oder den Erfolgsrezepten populärer Erfolgstrainer und Börsengurus.
>Interessant fand ich dabei, daß für Hellinger aus seiner Einsicht in die Unabwendbarkeit des Schicksals nicht etwa hoffnungslose Ernüchterung, Resignation oder Verzweiflung folgen. Sondern eher eine Haltung, die sich vielleicht als "Ehrfurcht vor dem Schicksal" beschreiben lässt: eine Haltung aus der einem -- sagt zumindest Hellinger -- auch Kraft zufließen kann, sofern man in der Lage ist, anzuerkennen, was ist und im Einklang damit zu leben.
>Das klingt altmodisch und riecht nach Religion, und ich tue mich auch ziemlich schwer damit. Mir scheint aber doch etwas richtiges darin zu liegen, auch wenn ich noch nicht recht weiß, was genau oder wie das umzusetzen wäre. Es ist jedenfalls ein Gedanke, den man so weder in der akademischen noch in der Pop-Psychologie findet (die entweder in Termini moderner technologischer oder evolutionstheoretischer Metaphern denkt oder nur oberflächliche Anleihen bei den verschiedensten religiösen Traditionen machen). Er scheint im modernen (von den Ideologien der Aufklärung, des Evolutionismus und zuletzt der Informationstheorie geprägten) Denken fast ganz verlorengegangen zu sein.
>Doch nicht nur an religiöse Traditionen erinnerten mich viele von Hellingers Gedanken. Fast erinnerte mich sein Stil auch an einige Passagen des späten Marx ...
>Obwohl ich das Buch sehr lohnend fand, würde ich persönlich doch keine Familienaufstellung bei Hellinger machen wollen. Und schon gar nicht bei einem der zahlreichen seiner selbsternannten Methoden-Anwender, von denen viele ernsthaft zu glauben scheinen, sich in ein paar Wochenend-Crash-Kursen zum "Familienaufsteller" qualifizieren zu können und sich dadurch berechtigt (oder gar "zertifiziert") fühlen, diese Art des Rollenspiels als universell wirksame Schnell-Therapie propagieren: darin sehe ich eher eine traurige, verzweifelte Trend-Hopping-Strategie wohl oft persönlich selbst orientierungsloser und tendenziell stets von Arbeits- und Einkommenslosigkeit bedrohter Anbieter auf einem mehr und mehr übersättigten Glaubens- und Psychomarkt, von denen wohl viele im Grunde Schwierigkeiten haben, mit ihrem (oft akademischen) Background potentiellen Klienten überhaupt einen substantiellen und überzeugenden Nutzen zu bieten. Diese Leute haben mein Mitleid, aber nicht mein Vertrauen als Klient.
>Hellinger selbst macht in diesem Buch keinerlei Werbung für seine "Therapiemethode" und propagiert sie auch in keiner Weise, was ich sehr angenehm fand.
>Wo Lob ist, da ist auch oft Tadel. Deshalb möchte ich auch noch auf ein weiteres Buch aufmerksam machen:
>'Niemand kann seinem Schicksal entgehen. . .'
>hier
>Bert Hellinger gilt mit seiner besonderen Form der "systemischen Familienaufstellung" als absoluter "Superstar" der Therapieszene - jedenfalls sofern die Anzahl seiner Veröffentlichungen sowie die Zahl der nach seiner Methode arbeitenden "TherapeutInnen" zugrunde gelegt wird. Für die PatientInnen birgt die Behandlung "nach Hellinger" jedoch unwägbare Risiken: der ehemalige Missionar hat (ebenso wie die meisten seiner praktizierenden Anhänger) keine solide therapeutische Ausbildung und verstößt gegen einfachste Regeln der Psychotherapie. Stattdessen propagiert er ein erzreaktionäres Familienbild, in dem die Frau dem Mann untergeordnet ist, Konflikte nicht ausgesprochen werden dürfen und die eigene Situation als Schicksal "angenommen" werden muss. Selbst sexueller Mißbrauch und Vergewaltigung werden auf diese Weise als "Schicksalsereignis" dargestellt, für das der Täter letztlich nicht selbst verantwortlich sei. Seine "Erkenntnisse", zu denen er nicht aufgrund wissenschaftlichen Studiu ms gelangt, sondern durch "höhere Eingebungen", wendet Hellinger nicht nur auf zwischenmenschliche Beziehungen an. Auch die Geschichte interpretiert er nach diesem Strickmuster neu. Insbesondere dienen seine "Erkenntnisse" zur Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Der Band stellt die zentralen Kritikpunkte an Hellingers Menschen- und Geschichtsbild kompakt dar, unterzieht seine Vorstellung von systemischer Therapie einer kritischen Betrachtung und wirft einen Blick auf das Netzwerk seiner Anhänger.
>Eins wird mir klar, Hellinger spaltet:-) Ich habe noch kein Werk von oder über ihn gelesen. Wie schaut es bei Euch aus? Eure Meinung?
>Hat schon einer von Euch eine Familienaufstellung machen lassen? Erfahrungen?
>Gruß
>Röde


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