Großer Wurf - oder Deutschland als Köder für Rußland auslegen ...

Geschrieben von Suchender am 17. Mai 2005 21:04:15:

BERLIN/TOKIO/NEW YORK
(Eigener Bericht) - Mit einem Mehrstufenplan für den Aufstieg in das höchste UN-Gremium fordern Deutschland und Japan den offenen Widerstand der Großmächte heraus. Die Nachfolgestaaten der früheren Weltkriegsaggressoren verlangen exklusive Veto-Rechte und wollen den früheren Alliierten sowie der Volksrepublik China gleichgestellt werden. Um die Abwehrfront zu unterlaufen, setzt das Auswärtige Amt auf eine schrittweise Isolierung der Großmächte, die Anfachung zwischenstaatlicher Konkurrenz und doppelbödige Abstimmungsverfahren in der UN-Vollversammlung. Die namentliche Kandidatur zur Mitgliedschaft im Weltsicherheitsrat wollen Berlin und Tokio erst in allerletzter Minute anmelden. Die deutsch-japanischen Aktivitäten haben zu ernsten Spannungen mit Washington geführt und beginnen die Arbeit der Vereinten Nationen zu überlagern.
Wie das US-State Department am Wochenende in amerikanischen Medien streuen ließ, haben die Vereinigten Staaten sowohl Deutschland als auch Japan vor weiteren Aktivitäten zur Erlangung eines Veto-Sitzes im Weltsicherheitsrat "gewarnt".1) Sollten die selbst ernannten Aspiranten in der UN-Vollversammlung Mehrheiten suchen, obwohl ihnen der Widerstand gegen die machtpolitische Gleichstellung mit den bisherigen Veto-Mächten bekannt ist, werde dies zu schweren Verwerfungen führen.2) US-Unterstützung könnte die Kandidatur nur finden, wenn sich Berlin und Tokio mit einer erweiterten Mitgliedschaft ohne Vetorecht begnügen würden, bietet Washington an.

Auslöschen
Ein ähnliches Angebot hatte auch der UN-Generalsekretär unterbreitet, aber war mit Konsenslösungen im Auswärtigen Amt ebenso auf Desinteresse gestoßen wie im japanischen Außenministerium. Man lasse sich in der UNO nicht als drittklassige Macht behandeln und habe den selben Anspruch auf einen Veto-Sitz im Weltsicherheitsrat wie die Volksrepublik China, lässt sich der japanische Botschafter in der internationalen Presse zitieren. Die ungewöhnlichen Äußerungen, die von den historisch begründeten Widerständen gegen den Neuauftritt Japans völlig absehen, werden den strategischen Absichten Tokios zugerechnet. Japan sieht sich als Gegenspieler der VR China mit Optionen auf den "Großen Krieg".3) Auch die deutsche Regierung hält den Augenblick für gekommen, ihre tatsächliche Machtposition auszuspielen und in der UNO jede institutionelle Erinnerung an die Politik ihrer Reichs-Vorgänger auszulöschen.

Vorsichtsmaßnahmen
Diese Erinnerung ist in der UN-Feindstaatenklausel lebendig. Laut Artikel 53 und 107 der UN-Charta können gegen Deutschland und Japan, die Feinde der UN-Gründer waren, jederzeit Zwangsmaßnahmen ergriffen werden, darunter auch Maßnahmen militärischer Art, um einer Erneuerung ihrer Aggressionspolitik entgegen zu treten. Zwar behauptet das Auswärtige Amt, Artikel 53 und 107 seien obsolet, weil die Alliierten im 2+4-Vertrag auf das Weiterwirken ihrer Besatzungsrechte verzichtet hätten (§ 7, Abs.1). Tatsächlich wurden die Bestimmungen der Artikel 53 und 107 aber bis heute nicht außer Kraft gesetzt; ihre Streichung aus der UN-Charta ist nicht nur "redaktioneller Natur"4) , sondern verweist auf den Gründungsgedanken der Vereinten Nationen: Jeglicher Kriegspolitik und Revitalisierung des deutschen wie japanischen Militarismus sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Erst mit förmlicher Aufhebung der Artikel 53 und 107 können Berlin und Tokio vor internationalen, durch UN-Recht gedeckten Interventionen sicher sein. Selbst wenn ein militärisches Einschreiten gegen Deutschland und Japan unwahrscheinlich wäre - allein der öffentliche Hinweis auf das Fortwirken internationaler Vorsichtsmaßnahmen behindert die weltweite Expansion der früheren Aggressoren und ist dem Führungsanspruch beider Länder nicht förderlich. Mit der Aufnahme in den Weltsicherheitsrat würden die Klauseln fallen.

Rüstungsprogramm
Dass Vorsichtsmaßnahmen nicht unbegründet sind, beweist die Remilitarisierung Japans. Seit 1992 hat das japanische Kabinett über 20 Gesetze und Verordnungen verabschiedet, die Artikel 9 der japanischen Verfassung aushebeln oder soweit einschränken, dass der ursprüngliche Sinn des Artikels (ewiger Verzicht auf angriffsfähige Militäreinheiten) ohne materielle Basis ist. Japanische Truppen stehen nicht nur im Irak; das japanische Rüstungsprogramm orientiert sich an Auslandseinsätzen, die das südostasiatische Festland und Zentralasien anvisieren. Dort treffen die japanischen Optionen auf reale Militärpräsenzen des ehemaligen Bündnispartners Deutschland.

Angriff
Da der offene Angriff auf die historischen Vorbehalte gegen Berlin und Tokio in den vergangenen Monaten immer wieder gescheitert ist5) , versuchen beide Länder jetzt, über Hintertreppen und mit Verfahrenstricks in den Weltsicherheitsrat zu gelangen. Nach dem jüngsten Plan soll die UNO-Vollversammlung einer allgemeinen "Reform" des Sicherheitsrats zustimmen. Die Resolutionsvorlage liefert Berlin, ohne sich selbst und Tokio als finale Nutznießer der Umgestaltung zu benennen. Lediglich eine Regionalquotierung im Weltsicherheitsrat wird empfohlen - demnach benötigt Europa ein weiteres Mitglied im Weltsicherheitsrat, für Asien ist an zwei Neumitglieder gedacht. Namen werden nicht genannt.

Show-Down
Gehen ausreichend viele UN-Staaten auf das selbstlose Reformbemühen ein, wird eine zweite Resolution nachgeschoben. Darin nimmt es Deutschland schweren Herzens auf sich, den europäischen Sitz zu belegen, Japan und Indien teilen sich in die asiatischen Plätze. Auch diese Vorlage wäre von der UN-Vollversammlung zu genehmigen, so dass ein Veto der Großmächte nicht greifen könnte. Erst mit der dritten Resolution, die zur Ratifizierung der "Reform" führen soll, will Berlin zum eigentlichen Show-Down gegen die Opposition im Weltsicherheitsrat antreten - den Großmächten und Weltkriegssiegern bliebe jetzt nur noch übrig, das reformerische Gesamtpaket abzulehnen. Gegen einzelne Neumitglieder und ihr Veto-Recht zu stimmen, wäre technisch unmöglich.

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Angeheizt
Die nach Art eines Schleppnetzes angelegte Strategie mit drei sich verengenden Kammern (und einem Tranquilizer)gilt im Auswärtigen Amt als "großer Wurf", weil das trickreiche Verfahren geeignet zu sein scheint, die USA matt zu setzen und auch Einwände Russlands sowie der VR China zu neutralisieren. Doch gerade diese Taktik, die aus den Veto-Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats hintergehbare Dilettanten machen und sie öffentlich vorführen möchte, sorgt in Washington für empörte Reaktionen. Auch Moskau und Beijing sehen ihre Vorbehalte bestätigt. Der sich steigernde Druck der Berliner UN-Politik heizt bestehende Spannungen um die politische Rangfolge in der westlichen Triade weiter an.

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Man kann es auch als Amerikas groß angelegtes Ziel sehen, Europa insbesondere Deutschland als kurzfristiges militärisches "Ausflugsziel" Rußlands anzubieten.
Ich glaube nicht, daß Deutschland sich selbst als Maus vor die Schlange zu werfen gedenkt ... .


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