Re: Egoistisches vs. altruistisches Handeln in Krisenzeiten und 3 Fragen @all

Geschrieben von Tawa am 03. Januar 2003 19:07:44:

Als Antwort auf: Egoistisches vs. altruistisches Handeln in Krisenzeiten und 3 Fragen @all geschrieben von SoL333 am 03. Januar 2003 11:54:48:

Hallo Chrissi, hallo alle Anderen :-)

hier meine Antworten (bevor ich Eure las) und wahrheitsgemäß beantwortet :-)

>Fall A)
>Du hast Dich im Wald versteckt (ggf. mit Deiner Familie) und lebst dort seit Wochen. Deine Nahrungsvorräte werden knapp, bist schon etwas hungrig, denn seit 5 Tagen lebst Du schon von halber Ration und von dem was Du findest, was einfacher gesagt war als getan. Du streifst herum, denkst an die letzte Tafel Schokolade aus dem EPA-Paket, die Du als Reiseproviant mitgenommen hast und auf einmal springt ein russischer Soldat, offenbar allein, hinter einem Baum hervor, Kalaschnikow im Anschlag. Er ist recht klein, nicht unbedingt kräftig oder von Natur aus furchteinflößend. Er wirkt blaß hat tiefe Ringe unter den Augen und er zittert. Er ruft Dir mit zitternder Stimme etwas zu, was Du nicht verstehst, Du nimmst an, daß es etwas russisches war. Du hattest mal ein Waffe gefunden und sie hinten in den Hosenbund gesteckt. Du könnetst sie sehr schnell ziehen, denn Du hattest zufällig sowieso eine Hand am Rücken gehabt, weil es gejuckt hatte, als der Russe hervorsprang.
>Was würdest aus heutiger Sicht hypothetisch tun?

Als erstes würd ich mir wohl in die Hosen schei..., denn bisher bin ich unentdeckt geblieben. Nachdem sich meine Familie ebenfalls im Wald befindet, werde ich den Russen nicht mit "nach Hause" nehmen. Ansonsten hängt alles von den weiteren Umständen ab. Macht er den Eindruck, mir Gewalt antun zu wollen, versuche ich wohl, zuerst zu schießen, um meine Familie zu schützen. Liegt die Betonung eher auf der zittrigen Stimme des "Gegners" - wie will man das so schnell herausfinden? - und zögert er, versuche ich, ihn (und mich) zu beruhigen. Ich würde versuchen, herauszufinden, was er will, was er braucht, wie ich ihm helfen kann. Bin mir sicher, daß er im Gegenzug auch etwas herausrückt - vielleicht Entkeimungstabletten? Die Vorbedingungen der Situation sind extrem vage gehalten, um genau sagen zu können, wie ich spontan reagieren würde. Abgesehen von der sicherlich vorhandenen Angst um die Familie (und auch um mich selbst) ist der Ausgang meiner Handlungsweise schon von vorangegangenen Erfahrungen abhängig. Habe ich schlechte Erfahrungen in ähnlichen Situationen oder mit anderen Russen gemacht, reagiere ich gewiß aggressiver als wenn ich "unbelastet" in diese Situation komme.


>Fall B)
>Der Bürgerkrieg ist im vollen Gange, Du bist in einer betroffenen Stadt, musstest in einen Hinterhof fliehen und versteckst Dich hinter einen Müllcontainer. Du wirst Zeuge, wie ein Mann vor einen anderen wütenden Mann, der größer und kräftiger als der fliehende ist ebenso in diesen Hof flüchtet, doch der Größere holt ihn mit haßverzerrter Fratze ein und wirft den kleineren zu Boden. Der Kleinere schreit weinerlich auf, hat offensichtlich große Angst versucht davon zu kriechen. Der Größere packt ihn mit überlegener Miene an den Beinen und zieht ihn wieder zu sich mit einem Ruck. Doch er stolpert dabei leicht, der Kleinere hat Glück und schafft es, ein Bein loszureißen und den Größeren damit panisch in den Magen zu treten und sich wieder aufzurappeln. Es gibt ein Kampf und der Kleinere gibt alles, was er hat, er kämpft um sein Leben, er beißt, kratzt, schlägt umsich und fügt dem Größeren durchaus Schaden zu. Dieser wirkt überrascht, aber das scheint ihn noch wütender zu machen und er wird den Kleinen bald besiegt haben, obwohl auch er schon herb angeschlagen ist. Du könntest Ihn jetzt leicht besiegen, den Kampf beenden und den Kleinen vor dem sicheren Tod bewahren. Doch Du müsstest dafür Dein Versteck preisgeben.
>Was würdest Du aus heutiger Sicht hypothetisch tun?
>
Der Bürgerkrieg ist in vollem Gange - d.h., daß ich bereits im Vorfeld meine Familie in "Sicherheit" gebracht habe. Ich bin alleine in der Stadt, um "Geschäfte/Besorgungen" zu erledigen. Die Familie würde ich nicht in die Stadt mitnehmen. Ergo bin ich erst einmal "frei von familiärer Verantwortung". Hierzu eine kleine Geschichte aus meiner Jugendzeit: Ich war nie ein Schläger, hatte auch arge Probleme mit der Selbstverteidigung. Folglich war ich sehr häufig Ziel kindlichen und jugendlichen Schlägertums. Nichtsdestotrotz bin ich mehrfach (schlotternd vor Angst) eingeschritten, um Kleinere aus den Fängen dieser Schläger zu befreien. Das ist aber lange her. Im Hinterstübchen habe ich immer die Familie und das diese ohne mich nicht weit kommen mag. Ich denke mal, wenn die beschriebene Situation aus meiner Perspektive überschaubar und ein Erfolg mehr als nur Wahrscheinlich ist, würde ich hinausgehen und dem Kleineren helfen.


>Fall C)
>Du bist früher mal bei der Bundeswehr gewesen, normaler Wehrdienst und die Lage wird kritisch. Du bist zuhause, durch die Nachrichtsperre ahnst Du nicht viel, wie akut alles mittlerweile ist. Es klingelt. Du öffenst die Tür, erwartest den Nachbarn oder die Zeugen Jehovas. Zu Deiner Überraschung stehen 2 Feldjäger vor der Tür und bitten Dich durchaus höflich, sie hereinzulassen. Du tust es und sie sagen, daß sie es bedauern, aber daß sie Dich mitnehmen müssten, Befehl sei Befehl und es sei eine große Mobilmachung im Gange, mehr könnten sie nicht sagen. Sie geben Dir 15 Minuten, daß notwendigste einzupacken und bleiben in der Küche, während Du unbeaufsichtigst in der Wohnung bist. Ihr könnt Euch hören, sehen könnt Ihr Euch nicht und Du musst Dich schnell entscheiden. Du erinnerst Dich an Waffen, die Du bei Dir versteckt hast, die Handschellen, oder auch das Seil, mit dem Du schnell vom Balkon fliehen und abhauen könntest. Du beginnst zu packen, die Feldjäger sind mitlerweile in ein Gespräch vertieft, abgelenkt. Sie plaudern über Ihre Kinder, der eine habe kürzlich erst geheiratet und seine Frau erwarte jetzt ihr zweites, sie lästern über die Politiker, denn auch sie mussten viele Kürzungen hinnehmen, schimpfen darüber, daß sie nichts erfahren von oben, was denn wirklich los sei. Du lachst innerlich, denn Du weist genau, was los ist, doch auf Dich wollt ja niemand hören, dabei stehts doch für jeden lesbar in den Büchern bei Dir im Regal, aber immer nur: glaub' ich nicht, so ein Scheiß les' ich gar nicht erst....
>Was würdest Du aus heutiger Sicht hypothetisch tun?

Im Normalfall wäre ich bereits im Wald untergetaucht. Vorlaufbedingt wäre es durchaus möglich, daß ich die Familie noch daheim gelassen habe. Diese spezielle, beschriebene, Situation bedingt, daß wirklich keine Informationen an die Öffentlichkeit gedrungen sind und wir total überrascht wurden. Es dürfte unwahrscheinlich sein, daß ich meine Familie durch eine Flucht in Gefahr durch die Feldjäger bringen würde. Auf einen Kampf lasse ich mich in dieser Situation nicht ein. Ich gehe durchs Küchenfenster oder welches auch immer und verschwinde im Untergrund. Ein Problem ist, daß meine Frau nicht "lügen" kann, d.h. sie darf im Vorfeld nicht wissen, wo ich hinkönnte (Erdhütte im Wald etc.). Die Familie nachzuholen wird ein Problem, denn meine Eltern dürften jetzt auch erst einmal Besuch von den Feldjägern bekommen - sofern noch ein wenig Zeit von militärischer Seite besteht. Nein, das Problem läßt sich schon lösen - mit den Feldjägern gehe ich nicht freiwillig mit.


Gruß
Tawa

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