Re: Interessant

Geschrieben von Hubert am 15. Februar 2004 12:57:47:

Als Antwort auf: Re: Interessant geschrieben von JeFra am 15. Februar 2004 12:15:40:

Hallo Jefra,

Die Stelle aus dem Römerbrief war mir bekannt, im Gegensatz zum Katechismus-Text. Der Text umgeht aber die heiklen politischen Fragen, die mit der These von der Erwählung Israels verbunden sind. Dürfen sich die Juden als das erwählte Volk Gottes alles erlauben? Außerdem zitiert der Katechismus-Text gerade die Römerbrief-Stellen, die besonders judenfreundlich sind. Kapitel 9:6 (Denn es sind nicht alle Israeliter, die von Israel sind) wird beispielsweise nicht erwähnt. Kann man Kapitel 9:12 so auslegen, daß der jüngere Bund den älteren herumkommandieren darf? Elon will anscheinend gerade das Gegenteil davon praktizieren. Es dominiert also meiner Ansicht nach im Katechismus die Tendenz, den Bibeltext möglichst judenfreundlich auszulegen und die heikle politische Frage zu umgehen, ob die Juden die Christen herumkommandieren dürfen oder umgekehrt.

Wie Sie möglicherweise wissen, hat die Weltkirche neben ihrer pastoralen Dimension auch eine eminent politische (Nicht von ungefähr ist die Geheimdiplomatie des Heiligen Stuhls so berüchtigt). Und vor dem Hintergrund der politischen Phänomene in Zentraleuropa in den dreißiger und vierziger Jahren und der daraus folgenden Neuordnung der Welt, mußte sich auch der Heilige Stuhl politisch neu ausrichten. Es ist deshalb kein Zufall, daß eine der ersten Amtshandlungen Angelo Roncallis nach seiner Wahl als Johannes XXIII. am 28. Oktober 1958 darin bestand, aus der Karfreitagsliturgie die Passage „für die perfiden Juden und Heiden“ streichen zu lassen. Ob die Formulierungen im Katechismus gezielt judenfreundlich formuliert wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich vermute mehr, daß die Kirche mehr und mehr die tiefere Einheit zwischen Christen und Juden entdeckt. Eine falsche Scheu davor, bei den Juden anzuecken, hat die Kirche jedenfalls nicht. Sie betont ganz klar, daß der Begriff „Volk Israel“ nicht biologisch zu verstehen ist, sondern daß hiermit die Gläubigen der Kirche – also des Neuen Bundes – zu verstehen sind (im Gegensatz zum Begriff „jüdisches Volk“).

Ganz unabhängig davon ist natürlich nicht einzusehen, warum eine christliche Kirche, die ihren Glauben ernstnimmt, diesen nicht auch unter den Juden zu verbreiten versuchen soll.

Da haben Sie völlig Recht. Sie müssen aber auch bedenken, daß die Kirche gewisse politische Realitäten nicht einfach ignorieren kann. Und in Israel steht die Missionierung von Juden nun mal unter Strafe.

Herzlichst,
Hubert



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