Re:
Geschrieben von werner am 24. April 2005 22:10:21:
Als Antwort auf: Ich halte die stereotype Skepsis dem Thema gegenüber selbst für eine Gefahr geschrieben von Salim am 24. April 2005 15:04:23:
>b.
>Hallo Werner,
>du schreibst: "Hier wird's m.E. gefährlich, denn die Forderung nach einer bestimmten Geisteshaltung ist die eines Religions-/Sektenführers."
>Ja, ich glaube, daß du "hier" in einem Sinne recht hast, der dir gar nicht bewußt ist. Es ist wahr, daß es hier gefährlich wird, aber nicht, weil dein durch "denn" angeschlossener Satz das ihn einleitende "denn" wirklich verdiente. Denn die Anregung Röde Orms, sich mit den geistigen Grundlagen zu beschäftigen, impliziert doch nicht die Forderung nach einer bestimmten Geisteshaltung! Gefährlich wird es nur dann, wenn die Leute glauben, die Frage nach den geistigen Grundlagen bedeute eis ipsis die Forderung nach einer bestimmten Geisteshaltung, gefährlich also, um es ganz deutlich zu sagen, wird es, wenn man so denkt, wie du es tust.
>Nein! - Die Frage nach den geistigen Grundlagen dessen, was wir tun und lassen, ist nicht nur wichtig und richtig, sie ist für vernunftbegabte Wesen wie uns Menschen lebenswichtig und ebenso auch überlebenswichtig.
>Einmal vor vielen Jahren in meiner Zeit als Dozent für Philosophie an der Universität Köln war ich bei der Bayerischen Landesvertretung in Bonn zu einer Veranstaltung mit dem Titel eingeladen worden: "Das gefährdete Individuum in unserer Zeit". Ich hatte mich erkundigt, ob es irgendwelchen Keiderzwang gäbe und war, als dies verneint worden war, zu dieser Veranstaltung in einem weißen Rollkragenpullover erschienen, doch stellte ich, die Pendeltür des ehrwürdigen Hauses durchschreitend, zu meiner Überraschung fest, daß nicht nur niemand keinen Anzug trug, sondern alle (mit Ausnahme violett gekleideter Vertreter der katholischen Kirche) in festlichstes Schwarz gekleidet waren. Da setzte ich mich eben nicht an an die Theke des Foyers, sondern auf einen Platz am Mittelgang des Vortragssaales um dort allein auf den Beginn der Veranstaltung zu warten. Ein älterer Ordner des Hauses durchschritt gemessenen Schritts von vorne kommend den Mittelgang des Vortragssaales, indem er mich dabei aufs freundlichste anlächelte. Ich zwinkerte ihm zu und dachte: "'Das gefährdete Individuum in unserer Zeit' - als einziger rollkragenpollovergekleideter Teilnehmer bin ich unter lauter Schwarz-und Violettgewandeten doch als so etwas wie die Inkarnation des Themas!" Und als später in dem Saal die Frage diskutiert wurde, ob es nicht Aufgabe der Regierung sei, die Sinnfrage zu stellen, habe ich dann das Wort ergriffen und sinngemäß gesagt: "Wenn die Regierung oder überhaupt die Politik glaubt, die Sinnfrage stellen bzw. lösen zu sollen, würde sie nicht bloß in Konkurrenz zu dem treten, was von jenen violettgekleideten Herren der ersten Reihe für ihre genuine Aufgabe gehalten werden wird, sie würde - und das ist die eigentliche Gefahr -, als eine Art Sinngebungsinsitution die Grenze zur Gesinnung hin überschreiten und würde so tatalitär. Ein Staat, dessen Führung glaubt, die Sinnfrage entscheiden zu dürfen/müssen, wäre eine totaler Staat."
>Ich erzähle jene Sache in der Bayerischen Landesvertretung nurt, um deutlich zu machen, daß mir die Gefahren der Sinnfrage in Händen der Politik duraus bewußt sind. Gerade deshalb halte ich deinen Beitreg, Werner, für abwegig. Denn nicht nur ist Röde Orm kein Politiker, nicht nur bestimmt er nicht die Richtlinien der Politik, es ging ihm auch nicht darum, für alle Teilnehmer die Sinnfrage zu klären. Sehr wohl aber ging es ihm darum, auf ein Defizit hinzuweisen, das für alle Menschen besteht, wenn die Frage der geistigen Grundlagen ungestellt bleibt.
>Ich wundere mich hier über die Skepsis schon dem Thema gegenüber. Und dies halte ich wahrlich für eine Gefahr.
>Herzlich,
>Salim
HalloSorry, wenn es so rüberkommt, als hätte ich die Frage als Forderung begriffen.
Sie steht nicht als Forderung da, deshalb ging ich davon aus, daß klar ist, daß es keine ist.Meine Antwort bezog sich auf EINE weitergedachte Möglichkeit, die ich für gefährlich halte.
Und die Möglichkeit IST hier bei manchen vorhanden.
Halte meine Skepsis für gefährlich, wenn du willst.
Sie ist lange gewachsen und ich werde sie wohl mit ins Grab nehmen.Ich bin Praktiker und mir ist wichtig, was am Ende einer Entwicklung dabei rauskommt.
Und ich sterbe für meine Unabhängigkeit, soweit ICH sie für gesellschaftlich vertretbar oder sogar nötig halte.
Und Skepsis wird mir erst gefährlich, wenn sie meine Entscheidungen lähmt - was schon mal sein kann.
UND - hier wird's richtig existentiell:
ich schiebe die Politik NICHT den Politikern zu.
Wir machen Politik, denn wir sind der Staat.Daß wir unsere Politiker, die von uns letzlich nur ein Verwaltungsmandat erhalten haben, nicht anders kontrollieren als wir es eben tun, halte ich für einen großen Fehler.
Dadurch gewöhnen sie sich an eine Macht, zu der niemand sie legitimiert hat und beginnen auch noch zu glauben, sie seien nicht unsere Diener, sondern unsere Herren.Ansonsten - wie (jetzt oft genug) gesagt, ich bin Praktiker und ich strebe eine andere Gesellschaft an und zwar im Kleinen vor meiner eigenen Haustür, denn genau dort beginnt jede Entwicklung.
Drum werfe ich auch keine Steine demnächst in Berlin, denn die Praxis zeigt mir, daß DAS nicht zielführend ist.
Und ich lerne durch Versuch und Irrtum, was automatisch bedeutet, ich kann weder missionieren und Jünger um mich scharen, denn sie könnten auf die Nase fallen, noch findet man sein Heil, wenn man mir zustimmt.
Gruß
werner