Rasputin: Quellenkritik

Geschrieben von BBouvier am 19. November 2003 19:21:26:

Als Antwort auf: Re: Nochmals Rasputin geschrieben von BBouvier am 18. November 2003 20:20:12:

Nach anfänglicher Euphorie über den Fund einer neuen, bisher unbekannten Quelle, mehren sich bei mir die Zweifel an deren Authentizität.

Und ich möchte meine Überlegungen kurz skizzieren.

Der erste Teil findet gelegentlich in Geschichtswerken Erwähnung:
Rasputin habe der Zarin gegenüber angeblich mal gesagt,
nach seiner Ermordung gehe das Zarentum zu Ende.
Diese Information ist allgemein zugänglich.
Wenn sie denn stimmt.

Hier spricht er jedoch in wörtlicher Rede!
Zeugen, die seinerzeit mitgeschrieben haben,
dürfte es jedoch wohl kaum gegeben haben.
Das sind doch in Wirklichkeit einzelne Sätze vom Hörensagen!

Aber der Text geht ja weiter.
Und diese, bislang unbekannten Aussagen,
unterscheiden sich stilistisch radikal
vom vorher, den Gebildeten geläufigen.

Da wird der Spitzname Stalins, „Koba“ genannt.
Dessen Name!
Eine in der Prophezeiungsliteratur ganz einmalige
Sache!
Da ist von „fliegenden Fröschen“ die Rede.
Da hat Rasputin also ein Loborexperiment gesehen?
Ja?
Eine in der Prophezeiungsliteratur ganz einmalige Sache.
Da wird eine abstrakte(!) Begebenheit geschildert, nämlich die Umbenennung von St.Petersburg in Leningrad, und wieder retour.
Eine in der Prophezeiungsliteratur ganz einmalige Sache.
Das alles ist wohl kaum „echt“.
Echt ist ganz sicher auch nicht der Ausdruck:
„Homo Sapiens“.
Das ist nun ganz sicherlich gefälscht.

Häufig sehen Seher „Bilder“
Das liest sich dann folgendermassen:
(Landinger, bei Schönhammer, Seite 61,ff)

„Da kroch unter der Wolke ein Tier hervor, nicht Wolf, nicht Bär.“
Kurz: Die Frau sieht(!) so ein Wesen.
Und sie selber kann, wie der Leser,
nur raten, worum es sich handeln mag.

Bei „Rasputin“ jedoch weiss der Autor ganz genau, wovon er spricht,
kleidet sein Wissen jedoch künstlich in diffuse Nebelschwaden.
So, dass es einer echten Schau gleiche.

Andere Seher sehen reales Geschehen.
So der „Waldvierteler“ zum Beispiel:
„Später einmal standen wir bei Tage unruhig am Bunkereingang...“
(Bekh, Seite 249)

SO
Schreibt der angebliche Rasputin jedoch auch nicht.
„Klar“ ist er nur im ersten Abschnitt, und dann ändert der Text
urplötzlich den Stil.
Da ist ein markanter Bruch.
Das sieht mir „angehängt“ und „ergänzt“ aus.

Auffällig sind die Bezüge zum Anfang/zur Mitte der 90er Jahre.
Da ist die Rede von dem Mann mit dem Flecken auf der Stirn, der den Papst besuche,
da ist die Rede von den sich ausbreitenden Wüsten
(damals ein Top-Thema, das sich mittlerweile als völlig irrelevant herausgestellt hat, was jedoch 1993 nicht abzusehen gewesen ist),
da wird das Froschexperiment erwähnt.
Wie gesagt, etwas, was ein Seher einfach nicht „sieht“.

Dass Russland in 25 Jahren wieder einen Krieg führe, ist richtig.
Handelt es sich um eine Fälschung, fällt diese Angabe leicht, in den 90er Jahren.
Dagegen ist die Angabe, der letzte Krieg sei noch in „diesem“ Jahrhundert falsch.

Wäre der Text von mir, hätte ich das ebenfalls so geschrieben, weil das der Kenntnisstand der frühen Neunziger gewesen ist.

Dann:
Bitte, was für Angaben kann der Publizist
zur Geschichte dieses Textes denn machen?
Keine?
Das wundert mich nun gar nicht.

Auch der Fälscher des „Johannes von Jerusalem“
phantasiert ein wenig, hüllt sich aber dann in Schweigen.

Kurz, ich habe erhebliche Zweifel.

BB



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