Nochmal eins meiner Highlights: Mittelalter nach dem Knall

Geschrieben von Badland Warrior am 03. Januar 2003 06:55:45:

Etwas überarbeitet, und man sollte es im Hinterkopf haben. Gerade in diesem Forum sollte das vielleicht Anregung zu der einen oder anderen Idee sein, was man da praktisch machen kann. Die Grundsatzdiskussionen hatten wir schon, und ich blebe dabei.

Mittelalter nach dem Knall

Nach dem WK II war sehr viel zerstört, aber im Westen haben wir Aufbauhilfe bekommen, hauptsächlich von den USA, und zusätzlich Lieferungen von Carepaketen. Ohne diese Hilfe hätten weitaus weniger Leute überlebt.

Im WK III aber, nach den Prophezeiungen und dem, was zur Zeit absehbar ist, daß es eintreffen könnte, wird es so sein, daß die USA, aus welchen Gründen auch immer, nicht eingreifen werden. Entweder haben sie sich fürchterlich im Nahen Osten verzettelt, haben Unruhen im eigenen Land oder mit den Spätfolgen des Dammburchs des Hoover-Damms zu kämpfen, bzw. sind vollauf mit Schadensbegrenzung nach der Zerstörung New Yorks und evtl. von San Francisco beschäftigt. Vielleicht auch alles zusammen.

Wir haben also ein Europa, das zuerst Bürgerkriege über sich ergehen lassen mußte und dann noch einen Krieg und eventuell Überschwemmungen unglaublichen Ausmaßes (nach den Aussagen mit dem Kastl in der Nordsee). Letzteres stelle ich selbst als hypothetisch in Frage, man kann es aber in so ein Szenario miteinbeziehen.
Europa hätte folgende Probleme zu bewältigen: Wahrscheinlich wären 90% (geschätzt) aller Industrieanlagen und sonstiger Handwerksbetriebe zerstört. Zulieferfirmen haben wahrscheinlich schon vorher dichtmachen müssen. Handelswege sind abgebrochen, da Schiffe und Flugzeuge entweder zerstört sind oder nicht mehr eingesetzt werden können, aus Mangel an Treibstoff.
Ferner sind ein Großteil der Bevölkerung entweder durch direkte Kriegswirren oder durch die Folgeschäden ums Leben gekommen (Marodeure, Seuchen, Hunger, saublöde Unfälle, nicht zu behandelnde Verletzungen, Schock, Wahnsinn, Ratten und andere nette Tiere).
Was bleibt übrig? Eine hungrige Bevölkerung, welche versucht, mit dem Hintern an die Wand zu kommen, sich zu ernähren, um am Leben zu bleiben und mühsam einen Neuanfang zu beginnen. Es herrscht ein politisches Vakuum, und teilweise sind die Überlebenden weit verstreut, ohne voneinander zu wissen. So ist jeder auf sich und andere angewiesen, die vielleicht das Glück hatten, mit ihr oder ihm zu überleben.
Ein Teil der Überlebenden wird aus kleinen Kindern und Säuglingen bestehen, andere werden Nur-Hausfrauen sein, wo der Mann immer die technischen Sachen erledigt hat. Wieder andere werden Jugendliche sein, die sich vorher für alles Mögliche, aber nicht dafür interessiert haben, wie eine Dampfmaschine funktioniert oder wie man einen Nagel in die Wand bekommt. Bleiben die anderen übrig. Davon sind einige ehemalige Verwaltungsleute, die sich nur mit Papierkram auskannten, den es nun nicht mehr gibt. Auch sie müssen sehen, daß sie durchkommen. Da wird mancher Manager, Versicherungsmensch oder Aktenfuzzi ziemlich hilflos sein. Hinzu kommen manche Leute, die sich nur mit Geisteswissenschaften befaßt haben, wie Sprachen, Politik oder sonstigem, was keinen handwerklichen Nährwert hat. Die wenigen Leute, die tatsächlich handwerkliche Erfahrung haben, sind ganz wenige: Heimwerker, Tüftler, Schlosser, Monteure etc., von denen es aber auch im Verhältnis zum Rest der Bevölkerung nur noch wenige gibt. Vielleicht auch ein paar Survivalfreaks, Bastler und Mittelaltermarkt-Handwerker. Das war es dann aber auch. Physiker und Chemiker werden in der absoluten Minderzahl sein. Die Leute werden wahrscheinlich jedem überlebenden Mediziner mit mehr als Respekt begegnen, und wenn es auch ein Tierarzt oder eine Krankenschwester im ersten Lehrjahr ist. Heilpraktiker werden wohl auch ein paar dabei sein, aber sie werden völlig überfordert sein bei dem vielen Elend, das geschehen ist und bei den geringen Mitteln, welche ihnen zur Verfügung stehen.
Das ist dann wirklich die vielfach belästerte Blinddarm-OP auf dem Küchentisch mit dem alten Zwirn von Omi beim Schein einer flackernden Kerze, während Sohnemann die Ratten wegscheucht, und der Patient sich trotz Beißholz die Seele aus dem Leib brüllt.

Unter solchen Bedingungen ist es schwer, durchzukommen, und was Neues zu beginnen. Der Mensch aber war schon immer zäh. Kein Strom, kein Wasser, oder nur notdürftig reparierte Wasserzufuhr, viele Trümmer, wenige Häuser, und dann noch solche Umstände, da wird auch der Professor Doktor Physikus gezwungen sein, an der Drehbank zu stehen, wenn er eine findet, die noch intakt ist, um Schraubendreher oder auf primitive Weise Nägel herzustellen.
Die paar Solaranlagen, die übriggeblieben sind, brauchen auch Ersatzteile, ebenso wie der Laptop, den man dann getrost in die Tonne treten kann. Nur gibt es kaum Ersatzteile, und man hat wesentlich existentiellere Sachen zu tun. Die Satelliten werden wohl ruhig durchs All dümpeln und langsam von Meteoriten oder Weltraummüll, der dort oben schon in hohem Maße vorhanden ist, geschrotet werden.
Die Bildung, welche jetzt schon einen miserablen Zustand beim Großteil der Bevölkerung hat, wird vergessen oder ganz in handwerkliche, landwirtschaftliche oder medizinische Richtungen gelenkt werden. Die Seher sagen ja auch, daß es dann "ein Ende hat mit dem Gscheitsein". Viele Leute sind jetzt schon halbe Analphabeten und werden es dann erst richtig werden. Erst einmal geht es ums blanke Überleben. An Schule ist die ersten Jahre wohl nicht zu denken, und viele Kinder werden, so schlimm es für uns heute klingt, mitarbeiten müssen.
Die Länder, wo die Sachen bisher einigermaßen funktionierten, und die auch mit angesengten Haaren durch die schlimme Zeit kamen, wie die Schweiz oder Australien, werden Probleme mit Rohstoffen haben, Energielieferanten von draußen sind ausgefallen, das Öl wird knapp, dann ist schließlich keines mehr da, und mit Hightech wird man nichts mehr anfangen können. Der Computerbildschirm endet dann als Briefbeschwerer oder wird demontiert, damit man das Zeug recyceln kann zu profaneren Dingen.
Viel Wissen wird verloren sein, da die komplizierteren Maschinen nicht mehr laufen und demontiert werden, um den Überlebenden zu nutzen. Es sind aber auch viele Disketten, Akten, Patente, Bücher verloren gegangen, und viele müssen sich handwerkliche Sachen auf absolut niedrigem Niveau beibringen. Da werden die Leute, denen nur ganz wenig zur Verfügung steht, und die überhaupt keine Ahnung haben, froh sein, wenn sie etwas Plündern können (wenn es noch etwas zu Plündern gibt) oder wenn sie lernen, sich provisorische Sachen zu dengeln. Einige werden wahrscheinlich noch weiter zurückfallen. Ich kann mir vorstellen, daß entlegene Siedlungen, wo nur 10 Leute überlebt haben, und die sich nicht raustrauen aus ihrer Umgebung, durch den Schock des Krieges, schließlich durch Unbildung, Unfähigkeit und Inzucht auf vormenschliche Stufen zurücksinken könnten, mit Kannibalismus und allem, was dazugehört. Einige aber, vor allem in den ehemaligen Ballungszentren, haben Glück gehabt, wenn überhaupt noch irgend etwas steht und können mit großer Mühe erst so etwas wie eine dörfliche Struktur zustande bringen und später dann so etwas wie eine kleinstädtische. Wenn nicht Seuchen dazwischen kommen. Einiges wird den Krieg überstanden haben, was tatsächlich nützlich ist, und es werden wohl auch einige handwerklich besonders Begabte dabei sein, welche den anderen etwas beibringen können, aber immer unter dem Druck, daß soviel wie möglich geschafft werden muß, damit man den nächsten Tag durchkommt. Viele werden abdrehen von den Überlebenden, weil diese hochneurotisierte Gesellschaft sie nicht auf so etwas vorbereitet hat.

Von den Labors und anderen Einrichtungen wird wohl kaum etwas übrig sein, und es wird wohl mindestens ein Jahr dauern, wenn nicht sogar zwei (meine Einschätzung), bis die ersten Leute vom Handwerklichen und grobem Medizinischen freigestellt werden können, damit man ansatzweise wenigstens versucht, Penicillin oder etwas Vergleichbares herzustellen, ganz zu schweigen von solchen Sachen wie Äther, Morphium, Aspirin, Kortison, Insulin, Verhütungspillen, Novocain, Ritalin oder z.B. von Herzmitteln oder schweren Psychopharmaka. Mit jedem Jahr aber, das vergeht, wird auch Wissen verloren gehen.
Da Kraftfahrzeuge nicht mehr funktionieren, wird man daran gehen, die überlebenden Pferde und Esel wie Gold zu handeln und zu züchten, damit man wenigstens Lasttiere hat. Wahrscheinlich werden dann auch Hunde gezüchtet, als Zugtiere für Dog-Carts. Das Meiste aber wird wohl per Pedalkraft oder menschliche Zugkraft erledigt werden müssen. In diesen Jahren wird sich aus den Wirren auch langsam eine soziale Struktur entwickeln.
Wenn dann die großen Siedlungen einigermaßen fit sind, sich selbst zu tragen, wird es wohl auch langsam aber sicher zu neuen Kontakten kommen, zuerst mit anderen Ballungszentren (wenn man denn eine Ansiedlung von 10.000 Leuten höchstens so nennen darf, denn es werden wie gesagt, sehr Wenige übrig geblieben sein, und die Kindersterblichkeit wird die ersten Jahre genauso katastrophal sein, wie die Zahl der Fehlgeburten, Mißgeburten und der Frauen, die in der Schwangerschaft oder während der Geburt sterben). Bis die Kontakte zu den ganz entlegenen Weilern, wo VIELLEICHT noch Leute auf unsäglichem Niveau leben, wiederhergestellt ist, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen.
In einer solch katastrophalen Lage an Internet zu denken, wie einige Phntasten das tun, ist illusorisch. Die Solarzellen werden dann wohl irgendwann schadhaft werden oder ausfallen, und man wird sich auf viel niedrigerem Niveau arrangieren müssen.

Vor allem müssen wir daran denken, daß ja, wenn es die dreitägige Finsternis gibt, bei der anscheinend alles, was Sauerstoff atmet und sich draußen befindet, stirbt, auch das ganze Ökosystem sich erstmal regulieren muß. Keine Insekten, keine Vögel, keine sonstigen Säuger außer vielleicht Füchse, Kaninchen und Maulwürfe oder Ratten, da bleibt nicht viel übrig, um einen zu ernähren oder den Samen weiter zu verbreiten. Man denke nur an die Bienen und andere bestäubenden Insekten. Es werden wohl ein paar übrigbleiben, besonders Asseln und Kakerlaken in irgendwelchen Gebäuden, oder Fliegenmaden, die dann zu Fliegen werden, aber viele Amphibien und Reptilien werden, ebenso wie Hirsche, Rehe und andere, schlichtweg ausgestorben sein. Es sei denn, die dreitägige Finsternis würde einige Kontinente nicht so treffen, wie uns, dann bestünde die Hoffnung, daß andere Arten einwandern, um sich hier die ökologischen Nischen zu sichern.
An das, was dann aus den AKWs wurde, will ich gar nicht erst denken.

Dennoch wird der Mensch überleben und auch wieder eine Zivilisation aufbauen, nur daß es sehr lange dauern wird, und von dem, was wir heute für selbstverständlich halten (Supermärkte, Strom, TV, Internet, Computer, Video, Kino, modernste Medizin, Parlamente) nichts mehr übrig bleiben wird. Wir werden auf ein feudalistisches, quasimittelalterliches Stadium zurücksinken. Wen wir GLÜCK haben. Vielleicht auch, wenn wir sehr viel Glück haben, auf das Stadium von 1800.

Dennoch haben wir es dann noch besser erwischt als viele der anderen Völker. Abgeschnitten von Entwicklungshilfe, Medikamentenlieferungen und teilweise auf Monokulturen sitzend, völlig unselbständig und eh in Stammeskriegen verwickelt, wird es wohl in einigen Teilen Asiens, Lateinamerikas und Afrikas weitaus verheerender aussehen, wo ganze Völker verhungern oder an Seuchen verrecken werden.

Badland Warrior



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