Der Rodensteiner und das "wilde Heer"
Geschrieben von Hybris am 25. Oktober 2003 12:12:42:
Bei uns im südlichen Hessen gibt es eine Sage, nach dem der Geist der Burg Rodenstein immer vor einem Krieg und vor dem Ende eines Krieges zwischen den Burgen Schnellerts und Rodenstein hin- und herfliegt, zusammen mit seinem "wilden Heer". Vielleicht interessiert es den einen oder anderen:
"Wenn dem Odenwald unruhige Zeiten bevorstehen, kündigt ein unsichtbares Heer das drohende Unheil an. Unter Peitschenknallen, Hundegebell, dem Wiehern der Pferde und Rollen der Fuhrwerke verläßt die wilde Schar die Ruine Schnellerts bei Ober-Kainsbach und jagt durch die Lüfte. [...] Wenn die Gefahr gebannt ist, der Friede in Sicht, zieht das Heer zurück zum Schnellerts. Die Sage vom Wilden Jäger, dem Schnellertsgeist, ist tief verwurzelt im Odenwald, und sie ist eng verbunden mit einem Namen, dem Herren von Rodenstein. [...]
Wie aber entstand die Sage vom "Rodensteiner", dem ruhelosen Kriegsboten? Hier haben sich verschiedene Einflüsse miteinander vermengt. Berichte über die "Wilde Jagd" gibt es an vielen Orten in Deutschland, sie gehen wohl letztlich auf heidnische Ursprünge zurück. In unserem Fall sind sie mit einer bestimmten Person verbunden worden, dem Junker Hans III. von Rodenstein. Seine beeindruckende Grabplatte in der Kirche von Fränkisch-Crumbach zeigt eine Gestalt in Ritterrüstung, ihr stechender Blick zieht den Betrachter in Bann. Junker Hans war, so berichten es die Sagen, ein wilder Kämpfer, der keine Gelegenheit zur Fehde ausließ.
Nur durch seine Heirat mit einer schönen Adligen wurde sein Ungestüm wenigstens für eine Weile gedämpft.Dann aber überkam ihn die alte Streitlust, und er zog ins Feld. Seine schwangere Frau wollte ihn zurückhalten, doch der Ritter stieß sie so grob von sich, daß sie noch am selben Tag ein totes Kind gebar und starb. In der Nacht sah der Ritter, der unterdessen die Burg seines Feindes belagerte, eine bleiche Gestalt heranschweben: seine Frau, die ihr Kind im Arm hielt. Die Geistererscheinung verfluchte ihn für seine Untat: Fortan müsse er ruhelos als Kriegsbote durchs Land ziehen. Bis in unser Jahrhundert gibt es Berichte von Zeugen, die den "Rodensteiner" gehört haben wollen. 1938 und 1943 soll er Ausbruch und Ende des Zweiten Weltkrieges verkündet haben.
Mit dem historischen Hans von Rodenstein haben diese Erzählungen wenig zu tun. Dieser kämpfte tatsächlich in zahlreichen Fehden und Kriegen. Mit 82 Jahren unternahm er eine Pilgerreise nach Rom. Dort starb er im Jahr 1500 und wurde im Schatten der Peterskirche begraben. Doch der Volksmund verband mit ihm zahlreiche Taten und Untaten. Im 19. Jahrhundert entdeckten die Romantiker den Rodenstein und taten ein übriges, um die Sage auszuschmücken. Die Zahl literarischer Bearbeitungen istz schier unüberschaubar.
Sogar als Verteidiger der Heimat mußte der Rodensteiner herhalten. Viktor Scheffel dichtete im vergangenen Jahrhundert:
Es regt sich was im Odenwald
Und durch die Lüfte hallt's und schallt.
Der Rodenstein zieht um.Vom Rhein her streicht ein starker Luft,
Der treibt den Alten aus der Gruft.
Der Rodenstein zieht um.Ein rostig Stahlwams ist sein Kleid,
Ein rostig Schlachtschwert hängt zur Seit'.
Der Schmied von Kainsbach steht am Herd;"Mein Schmied putz blank das lange Schwert!
Jedweder tu', was seine Pflicht!
Der Wind vom Rhein, der g'fällt mir nicht."Zur erwähnten Burg Schnellerts noch eine Anmerkung im Buch:
"Der Schnellertsgeist - Immer, wenn ein Krieg bevorsteht, zieht der Schnellertsgeist mit großem Getöse zum benachbarten Rodenstein. Ist wieder Frieden eingekehrt, spielt sich der Zug in umgekehrter Richtung ab. Der Weg führt dabei durch die Scheune eines Bauernhofs in der "Haal" unterhalb des Schnellerts, die deshalb ungewöhnlicherweise an jeder Seite ein Tor hat. Als der Bauer dem Geist einmal durch eine Mauer den Weg versperrt hatte, warf der Schnellertsgeist dreimal hintereinander die frisch gebaute Mauer um. Seitdem hat es der Bauer nicht mehr gewagt, ihm ein Hindernis in den Weg zu stellen."
Übrigens versicherten Ohrenzeugen den Aus- und Einzug des Schnellertsgeistes bei Beginn und Ende der beiden Weltkriege gehört zu haben.
Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der schützende Schnellertsgeist nicht mehr gehört. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt.Der Rodensteiner soll übrigens bis zum jüngsten Tag dieses Schicksal erleiden...
Weitere Links dazu:
http://www.ruine-rodenstein.de/sagen/sagen.html
http://www.odenwald-bisz.de/tour/schnellerts/schnellgesc1.html
http://www.sagen.at/texte/sagen/deutschland/hessen/rodensteinersauszug.htmlGruß Hybris