Wirtschaftsanalyse

Geschrieben von Thymos am 04. Dezember 2003 18:57:22:

Hallo,

hier eine ganz brauchbare Analyse von Smart Investor.

Schönen Gruß, Thymos


Vorsicht walten lassen - Trotz neuer Jahreshochs
Die Aktien steigen und keiner weiß, warum. So ungefähr ließe sich das momentane Investoren-Sentiment beschreiben. Natürlich finden Optimisten immer irgendwelche Gründe, aber so richtig überzeugend sind diese für realistisch denkende Menschen eigentlich nicht.

Einmalige Effekte
Und dennoch wäre es unserer Meinung nach noch nicht sinnvoll, die „Party“ jetzt schon für beendet zu erklären. Über unsere Zweifel und Skepsis bezüglich der Konjunkturdaten vor allem aus den USA haben wir hier schon des öfteren geschrieben. Zwar gehen wir davon aus, daß die US-Konjunktur etwas anzieht, aber bei weitem nicht in dem Maße, wie uns dies die Statistiken glauben machen wollen, und zweitens: Das, was nach allen statistischen Tricks vom Wachstum real noch übrig bleibt – dies dürfte maximal die Hälfte der ausgewiesenen Zahlen sein –, kommt zu einem sehr großen Teil durch Staatsmaßnahmen zustande. Denken Sie beispielsweise an die Schecks, die die US-Bürger als Vorauszahlungen im Zuge der Steuersenkungen erhalten. Natürlich läßt sich so zusätzlicher Konsum generieren, aber eben nur ein einziges Mal. Auch die Neufinanzierungen der Hypotheken führen oftmals zu sogenannten Cash-out-Zahlungen, d.h. dafür, daß ein Häuslebauer seinen Hypothekenkredit umschuldet und dafür einen niedrigeren Zins zu zahlen hat als früher, entstehen je nach Kredit-Konstruktion Möglichkeiten, sich die potentielle zukünftige Einsparung bei den Zinszahlungen heute schon (zum Teil) erstatten zu lassen. Auch dies sind einmalige konsumfördernde Maßnahmen, die sich nicht mehr wiederholen lassen. Aber was will uns dies sagen?

Die ökonomische Realität
Der Konjunkturaufschwung in den USA wird auf Pump finanziert (volkswirtschaftlich gesehen sind übrigens auch die Kriege in Afghanistan und Irak kurzfristig konjunkturfördernd), und damit kann es nur eine begrenzte Zeit nach oben gehen. Das weiß auch die US-Regierung, und daher läßt sich deren Plan recht leicht durchschauen: Die Binnenkonjunktur soll mit all diesen zweifelhaften Mitteln so lange gepusht und oben gehalten werden, bis die US-Wahlen im November gewonnen sind. Erst dann wird man zur ökonomischen Realität (auf Dauer kann man nicht mehr ausgeben als man einnimmt) zurückkehren.

Die Un-Logik der Börse
Nun gibt es viele Börsianer, die all unsere obigen Gedanken nachvollziehen können und sich daher logischerweise komplett von Aktien fernhalten bzw. auf sinkende Kurse spekulieren – weil sie einen Crash erwarten. Wie gesagt, dieses Verhalten ist logisch, aber je logischer Ihnen Ihr Börsen-Verhalten vorkommt, desto mehr müssen Sie es hinterfragen. Denn die Börse funktioniert nicht nach logischen Gesetzmäßigkeiten, zumindest nicht unter kurzfristigen Gesichtspunkten. D.h. für die konkrete Situation: Momentan sind nicht die langfristigen Aussichten (die unserer Meinung nach nicht gut sind) für die Börsenentwicklung entscheidend, sondern die Reaktion der Regierung und der Fed auf diese schlechten Aussichten, welche da sind: massive Stimulierungsmaßnahmen zur Ankurbelung des Konsums (s.o.) und eine expansive Fiskalpolitik. Bei letzterem Punkt ist vor allem der US-Verteidigungsetat von fast 400 Mrd. US-$ zu nennen, was soviel ist, wie die nächsten 21 größten Verteidigungsetats zusammen ausmachen (Deutschland liegt z.B. bei umgerechnet unter 30 Mrd. US-$). Dazu kommt noch die lascheste Geldpolitik, die jemals bei der Fed zu beobachten war (Alan sei Dank!).

Meiden der Problemgebiete
Dies bedeutet für unsere Investment-mäßige Ausrichtung: Wie bleiben bei unserer Ansicht, daß die Aktienmärkte erst im Zeitraum März / April / Mai 2004 ihre Hochs ausbilden werden (vor allem aus zyklischen Gründen). Danach muß es nicht zwangsläufig zu Einbrüchen kommen, vielmehr erwarten wir einen „geordneten Rückzug“ während der sich an das Hoch anschließenden 3 bis 5 Monate, und erst danach, also ab etwa September 2004, aber wahrscheinlich erst nach der US-Wahl dürfte es zu drastischen Zusammenbrüchen bzw. Crash-artigen Szenarien kommen. Wenn wir also für die Aktien noch eine Zeit lang tendenziell positiv gestimmt sind, warum sind wir dann nicht engagiert in Dax-, Dow- und sonstigen Aktien? Erstens, weil wir das weitere Potential für begrenzt halten, und zweitens, weil wir auf kurzfristige Sicht (während der kommenden Wochen) kleinere Einbrüche nicht ausschließen wollen. Und drittens sind wir ja schließlich investiert, aber eben in Titeln, die von den oben beschriebenen Problematiken nicht oder aber nur unterdurchschnittlich betroffen sind, als da wären Rohstoff-Titel, asiatische Aktien und Spezialsituationen in Nord-Amerika und Europa. Wir halten uns also ganz bewußt aus den „Problemgebieten“ heraus und empfehlen nur dort Investments, wo wir langfristige Bullenmärkte bzw. nur eine sehr geringe Korrelation mit den hiesigen Indices erwarten.


Neue Jahreshöchstkurse
Viele Aktienmärkte haben in den letzten Tagen neue Jahres-Höchstkurse markiert, beispielsweise der Dax (sh. Chart) oder der Dow Jones. Erfahrungsgemäß besteht in einem solchen Fall keine akute Crash-Gefahr. Denn Crashs deuten sich vorher in der Regel über schwächelnde Kurse an. Wie schon des öfteren an dieser Stelle ausgeführt, sprechen auch die saisonalen Zyklen nicht unbedingt dafür, daß nun mit Kurseinbrüchen an den Märkten zu rechnen ist, denn ab Mitte November spricht das saisonale Muster in die meisten Indices für steigende Kurse (dies gilt bis ins Frühjahr). Allerdings gibt es einige unschöne Faktoren gibt – z.B. eindeutig zu viel Optimismus in den USA, stark fallende US-Geldmengen-Wachstumsraten oder aber ein mehr oder weniger miserables Umsatzverhalten im Dax (sh. Chart) – so können wir doch aus charttechnischen Gründen noch keine akuten Warnsignale ausmachen. Von einem Engagement in Dax- oder Dow-Titeln würden wir aber auf jeden Fall abraten.


Fazit
Obwohl uns die ökonomische Entwicklung in den USA nicht überzeugt, können wir bis dato nicht von einer akuten Crashgefahr an Wall Street ausgehen. Aus fundamentalen Gründen würden wir dort aber ohnehin nicht investieren. Wichtig daher dabei: Wir haben, da wir aus den USA herrührende akute Crash-Gefahren momentan nicht ausmachen können, an unserer 3-Säulen-Investment-Strategie (Rohstoffe, Japan, Spezialsituationen) nichts zu ändern. Für ein Investment in USA oder auch in europäischen Blue Chips gibt es jedoch ebenso wenig Gründe.

Ralf Flierl
Smart Investor Magazin

Die Charts wurden erstellt mit TradeSignal von www.technical-investor.de und Tai-Pan von Lenz+Partner. Diese Rubrik erscheint jeden Dienstag nachmittag.





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