Buchtipp

Geschrieben von Thorshammer am 22. Mai 2005 12:47:16:

Schmutzige Geschäfte – schmutzige Bomben

Unter anderem ermöglichten es die «schmutzigen Geschäfte» westlicher Staaten, dass die islamistischen Terroristen auch für Europa zur Bedrohung wurden. Ein neues Buch deckt die Zusammenhänge auf.

Johannes und Germana von Dohnanyi sind seit vielen Jahren auf die Themen Terrorismus und organisierte Kriminalität spezialisiert. Mit dem Buch «Schmutzige Geschäfte und Heiliger Krieg. Al-Qaida in Europa» (Pendo Verlag) legen sie ihren bisher brisantesten Report vor.

Der 11. September hat es bewiesen: Auf selbstmörderische Terrorakte sind die westlichen Staaten kaum vorbereitet. Die Waffen des islamistischen Netzwerks Al-Qaida sind eben keine herkömmlichen Bomben oder Raketen. Nein. Die Terroristen arbeiten mit selbstgebastelten Sprengsätzen, «schmutzigen Bomben» und scheuen sich nicht, für ihre Ziele in den Tod zu gehen.

In diesem Buch belegt das Journalistenehepaar von Dohnanyi, wie die Terrororganisation Al-Qaida auch in Europa eine drohende Gefahr ist und deren Mitglieder rund um die Welt damit beschäftigt sind, die für den religiös motivierten Massenmord nötigen Ingredienzen zu besorgen.

Sie zeigen auf, dass Mohammed Attas Vorbereitungen für den Terroranschlag auf das World Trade Center in New York, die Aktivitäten der «Meliani»-Zelle in Frankfurt, das Attentat auf die Synagoge in Djerba, die Machenschaften von Al-Tawhid in Deutschland nicht isolierte Ereignisse waren, sondern das Ergebnis eines weltweit operierenden terroristischen Netzwerks, finanziert von islamischen Staaten, allen voran von Saudi-Arabien.


«Die Islamisten haben zuerst den moderaten Muslimen, sodann den ‘Juden’ und schliesslich dem säkularen westlichen Gesellschaftsmodell insgesamt den totalen Krieg erklärt.»

Johannes und Germana von Dohnanyi


Das Buch tippt manch heisses Eisen an, etwa die schleichende Radikalisierung der rund drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime, respektive deren Nichtbeachtung und die nach wie vor herrschende Unwissenheit über die muslimische Welt. Welcher Mitarbeiter eines westlichen Nachrichtendienstes spricht schon Arabisch?

«Im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus erscheint die deutsche Gesellschaft zunehmend wehrlos (...) Mehr noch: Das deutsche Modell behindert die gezielte Fahndung nach potentiellen Terroristen» (S. 11). Ein Düsseldorfer Geheimdienstler nimmt kein Blatt vor den Mund: «Ein Land, das aus falsch verstandener Toleranz zum Beispiel Hamas und Hisbollah erlaubt, in ihren religiösen Zentren offen für den Terrorkrieg gegen Israel zu werben, das türkischen Islamisten per Richterbeschluss gestattet, an öffentlichen Schulen ihre von Hass geprägte Version des Korans zu lehren – ein solches Land wird dafür bezahlen» (S. 12). Osama Bin Laden und Al-Qaida haben der freien und nach demokratischen Prinzipien geordneten Welt insgesamt den Krieg angesagt. Es ist beklemmend zu erfahren, dass die europäischen Staaten kaum darauf reagieren. Dohnanyi: «Ist schon eine realistische Einschätzung dieser Gefahr schwierig genug, so erweist sich die Suche nach einer Erfolg versprechenden Abwehrstrategie als fast unmöglich» (S. 15).

In den vergangenen Jahren wurden «Gotteskrieger» nach Bosnien, Albanien und in den Kosovo eingeschleust. Sie schufen Al-Qaida ein Sprungbrett nach Europa. Spannend notieren die beiden renommierten Auslandkorrespondenten, wie Al-Qaida sein Netzwerk spinnt. Detailreich und über Jahre recherchiert, liefern sie Namen, Daten und Fakten und beleuchten Zusammenhänge. Unter anderem machen die Autoren darauf aufmerksam, dass der Giftgasanschlag in der U-Bahn von Tokio vom Mai 1995 der allererste, religiös motivierte und während Monaten geplant gewesene Terrorakt der neuen Art gewesen sei.

Die neue Gefahr gehe inzwischen von «schmutzigen Bomben» aus – Sprengstoff wird zusammen mit Gift- und Nuklearmüll zum Massentötungsmittel. Plutonium und angereichertes Uran finden sich in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion genug. Aber nicht nur dort. Auch zivile Strahlenabfälle aus der Medizinal- und Lebensmitteltechnik lassen sich missbrauchen. Lebensmittel werden radiologisch bestrahlt, um deren Haltbarkeit zu erhöhen. Diese «Ionisierung» vernichtet mit Hilfe kurzwelliger Strahlungen einer Kobaltquelle die Mikroorganismen, die für den Fäulnisprozess in Lebensmitteln verantwortlich sind. Die dazu verwendeten Kobaltstäbe könnten zu Pulver verrieben zusammen mit einem Sprengsatz zu einer hochgefährlichen Bombe werden!

Tatsächlich wurden allein in den USA nach dem 11. September 107 Diebstähle von radioaktivem Material gemeldet (S. 138). Zu sagen ist aber, dass der Handel mit derart gefährlichem Material noch längst nicht in allen Ländern gesetzlich geregelt ist.


«Terroristen wollen zwar auch töten. In erster Linie aber wollen sie eine möglichst grosse Zahl von Menschen terrorisieren.»

Johannes und Germana von Dohnanyi


Ein weiteres heisses Eisen behandelt das Kapitel «Von Islamisten, Rechtsextremisten und Mafiosi». Seit dem Dritten Reich kam es immer wieder zu Kontakten zwischen Rechtsextremisten und Islamisten. Doch die Politik will diesen Schulterschluss immer noch nicht wahrnehmen.

Das faktenreiche Buch von Johannes und Germana von Dohnanyi ist auf den kürzesten Nenner gebracht eine grosse drängende Frage: Was machen die europäischen Staaten, um sich zu wehren? An diesem Punkt wird die Tonart im Buch scharf: «Wer in der Debatte über den Islamismus immer noch fast entschuldigend von ‘Andersdenkenden’ redet, blockiert nicht nur das lang überfällige Entstehen einer islamischen Zivilgesellschaft, die bereit ist, mit den westlichen Demokratien in einen offenen Dialog zu treten. Wer den Islamismus als Gefahr leugnet, verweigert sich der Realität. Die Islamisten haben zuerst den moderaten Muslimen, sodann den ‘Juden’ und schliesslich dem säkularen westlichen Gesellschaftsmodell insgesamt den totalen Krieg erklärt. Und wenn es ihnen gestattet wird, werden sie jedes Mittel nutzen, um an ihr Ziel zu gelangen. Eines dieser Mittel sind Massenvernichtungswaffen (...) mit denen auf einen Schlag eine möglichst grosse Zahl von ‘Ungläubigen’ aus dem Weg geräumt werden kann» (S. 267).

Die Autoren sehen als Lösungsweg nur eine Option, den der harten Linie: «Das internationale Netz des Terrorismus muss Masche für Masche, Zelle für Zelle ausgehoben werden (...)» (S. 269). Die Abhängigkeit vom Öl aus der arabischen Welt müsse beseitigt, die Verbindungen des Terrorismus zu internationalen Verbrecherringen müssten aufgedeckt, die für die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen Zuständigen zur Verantwortung gezogen werden.

«Schmutzige Geschäfte und Heiliger Krieg» ist ein aufschlussreiches, gut zu lesendes Buch für jeden, der sich mit dem Zeitgeschehen tiefer auseinander setzt. Manche der aufgezeigten Zusammenhänge sind erschreckend, doch wichtig zu wissen. Beim Lesen wird einem die Zweischneidigkeit der geforderten Massnahmen bewusst: Wenn ich nach der Überwachung islamischer Gruppierungen rufe, dann fordere ich Gesetzesänderungen, die für alle religiösen Gemeinschaften gelten werden.

Unausgesprochen stellt das Buch auch die Frage, ob uns die Ziele der Lehren des Islam bekannt sind und ob wir diese aufgrund unserer Haltung der Ignoranz wirklich richtig verstanden haben. In diesem Bereich liefert dieser gesellschaftspolitisch hochaktuelle Titel aber keine tiefer gehenden Informationen.•

ROLF HÖNEISEN


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