Re: noch was anderes...
Geschrieben von Suchender am 24. Mai 2005 21:57:17:
Als Antwort auf: Russisches Gericht: 'Chodorkowski zur lebenslangen Anhörung seines eigenen...' geschrieben von FranzLiszt am 24. Mai 2005 21:26:01:
Kaum ist Schröders Stern am Sinken, da schlägt auch die Zurückhaltung der deutschen Medien betreffs Rußland um - ein Schelm, der Manipulation dahinter vermutet ... :
Wladimir Putin plagen Phantomschmerzen
Das russische Imperium bröckelt. Die Revolutionswelle könnte am Ende auch Moskau erreichen.
...
Der Politologe Stanislaw Belkowskij, einst Vordenker für Putin, als es darum ging, ein Grundsatzpapier zur Bekämpfung der Oligarchen zu erstellen, arbeitet heute an einer anderen roten Liste. Zur Risikogruppe der Staaten, in denen Revolutionen wahrscheinlich erscheinen, zählt Belkowskij Armenien, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan. Eine Ansteckungsgefahr durch das Revolutionsvirus sieht er in Rußland und Aserbaidschan. Am stabilsten seien die Diktaturen in Weißrußland und Turkmenistan.Die vom Kreml verbreitete Meinung, die USA und EU seien die wahren Drahtzieher der Volksaufstände, weist der Politologe zurück: "Die Gründe sind hausgemacht." Eine Kaste an der Staatsspitze verwehrt anderen Kräften den Zugang, das Mißtrauen des Volkes in die politische Elite wächst. Zudem fehlt ein positives Zukunftsszenario. Auch die Sicherheitsorgane sind sich uneins und versagen den Gehorsam.
"Diese Regime werben bei ihrem Volk mit Stabilität. Doch das Volk will eine dynamische Entwicklung, wie sie eine Revolution bietet", sagt Belkowskij. Revolutionen sind ansteckend. "Wie zehn kleine Negerlein" würden sich die Präsidenten der ehemaligen Sowjetrepubliken fühlen, kommentierte die russische Ausgabe von "Newsweek". "Sie können nur rätseln, wer der Nächste sein wird."
Putins Ruf als Ordnungshüter hat in der Zeit der Wirren gelitten. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), ein loser Staatenbund mit Rußland im Zentrum, kann die Zentrifugalkräfte nicht aufhalten. GUAM ist die Antwort auf die GUS. Hinter dem Kürzel verbergen sich Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien. Früher war noch ein zweites U dabei - für Usbekistan. Doch das Land trat am 5. Mai aus der als Alternative zur GUS gegründeten Organisation aus. An einer Stärkung der GUAM ist den USA gelegen. Gerade die Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres seien "von herausragender strategischer Bedeutung für Europa und die USA", sagt Bruce Jackson, der US-Vizepräsident Dick Cheney berät und als treibende US-Kraft hinter GUAM gilt. Nato und EU seien anziehender als ein Bündnis mit Moskau. Rußland habe den Nachbarn nichts zu bieten, findet der Politologe Andrej Piontkowskij: "Die anmaßende und feige, diebische und stümperhafte politische Elite Rußlands wird den postsowjetischen Raum niemals dominieren. Schlicht und einfach, weil man sie dort so nötig hat wie einen Kropf."
Wenn sich russische Politologen im Auftrag des Kremls dreist in den ukrainischen Wahlkampf einmischen, ist der Schaden größer als der Nutzen. Und wenn Putin auf einer Pressekonferenz den Akzent einer estnischen Journalistin nachäfft und ihr erklärt, das Baltikum sei niemals okkupiert gewesen, wirkt das selbstgefällig.
Daß die territoriale Integrität der Nachbarstaaten nicht immer respektiert wird, verdeutlicht auch der Streit um den Abzug von Truppenverbänden aus Georgien, den die russische Armee in die Länge zieht. Russische Einheiten sind in neun GUS-Staaten stationiert. Von Sewastopol auf der Krim bis hin zu Tadschikistan dienen rund 50 000 russische Soldaten und Offiziere im "nahen Ausland".
Putins Autorität ist dennoch begrenzt. Den Diktatoren unter den Nachbarn ist er zu demokratisch, den Demokraten zu diktatorisch. Eines seiner Lieblingsthemen ist der Schutz der Russen, die im Ausland leben. Doch kann er nicht verhindern, wenn der turkmenische Diktator Nijasow Russen des Landes verweist.
Die USA und China versuchen, das Machtvakuum aufzufüllen. Nach dem 11. September stationierten die USA Einheiten in Zentralasien und im Kaukasus. Beide Gegenden sind wegen ihrer Rohstoffvorkommen und der Transportrouten für Öl und Gas von Bedeutung. Auch China, das Öl und Gas aus Kasachstan und Turkmenistan beziehen möchte, sucht seinen Einfluß in Zentralasien zu stärken.
Druck kann Putin über die Wirtschaft aufbauen. Ein liberales Imperium gelte es zu errichten, sagt Anatolij Tschubajs, Vorstandschef des Strommonopolisten UES. Tschubajs kauft eine Stromwirtschaft nach der anderen auf. Nicht weniger aggressiv drängen russische Rohstoffkonzerne in die Nachbarstaaten. Ob Öl, Gas oder Aluminium - in vielen GUS-Staaten sind Russen die Marktführer.
Die Schwäche Putins im Umgang mit den Nachbarn hat weniger mit Nichtwollen als mit Nichtkönnen zu tun. Es fehlt eine Strategie, und die Probleme zu Hause binden alle Kräfte. Die Oligarchen, die mit Putins Wirtschaftskurs unzufrieden sind, aber auch Kremlkämpfe um Öl und Gas lassen Putin wenig durchsetzungsfähig erscheinen.
Belkowskij schließt eine Revolution in Rußland nicht aus. Die käme aber erst, wenn die russischen Regionen den Respekt vor dem Kreml verlören. Dann würden sich die Republiken, aber auch Sibirien und der Ferne Osten andere Anziehungspunkte suchen. "Dann bricht alles zusammen."