Verfassung ohne Volk
Geschrieben von Pez am 02. Oktober 2003 16:47:00:
Als Antwort auf: Nachrichten (o.T.) geschrieben von Mat72 am 02. Oktober 2003 00:33:44:
Verfassung ohne Volk
Von Adrian Schimpf
Ihre Paragrafen werden das Leben von 450 Millionen EU-Bürgern beeinflussen. Doch kaum ein Europäer kennt den Entwurf für die Europäische Verfassung, die am Wochenende in Rom abschließend beraten werden soll. Von Bürgerbeteiligung keine Spur. SPIEGEL ONLINE hat das Gesetzeswerk unter die Lupe genommen.
AP
Repräsentanten unter sich: Der EU-Verfassungskonvent bei seiner Gründungssitzung am 28. Februar 2002.
Hamburg - Natürlich ist eine Verfassung viel zu wichtig, als dass man hierzu das Volk befragen könnte. Und schon gar nicht das deutsche. Viel zu gefährlich. Und zwar so gefährlich, dass es noch nie einer gewagt hat: weder 1871, als Bismarck das Deutsche Reich schmiedete, noch 1919, als die Weimarer Verfassung aus der Taufe gehoben wurde, noch 1949, als das Grundgesetz in Kraft trat, und auch nicht 1990, als das Grundgesetz gesamtdeutsche Verfassung wurde.
Und natürlich kann man die Deutschen nun erst recht nicht fragen, wenn es um eine europäische Verfassung geht. Man stelle sich das vor: ein deutsches Volk bestimmt selbst, ob es einer neuen Verfassung zustimmt oder nicht. Die Argumente der Volksvertreter: Erstens hätten die Deutschen gar keine Übung mit bundesweiten Volksabstimmungen und zweitens sei das eben so in einer repräsentativen Demokratie.Bei unwichtigen Dingen sind diese Argumente durchaus sinnvoll: Zum Glück nehmen die Bundestagsabgeordneten den Bürgen die Arbeit ab, wenn es um die nächste Änderungsnovelle zur Baunutzungsverordnung geht oder die zentrale Neufassung des deutschen Waschmittelrechts ansteht. Damit will das Volk nicht belästigt werden und hofft im Stillen, dass Bismarck Unrecht hatte. Der Reichskanzler hatte einst zynisch bemerkt, das Gesetzemachen sei mit der Herstellung von Wurst vergleichbar: Wenn man wisse, wie es dabei zugehe, vergehe einem der Appetit.
Aber ist die Entmündigung durch Repräsentanz sinnvoll bei den wirklich wichtigen Fragen? Wäre es nicht angebracht, das Volk nach seiner Meinung zu fragen, bevor eine neue, diesmal sogar gesamteuropäische Verfassung in Kraft tritt? Allzu hartnäckige Querulanten, die nicht lassen können, nach einem Plebiszit zu schreien, werden dann meist von den Inquisitoren der repräsentativen Demokratie mürrisch und schmallippig abgefertigt, das Grundgesetz sehe eine solche Abstimmung nicht vor, die Forderung sei damit verfassungswidrig.
Weiter im Spiegel ist sehr lang! pez