Große Koalition

Geschrieben von Suchender am 23. Mai 2005 15:25:58:

Nach der Ankündigung von Neuwahlen stellt sich das Auswärtige Amt (AA) auf einen Regierungswechsel im Herbst dieses Jahres ein. Gerechnet wird mit der Übernahme des AA durch Politiker der Freien Demokratischen Partei (FDP). Die der FDP zugeordneten Kontakt-Beamten des AA werden in den kommenden Tagen mit der Ventilierung zukünftiger Personalbesetzungen beginnen. Angesichts des erwarteten Zusammenbruchs der gegenwärtigen Regierung macht sich auf den Außenposten der Berliner Zentrale Hilflosigkeit breit. Das internationale Herrschafts-Projekt der deutschen Außenpolitik, die Erlangung eines Großmachtsitzes im UN-Sicherheitsrat, steht vor dem endgültigen Ende. Die Auswirkungen der vorgezogenen Neuwahlen reichen bis nach Paris, wo die französische Regierung mit negativen Folgen für das Referendum am kommenden Sonntag rechnet.

Als "völlige Delegitimierung" bezeichnen Berliner Diplomaten den Ausgang der Wahlen im bevölkerungsstärksten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dort brachen die Sozialdemokraten bei ihren Traditionsanhängern dramatisch ein (minus 5,7 Prozent) und zogen auch den Regierungspartner (Bündnis 90/Die Grünen) in eine seit Monaten anhaltende Abwärtsbewegung (minus 0,9 Prozent). Obwohl die Wahlentscheidung fast ausschließlich von der sozialdemokratischen Sozialpolitik beeinflusst war, werden ihre Erschütterungen die deutsche Außenpolitik in den kommenden Monaten prägen.

Wertlos
Mehrere PR-Termine deutscher Europa-Politiker, die in der Woche vor dem französischen EU-Referendum zur Verstärkung des Ja-Lagers nach Frankreich reisen wollten, wurden abgesagt oder verschoben. Der Entzug deutscher Hilfszusagen in Folge der Berliner Krise und das katastrophale Abschneiden der Schwesterpartei SPD trägt zu erneuten Irritationen bei der Mehrheit der französischen Sozialisten bei, die die EU-Verfassung befürwortet. Sie fürchtet, dass die Abwahl der deutschen Sozialdemokraten, deren Europa-Kurs den PS (Parti Socialiste) stets inspirierte, auch als Votum gegen die Sozialinhalte der EU-Verfassung verstanden werden könnte. Das für kommenden Freitag angesetzte Abstimmungsverfahren im Deutschen Bundesrat, der die Verfassung gutheißen wird und damit Einfluss auf das französische Referendum nehmen wollte, sei angesichts der instabilen deutschen Verhältnisse weitgehend wertlos geworden, heißt es bei konservativen Verfassungsfreunden in Paris.

Undurchführbar
Erheblichen Irritationen sieht sich Berlin auch in New York gegenüber, wo der deutsche UN-Botschafter noch vor wenigen Tagen zu einem Überrumpelungsmanöver ansetzte und die Mitglieder des Sicherheitsrats mit einem überraschenden Resolutionsentwurf konfrontierte. Er bereitet den Einzug Deutschlands und Japans in das höchste UN-Gremium vor. Nachdem dem Berliner Manöver erhebliche Aggressivität bescheinigt worden war, lehnte China das deutsche Vorgehen ab. Da allgemein bekannt ist, dass die deutschen UN-Diplomaten auf ausdrückliche Weisung der Berliner Regierungsspitzen handeln und deren Prestigebedürfnissen nachkommen, gelten die UNO-Pläne jetzt als undurchführbar. Laut des im AA verabschiedeten Zeitplans sollte das UN-Werben für einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat noch vor der Sommerpause auf Hochtouren gelangen. Dieses Ziel lässt sich wegen des begonnenen Wahlkampfes nicht einhalten.

Grundlegend
Trotz der voraussehbaren Übernahme des AA durch Mitglieder einer zukünftigen Regierung aus Konservativen und Freidemokraten gehen Beobachter von kontinuierlichen Entwicklungen der deutschen Außenpolitik aus, sobald die Wahlkampfphase überwunden ist. Eine Große Koalition der tragenden Parteien (CDU/SPD), deren Übereinstimmung in Fragen der deutschen Außenwirtschafts- und Militärpolitik grundlegend ist, wird für den Fall knapper Abstimmungsergebnisse nicht länger ausgeschlossen.

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Eine kurzfristige Destabilisierung Europas und somit der EU könnte die Folge sein - ein Aspekt, den Rußland für sich nutzen könnte ...


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