Rücktritt : Lieber Andreas! Dank Dir für beides! (OT)
Geschrieben von BBouvier am 02. Oktober 2003 12:18:20:
Als Antwort auf: Rücktritt vom Rücktritt geschrieben von Andreas am 02. Oktober 2003 02:04:25:
>Hallo Swissman
>Du hast Recht. Wenn ich es mir genau überlege, war es ein falscher Entscheid. Ich werde weiterhin meinen Senf dazugeben. Für mich persönlich habe ich heute begonnen, den Theorieteil von Widdowson zu lesen und zusammenzufassen. Ich habe eine sprachlich miserable (z. T. wortwörtlich übersetzt), aber inhaltlich saubere Kurzzusammenfassung des ersten Kapitels erstellt, die ich "roh" hier reinstelle. Es empfielt sich zum besseren Verständnis die Kopie des Textes in Word und die Markierung/Gliederung von wichtigen Abschnitten/Begriffen. Besonders bemerkenswert finde ich die Erläuterungen im letzten Abschnitt.
>Gute Nacht
>Andreas
>
>THE COMING DARK AGE – ZUSAMMENFASSUNG
>1 The basic modell (Theorieteil)
>Polity, economy, society
>Zwischen Akteuren besteht eine Beziehung, wenn das Verhalten von X dasjenige eines Y beeinflusst. Es existieren drei Arten von Beziehungen:
>a) political – eine Seite diktiert die Aktivitäten der anderen Seite.
>b) economic – die beiden Seiten handeln freiwillig Sachen oder Dienste auf der Basis
>auf der Basis eines fairen Austausches.
>c) social – die beiden Seiten stimmen bezüglich Zielen, den Mitteln zur Erreichung dieser Ziele und der Notwendigkeit zu kooperieren überein.
>In politischen Beziehungen geht es um Macht und die Ausübung von Zwang. Sie sind nicht freiwillig. Es existieren Hierarchien und verbindliche Regeln, auch in Demokratien (Einhaltung der Gesetze, Bezahlung der Steuern).
>Ökonomische Beziehungen beruhen auf Freiwilligkeit. Es geht um den Austausch von Gütern und Dienstleistungen, die die Parteien selbst nicht produzieren können oder wollen. Die Beziehungen existieren nur solange, wie die Parteien einen Nutzen daraus ziehen können.
>Soziale Beziehungen beruhen auch auf Freiwilligkeit, fussen jedoch nicht auf blossem Eigeninteresse. In solchen Beziehungen werden die eigenen Ziele mit denjenigen von anderen abgestimmt. Soziale Beziehungen sind die Quelle der Legitimität unseres Handelns.
>Integration bezieht sich auf die Zahl und die Stärke der politischen Beziehungen
>Organisation bezieht sich auf die Zahl und die Stärke der wirtschaftlichen Beziehungen.
>Cohesion bezieht sich auf die Zahl und die Stärke der sozialen Beziehungen.
>
>Friends, acquaintances and strangers
>Aus ethnologischen Studien ist bekannt, dass Jäger und Sammler ihre Ressourcen miteinander teilen. Dieses Verhalten steht im Gegensatz zu den Bewohnern einer Grosstadt, in dem Ladenbesitzer ihre Waren nicht mit den Kunden teilen. Die Erklärung liegt nicht in der altruistischeren Natur der Nomaden sondern der Natur der Beziehungen, von denen drei unterschieden werden können:
>a) friend – Nähe und Vertrauen sind gegeben
>b) acquaintance – Nur Vertrauen ist gegeben
>c) stranger – weder Nähe noch Vertrauen ist gegeben
>Nähe wird definiert als die Tatsache dass die eigenen Ziel die Ziele des anderen beinhalten (Wenn Du glücklich bist, bin ich auch glücklich). Vertrauen wird definiert als die Erwartung, jemanden wiederzusehen.
>Der Zustand der friendship ist typisch für Nomadengemeinschaften. Ressourcen werden in einem Pool angelegt und geteilt, es werden keine „credits“ angehäuft, da die Erwartung vorherrscht, dass über lange Zeit gegebene Hilfeleistungen ausbalanciert werden. Es werden keine Befehle erteilt. Freundschaft impliziert:
>- starke Cohesion/soziale Beziehungen
>- keine Organisation/ökonomische Beziehungen
>- keine Integration/politischen Beziehungen
>Der Zustand der acquaintanceship ist typisch für Dorfgemeinschaften. Die Leute kennen sich gut und erwarten sich regelmässig zu sehen jedoch sind es zu viele für das Entstehen einer alle umfassenden Intimität. Die Übereinstimmung über Ziele und Bereitschaft zur Kooperation ist schwächer ausgeprägt als bei Freunden und es ist möglich für Individuen, Prominenz zu erlangen. Es kommt zum Austausch von Dienstleistungen, da Schulden verzeichnet werden. Wenn jemand einem anderen beim Bau seines Hauses hilft, so erwartet er dasselbe zu eine späteren Zeitpunkt. Weiterhin ist das „Big Man“-Phänomen feststellbar, d. h. bei besonders tatkräftigen Individuen stehen viele andere in der Schuld. Allerdings ist ihre Fähigkeit, die Aktivitäten der Gemeinschaft zu bestimmen eingeschränkt. Acquaintanceship impliziert:
>- schwache Cohesion/soziale Beziehungen.
>- schwache Organisation/ökonomische Beziehungen
>- schwache Integration/politische Beziehungen
>Der Zustand der strangership ist im urbanen Gebieten anzutreffen. Es kommt regelmässig zu Begegnungen mit Leuten, die man nie wiedersieht. Da Fremde keinen Kontakt miteinander haben, findet keine Übereinstimmung bezüglich den Zielen und der Notwendigkeit zur Kooperation miteinander statt. Da es kein Vertrauen zwischen den Fremden gibt, kann die muss der Austausch von Waren oder Dienstleistungen sofort erfolgen. Es herrscht eine hohe Intensität im Austausch von Waren etc. vor. Gleichzeitig ist die Versuchung, das Verhalten von anderen Fremden – die man nicht kennt – zu diktieren grösser. Strangership impliziert:
>- keine Cohesion/soziale Beziehungen
>- starke Organisation/ökonomische Beziehungen
>- starke Integration/politische Beziehungen
>In der Realität existiert eine Abstufung zwischen den Zuständen. Nomaden, die auf Fremde treffen, verlangen bei einem Austausch von Waren eine sofortige Bezahlung. Gleichsam haben Bewohner in einer Stadt nahe Verwandte oder Freunde, denen sie unentgeltlich helfen.
>
>Eigenmodes
>Eigenmodes sind eine in sich konsistente Anordnung von sozialen Institutionen bzw. ein möglicher Zustand sozialen Lebens. Je nach Zustand (s. o.) herrscht ein unterschiedlicher Eigenmode vor. In diesem Zusammenhang soll das Konzept der scale eingeführt werden.
>Die Scale ist ein Mass für die Anzahl der verschiedenen Akteure mit denen ein bestimmter Akteur innerhalb einer bestimmten Zeit interagieren kann. Scale ist abhängig von der Bevölkerungszahl, der Bevölkerungsdichte aber auch von Transport- und Kommunikationstechnologien. Obwohl die Bevölkerungsdichte im mittleren Westen der USA weit geringer ist als in Südchina, ist die scale im ersten Fall aufgrund der besseren Transportmittel grösser.
>Ein wichtiges Merkmals des Konzept des eigenmode besteht darin, dass eine Interdependenz der Institutionen besteht. Keine Institution hat eine Priorität, alle benötigen einander wie die Steine in einem gotischen Bogen. Während eine bestimmte Scale mit bestimmten Institutionen korreliert, kann jedoch nicht gesagt werden, dass Scale die Ursache dieser Institutionen war. Es wird beispielsweise häufig behauptet, dass Verbesserungen in der Landwirtschaft einen Bevölkerungsschub ermöglichten. Forschungen haben gezeigt, dass auch Bevölkerungswachstum Verbesserungen in der Landwirtschaft nötig machten.
>Historischer Wandel ereignet sich dann, wenn die Institutionen und eine Anordnung von sozialen Akteuren nicht in ihrem eigenmode, d. h. nicht in sich selbst konsistent sind. Diese Inskonsistenz kann z. B. durch technologische Innovationen, Bevölkerungswachstum verursacht werden. Da alle Institutionen interdependent sind, müssen sich im Zuge eines solchen Wandels alle verändern.
>
>Komplexifizierung
>Der Effekt einer grösseren scale auf eine Gruppe von Menschen kann als Komplexifizierung beschrieben werden. Während alle Mitglieder des Shoshone-Indianerstammes in den USA einige wenige Gegenstände selbst produzierten, werden in einem modernen Kaufhaus über 100'000 Artikel gelagert.
>Wachsende Scale erlaubt ein höheres Mass an Organisation und Integration. Nur unter strangers ist hohe Integration und Organisation möglich. Des weiteren erfordert das Leben auf einer hohen scale hohe Integration und Organisation. Der Lebensstil der Nomaden erfordert weitläufige Landstrecken, wobei zu viele Menschen rasch die Kapazität des Bodens überlasten würden. Die Versorgung einer grossen urbanen Bevölkerung erfordert eine sehr produktive Nutzung des Landes. Benötigt wird nicht nur eine moderne Landwirtschaft sondern eine Netzwerk an Austauschbeziehungen, um die notwendige Technologie von Spezialisten herstellen zu lassen.
>Gleichermassen ist eine höhere Integration erforderlich, gibt es doch in einer dichten Ansammlung von Menschen mehr Streit. Integration sorgt dafür, dass gemeinsame Ziele gewahrt bleiben.
>- Bezüglich der Möglichkeit die drei Beziehung zu stören, ergibt sich hinsichtlich der Stärke folgende Hierarchie: social, economic, political
>- Bezüglich der Grösse der Gruppen, die gesteuert werden kann, ergibt sich folgende Hierarchie: political, economic, social
>Technologischer und kultureller Wandel kann rascher in einer Gesellschaft mit grösserer scale erfolgen. Gleichzeitig ist eine hohe scale Voraussetzung, damit technologische Innovation lohnenswert erscheint (Hinweis auf Helikopter Leonardo da Vincis und „chemical battery“ in der Antike, die ihrer Zeit voraus waren)
>- scale and complexity increase or decrease in proportion to each other.
>
>Wahrnehmung und Realität (fundamentals)
>Der Investor George Soros hat die Möglichkeit der Fehlanpassung zwischen den Glauben von Akteuren und der Realität auf Finanzmärkten beschrieben. Die Divergenz zwischen Wahrnehmung und Realität wird nicht ewig aufrecht erhalten werden können – früher oder später kommt es zur Korrektur. Die Vorstellung der reflexivity bezieht sich auf die Tatsache, dass Wahrnehmung und fundamentals einander beeinflussen (Beispiel Aktien). Diese Annahmen können auf soziologische Phänomene angewandt werden.
>- Die Wahrnehmung von Akteuren auf einem bestimmten Niveau von Integration, Organisation und Cohesion kann bestehen bleiben auch nachdem sich die Realität verändert hat (in beide Richtungen). Allerdings wird schliesslich eine Korrektur erfolgen, welche die Wahrnehmung der Realität anpasst. Diese Korrekturen können abrupt und rapide verlaufen.
>- Die Wahrnehmung beeinflusst die fundamentals und umgekehrt.
>Evodeviation
>Unser Modell ist eine Serie von Aussagen über die menschliche Natur. Theoretisch könnte letztere anders aussehen, etwa, dass wir mit allen teilen anstatt zwischen friends und strangers zu unterscheiden. Soziobiologen haben indessen nachgewiesen, dass unsere Wesenszüge das Resultat eines evolutionären Prozesses sind. Es ist von grosser Bedeutung, dass der Kontext, in dem die Auswahl dieser Wesenszüge erfolgte, das Zeitalter der Jäger und Sammler war. Landwirtschaft und urbane Siedlungen sind aus evolutionärer Perspektive eine junge Errungenschaft und erst rund 10'000 Jahre alt.
>Es scheint sicher sein, dass wir für die Lebensweise in kleinen Gruppen angepasst sind und nicht für jene hochtechnologische Umgebung, in denen sich heute viele von uns befinden. Dieses Missverhältnis zwischen der Umwelt in der wir leben und der Umwelt auf welche wir zugeschnitten sind ist die Ursache zahlreicher physischer und psychischer Leiden. Obwohl unsere Städte relativ gut funktionieren, scheinen Armut, Kriminalität und chronischer Stress auf eine dunkle Seite hinzuweisen (Hinweis auf Experiment mit extrem dichter Rattenpopulation [hohe Sterberate, Aggressivität u. ä.]). Zwar fühlten sich die Menschen stets vom Stadtleben angezogen. Doch die Untertanen welche die Mehrheit darstellt verbringen das Stadtleben in stiller Frustration – es herrscht ein Mangel an Anerkennung und es gibt viele Dinge, die man nicht haben kann.
>Es ist bemerkenswert, dass sich die menschliche Rasse über den Globus (mit Ausnahme der Antarktis) bis in unwirtlichste Gegenden verstreute, bevor die erste Stadt gegründet wurde, was auf starke zentrifugale Kräfte hinweist. Die Leute begannen erst dann in vollgestopften Städten zusammenzuleben, als ihnen keine andere Möglichkeit mehr blieb. Im Grunde bewahrten sie ihre Bevorzugung für ihre kleinen Gruppen und den dafür angepassten Lebenswandel. Dies alles bedeutet, dass Menschen in einer hohen scale unter beständiger Spannung stehen. Die hohe scale wird gegen ihre eigentliche Natur erzielt.
>- Gruppen von Menschen in einer hohen scale sind evodeviant. Es existiert eine beständige Tendenz zur Abnahme der scale es sei denn dieser wirken erfolgreiche politische, ökonomische und soziale Beziehungen entgegen, welche die Menschen zusammenbinden.
>Auf diese Weise ist erklärbar, dass ein Jahrtausend menschlicher Zivilsation in einer einzigen Konvulsion zusammenbrechen aufgelöst werden kann.
>http://website.lineone.net/~marc.widdowson/Part2/Chapter12.html