ECHELON (nur für Interessierte)

Geschrieben von Hubert am 18. Januar 2004 16:54:26:

Als Antwort auf: Re: Brave New World... geschrieben von Hubert am 18. Januar 2004 16:48:57:

NICHTSTÄNDIGER AUSSCHUSS ÜBER DAS ABHÖRSYSTEM ECHELON
SEKRETARIAT

MITTEILUNG AN DIE MITGLIEDER


Beiliegend erhalten die Mitglieder Auszüge aus dem Bericht der italienischen Abgeordnetenkammer über ECHELON (Berichterstatter: Herr Fratini). Der Bericht war am 19. Dezember 2000 an den Präsidenten der italienischen Abgeordnetenkammer, Herrn Luciano Violante, und an den Präsidenten des italienischen Senats, Herrn Nicola Mancino, übermittelt worden.
Der gesamte Bericht steht den Mitgliedern in der italienischen Originalfassung zur Verfügung.


Das Sekretariat
ABGEORDNETENKAMMER SENAT DER REPUBLIK

XIII. LEGISLATURPERIODE

Dok. XXXIV
Nr. 7


BERICHT

DES PARLAMENTARISCHEN AUSSCHUSSES FÜR INFORMATIONS-
UND SICHERHEITSDIENSTE SOWIE STAATSSICHERHEIT


Die Rolle der Informations- und Sicherheitsdienste
im Falle ECHELON


angenommen in der Sitzung vom 29. November 2000


am 19. Dezember 2000 an die Präsidenten übermittelt

Inhalt

Seite

1. Problemstellung und Intervention des Ausschusses ……………………………………. 3

2. Vorgehensweise und Ermittlungen des Ausschusses …………………………………….. 5

3. Die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Untersuchungen …………….16

4. Die Ermittlungsausschüsse in Frankreich und Belgien ………………………………… 21

5. Die Rolle der italienischen Dienste ……………………………………………………….. 23

6. Schlussfolgerungen …………………………………………………………………………. 25

1. Problemstellung und Intervention des Ausschusses

Der parlamentarische Ausschuss für Informations- und Sicherheitsdienste und für Staatssicherheit greift bei der Ausübung seiner institutionellen Aufgaben gelegentlich auf die Verbreitung von Meldungen in den Massenmedien zurück, um Aktivitäten in seinem Zuständigkeitsbereich zu entwickeln. In solchen Fällen wird vor der Wahrnehmung der Aufgaben des Ausschusses und im Hinblick auf einen Bericht an das Parlament zunächst die Erheblichkeit der entsprechenden Meldungen geprüft. Die Berichte um das in der Presse als „Echelon“ bezeichnete System stellen in dieser Hinsicht ein paradigmatisches Beispiel dar, da hier Aspekte zusammenfließen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit institutionellen Themen stehen, die ihrerseits für den Ausschuss von hohem Interesse sind. Dies gilt insbesondere für diejenigen im Zusammenhang mit spezifischen Geheimdienstaktivitäten, die von Organisationen anderer Länder betrieben werden und möglicherweise sogar in Italien tätig sind, sowie für diejenigen mit Bezug auf alle Aktivitäten der italienischen Dienste im Rahmen derartiger Ereignisse, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden.

Die zeitlich und örtlich versetzt verbreiteten Meldungen wiesen auf die Existenz eines internationalen Abhörsystems für private Telefongespräche hin. Der Ausschuss hielt es daraufhin für angezeigt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, das es erlauben sollte, eine nützliche Dokumentation für das Parlament und somit für die italienische Öffentlichkeit zusammenzustellen, um einerseits das tatsächliche Ausmaß der Angelegenheit soweit wie möglich zu umreißen und andererseits die Rolle der Geheimdienste unseres Landes zu beleuchten.

Zwar wurde erstmals in einem 1996 in Neuseeland erschienenen Buch auf „Echelon“ hingewiesen (Nicky Hager, Secret Power: New Zealand’s Role in the International Spy Network), konkrete Meldungen dazu kamen in Europa jedoch erst ab 1998 mehr und mehr in Umlauf, und zwar aufgrund der Veröffentlichung der vom STOA-Büro des Europäischen Parlaments (Scientific and Technical Option Assessment Office) in Auftrag gegebenen Studie. Der Ausschuss hat daraufhin im April 1998 ein erstes Informationsersuchen an den Präsidenten des Rates gerichtet.

Die Arbeit des Ausschusses war in erster Linie darauf ausgerichtet, Ermittlungen im Hinblick auf die Beschaffung von Informationen über das als „Echelon“ bezeichnete System durchzuführen, wie sie der Regierung und den entsprechenden Dienststellen vorliegen. Dazu wurden Anhörungen des derzeitigen Leiters des SISMI und eines seiner Vorgänger, der dieses Amt über viele Jahre hinweg innehatte, durchgeführt.

Außerdem wurde es für sinnvoll erachtet, auch beim Europäischen Parlament Informationen einzuholen, das in dieser Angelegenheit durch die von der STOA besorgte Vorlage entsprechender Unterlagen und anschließend durch die Einsetzung eines nichtständigen Untersuchungsausschusses eine wichtige Rolle gespielt hat.

Die Sensibilität des Themas, die möglicherweise damit verbundenen Interessen und die internationale Relevanz der Angelegenheit ließen in der Tat keinen Zweifel an der Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung, die es dem Parlament ermöglichen sollte, den Fall Echelon auf einer möglichst gesicherten Kenntnisgrundlage zu beurteilen.

Einleitend sei darauf hingewiesen, dass mit der Abkürzung SIGINT (Signal Intelligence) ein Verfahren zur Informationsgewinnung durch abgefangene gesendete Signale bezeichnet wird.

Im Laufe des Berichts soll auch die Bedeutung des Begriffs Echelon anhand der gewonnenen Erkenntnisse erläutert werden.

5. Die Rolle der italienischen Dienste

Wichtigstes Ziel des Ausschusses bei den Ermittlungen zum Fall Echelon war die Überprüfung der Handlungsleitlinien der italienischen Geheimdienste, insbesondere ihres tatsächlichen Kenntnisstands in Bezug auf dieses System sowie ihre mögliche Verbindung zu Aktivitäten in diesem Bereich.

Abhörmaßnahmen, die für bestimmte Zielsetzungen im Zusammenhang mit nationalen Sicherheitserfordernissen vorgesehen sind, entsprechen in jeder Hinsicht den Aufgaben von Geheimdiensteinrichtungen. Dagegen würde ein weltweit konzipiertes Abhörsystem, das auf diffuse und intrusive Aktivitäten auch gegen alliierte Staaten gerichtet wäre und in keinem Zusammenhang mit Aspekten der Sicherheit und der Landesverteidigung stünde, selbstverständlich zahlreiche Fragen von beträchtlichem institutionellem Gewicht nicht zuletzt in Verbindung mit dem in unserer Verfassung festgeschriebenen Rahmen der garantierten persönlichen Freiheiten aufwerfen, und zu heiklen Fragen im Zusammenhang mit den internationalen Beziehungen, den alliierten Partnerstaaten, den Aufgaben der Gegenspionage und der Bekämpfung von Abhörtätigkeiten führen.

Aus den durchgeführten Anhörungen und aus den von CESIS bereitgestellten Unterlagen wird deutlich, dass Echelon von den Leitern der Geheimdienste als das Ergebnis einer technologischen Entwicklung betrachtet wird, die sich zur Zeit noch im Stadium der Perfektionierung befindet und die es ermöglichen soll, effizientere Verfahren für das Abhören von Satellitenkommunikationen zu entwickeln. Bei den Anhörungen im Ausschuss wurde dabei überwiegend ausgeschlossen, dass es ein integriertes Abhörsystem dieses Namens geben könne, das von den fünf am UKUSA-Abkommen teilnehmenden Staaten (Vereinigte Staaten, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada) eingesetzt würde und dazu diene, weltweit Kommunikationen abzuhören. SISMI hat ferner ausgeschlossen, dass es zur Zeit ein Verfahren zur automatischen Erkennung gesprochener Wörter innerhalb von Gesprächen geben könne, mit dem folglich die gezielte Aufnahme ausschließlich jener Gespräche möglich wäre, die bestimmte Begriffe enthalten.

Dabei wird nicht ausgeschlossen, dass Italien im Rahmen der Kooperationsabkommen mit den alliierten Ländern möglicherweise Informationen erhalten hat, die durch das Abhören einzelner Gespräche durch die Geheimdienste der verbündeten Länder gewonnen wurden. Unseren Diensten ist jedoch der Ursprung dieser Informationen nicht bekannt, da die im Rahmen der SIGINT-Zusammenarbeit gewonnenen Informationsquellen in der Regel nicht preisgegeben werden.

Aufgrund der geprüften Unterlagen und der anschließenden Erklärungen eines Vorgängers des derzeitigen SISMI-Direktors erhielt der Ausschuss Kenntnis von einem Abhörvorgang in Bezug auf eine diplomatische Auslandsvertretung Italiens. Aufgrund dieses Vorfalls wurden die Chiffriersysteme der Kommunikationen vollständig ausgetauscht, so dass sie heutzutage den Angaben des SISMI-Direktors zufolge über einen erhöhten Sicherheitsschutz verfügen.

Zu den Berichten über den Stützpunkt San Vito dei Normanni, der in der Presse als Stützpunkt eines Echelon-Terminals genannt worden war, wurde bestätigt, dass dieses seit 1993 stillgelegte Zentrum auf Betreiben der Regierung der Vereinigten Staaten in Absprache mit den italienischen Behörden eingerichtet worden war. Die von diesem Stützpunkt aus durchgeführten Abhöraktivitäten sollen in keiner Weise italienische Institutionen oder Bürger betroffen haben.

Aus den gewonnenen Erkenntnissen wird insgesamt deutlich, dass den italienischen Geheimdienstbehörden nicht nur das noch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammende UKUSA-Abkommen bekannt war, sondern auch die Existenz einer Art von fortgeschrittenem technologischem System zur Perfektionierung der Verfahren zum Abhören von Gesprächen. Entsprechende Informationen hätten die Geheimdienste jedoch nur gelegentlich und fragmentarisch erhalten.

Es gibt keine Beweise für die Vermutung, dass mit Hilfe von Echelon allgemeine Enthüllungen in Bezug auf unser Land durchgeführt worden seien.

6. Schlussfolgerungen

Die durchgeführten Ermittlungen geben Anlass zu folgenden Schlussfolgerungen.

Zunächst wird deutlich, dass im Rahmen der Beziehungen zwischen den im Bereich von SIGINT (Signals intelligence) zusammengeschlossenen Ländern eine engere Zusammenarbeit zwischen den angelsächsischen Ländern besteht, ganz abgesehen von der englischsprachigen Bezeichnung dieses Übereinkommens. Es handelt sich dabei um eine Vereinbarung, die während des Zweiten Weltkriegs getroffen worden war und während des Kalten Krieges fortbestand, und die im wesentlichen militärische Ziele verfolgt. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung wird wohl auch die Informationsgewinnung mit Hilfe von Satellitenkommunikationen zum Gegenstand der Vereinbarung geworden sein.

Die Ermittlungen des Ausschusses erlauben es jedoch nicht zu behaupten, dass dieses Verhältnis der Zusammenarbeit in einem größeren Rahmen erfolgen würde, wie dies in den vergangenen Jahren gelegentlich in der Presse angeklungen ist, oder dass diese Zusammenarbeit auf die Schaffung eines integrierten Abhörsystems oder gar eines weltweiten Abhörnetzes ausgerichtet sei, wie dies in den vom Europäischen Parlament ausgearbeiteten Dokumentationsberichten mit Besorgnis zum Ausdruck gebracht worden ist.

Was die angeführten Aktivitäten unter der Bezeichnung Echelon betrifft, so muss vor allem darauf hingewiesen werden, dass diese Bezeichnung erst seit kurzem in verschiedenen offiziellen Dokumenten erscheint, insbesondere in verschiedenen von der amerikanischen Sicherheitsbehörde NSA freigegebenen Richtlinien und in der Anhörung des CIA-Direktors George Tenet am 12. April 2000 vor dem amerikanischen Kongress. Auf der Grundlage der dem Ausschuss zur Verfügung stehenden Daten und unter Berücksichtigung der Aussagen von Admiral Battelli im Laufe der Anhörungen vor dem Ausschuss kann als wahrscheinlich festgehalten werden, dass die Bezeichnung Echelon für ein Stadium der technologischen Entwicklung im Bereich der Satellitenabhörtechnik steht, das es im Falle der fünf an der Vereinbarung beteiligten Länder ermöglichen soll, Abhörmaßnahmen über Satellitenkommunikationen durchzuführen. Die vom Ausschuss gesammelten Informationen geben jedenfalls in keiner Hinsicht Anlass zu der Behauptung, dass mit der Bezeichnung Echelon auf ein integriertes Abhörsystem Bezug genommen werde. In diesem Sinne kann als weiteres Argument der Hinweis von SISMI angeführt werden, demzufolge beim derzeitigen Stand der technologischen Entwicklung noch keine automatischen Systeme eingesetzt werden, die geeignet wären, Schlüsselwörter in einem Telefongespräch zu erkennen, um ein gezieltes Abhören jener Gespräche zu ermöglichen, die diese Schlüsselbegriffe enthalten; es handle sich dabei vielmehr um neue Zielvorgaben, die sich zur Zeit in der Erforschungs- und Entwicklungsphase befinden.

Im übrigen wird in diesem Zusammenhang auch im zweiten vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Bericht (Bericht Campbell) bestätigt, dass ein System zur automatischen Erkennung von Wörtern im Hinblick auf die Ermittlung von Telefongesprächen, die für die Geheimdienste von Interesse sind, derzeit noch nicht verfügbar ist.

In der erwähnten Anhörung des CIA-Direktors vor dem amerikanischen Kongress wurde nicht ausgeschlossen, dass die USA wirtschaftliche Geheimdienstaktivitäten betreiben, was auch Abhörvorgänge einschließe, doch erfolgten diese Tätigkeiten innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zielsetzungen und des gesetzlich festgelegten Zwecks und in keinem Falle zum Vorteil der amerikanischen Unternehmen.

Darüber hinaus muss bestätigt werden, dass aufgrund der Aussagen im Rahmen der Anhörungen von Admiral Battelli und Admiral Martini auch Italien im Umfeld von SIGINT Abhörmaßnahmen durchgeführt hat (im übrigen führt unser Land mit diesem Verfahren auch unmittelbare Informationsgewinnungen durch), es scheint jedoch nicht möglich zu sein, in allen Einzelheiten zu ermitteln, ob und welche Erkenntnisse mit Hilfe jenes Systems gewonnen werden konnten, das sich der erwähnten fortgeschrittenen technologischen Verfahren wie Echelon bedient. Aus Sicherheitsgründen enthalten nämlich die Erkenntnisse, die im Rahmen des Informationsaustausches zwischen Verbündeten gewonnen werden, insbesondere die Erkenntnisse im Rahmen des SIGINT-Systems, in keinem Fall Angaben zu ihrer Herkunft.

Der Umstand, dass in der letzten Anhörung von Admiral Battelli im Vergleich zu den vorangegangenen Anhörungen wesentlich mehr Detailinformationen zutage gefördert wurden, sei dadurch bedingt, dass sich erst infolge der Veröffentlichung von Unterlagen aus US-amerikanischer Quelle und der daraufhin erfolgten Aussagen des SISMI weitere Erkenntnismomente eingestellt hätten. Die Schlussfolgerungen, die der Ausschuss dem Parlament vorlegt, werden durch die Überlegungen der nationalen parlamentarischen Gremien anderer Länder der Europäischen Union, auf die weiter oben bereits hingewiesen worden ist, insofern bestätigt, als diese keine schlüssigen Gegendarstellungen enthalten.

Sowohl das französische als auch das belgische Parlament haben nämlich Berichte geprüft, in denen einerseits Behauptungen bezüglich der Existenz eines Echelon-Abhörsystems untersucht werden, und andererseits zur Beweisführung genau jene offenen Quellen angeführt werden, die nach Ansicht des Ausschusses - wie oben dargelegt - keine schlüssigen Hinweise für die Formulierung derartiger Schlussfolgerungen bieten. Im übrigen haben die parlamentarischen Gremien der genannten Länder nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die ihnen zur Verfügung stehenden Ermittlungs- und sonstigen Instrumente in keiner Weise ausreichend waren für eine ausführlichere Untersuchung, die sich nicht auf die Beurteilung offener Quellen beschränken müsse. Genau diese Beschränkungen aber sind Ausdruck der Befugnisse des Ausschusses gemäß dem Gesetz Nr. 801/1977, solange das System der Sicherheitsinformationen nicht – wie immer dringender gewünscht – reformiert wird.

Der Ausschuss hält es für angezeigt, darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerungen, zu denen er gelangt ist und die er dem Parlament übergibt, der Zielsetzung entsprechen, die Tätigkeiten der Informations- und Sicherheitsdienste unseres Landes gemäß dem Gesetz Nr. 801/1977 zu überprüfen, und zwar im Rahmen der dem Ausschuss durch dieses Gesetz auferlegten Handlungsbeschränkungen. Der Ausschuss hat daher für seine Ermittlungen ausschließlich auf Unterlagen, Anhörungen und Berichte der Regierung oder, durch deren Vermittlung, der Sicherheitsdienste oder auf offenen Quellen, wie etwa die Anhörungen der Direktoren des CIA und des NSA vor dem Kongress der Vereinigten Staaten zurückgreifen können.

Nach Maßgabe dieser Bestandsaufnahme haben sich keine wesentlichen Erkenntnisse in Bezug auf die institutionellen Tätigkeiten der Sicherheits- und Informationsdienste unseres Landes ergeben.



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