Neapel wartet auf den Ausbruc
Geschrieben von Nexus am 25. September 2003 10:22:05:
Als Antwort auf: NACHRICHTEN (o.T.) geschrieben von Napoleon am 25. September 2003 08:53:40:
Neapel wartet auf den Ausbruch
Vesuv ungewöhnlich lange ruhig - Riesige Magmakammer unter dem Vulkan
Neapel - Jeder in Neapel weiß, dass sich im Schlund des drohend über der Stadt thronenden Vulkans Vesuv ein brodelndes Gemisch aus Gasen und flüssiger Magma staut. Noch verhindert der Gesteinspfropf im Schlot die Explosion. Doch weil der Vesuv in den letzten Jahrhunderten regelmäßig alle 25 bis 50 Jahre ausgebrochen ist, erscheint der nächste Ausbruch nach der letzten großen Eruption von 1944 überfällig. Die Regionalregierung ermuntert schon zum Aufbruch: 30 000 Menschen haben bereits das Angebot angenommen und sind für eine Belohnung von 25 000 Euro aus dem Umland des am dichtesten besiedelten Vulkans der Erde weggezogen.
Seit Menschen den fruchtbaren Boden am Fuße besiedeln, kam es immer wieder zu Katastrophen. Die bekannteste begrub im Jahre 79 die Bewohner von Pompeji und Herculaneum unter einem Leichentuch aus Asche und Geröll. Zuletzt zerstörte der Ausbruch 1944 die Ortschaft Massa. Seit damals besteht eine Ruhephase, die vielen Wissenschaftlern unheimlich ist. "Je länger der Schlaf, desto schlimmer das Erwachen", sagt Lucia Civetta vom Überwachungszentrum Osservatorio Vesuviano (OV) in Neapel. Ihre Befürchtung: Riesige Mengen Magma sammeln sich unter dem Vulkan, und der Druck wird so immer größer.
Die Wissenschaftler des OV haben den Vesuv deshalb verkabelt wie einen Patienten auf der Intensivstation. Wenn Magma aufsteigt, registrieren Instrumente, wie sich der Berg aufbläht. Infrarotkameras messen die Wärmestrahlung aus dem Vulkan, chemische Sonden seinen "Atem". Jedes der zumeist unmerklichen Erdbeben wird aufgezeichnet. Die Erkundungen zeigen: Das Magma wandert in Richtung Schlot. Aufsteigend drückt es das Gestein auseinander und lässt die Erde zittern.
Um den Feuerspucker zu durchleuchten, erzeugen die Forscher bisweilen auch künstliche kleine Erdbeben und messen die Geschwindigkeit der Wellen, die den Vulkan durchlaufen. So entsteht ein dreidimensionales Bild des Untergrundes. Dabei machten Vulkanologen um Paolo Gasparini von der Universität Neapel vor zwei Jahren eine gruselige Entdeckung: Unter dem Vesuv erstreckt sich ein 400 Quadratkilometer großer Magmasee. Damit besitzt der Feuerberg mehr Magma, als er seit seiner Entstehung gefördert hat.
Dieser Magmasee erstreckt sich bis unter die Hügel der Phlegräischen Felder im Nordwesten Neapels und bedroht die Stadt vermutlich stärker als der Vesuv selbst, sagt Lucia Civetta. Der letzte große Ausbruch aus dem dortigen Krater Solfatara liegt mehr als 400 Jahre zurück. Es gebe jedoch Anzeichen für einen neuen Ausbruch. Nach einer Eruption würde Neapel mit einem Trommelfeuer gasgefüllter Bimssteine bombardiert. Ob Menschen getötet werden, hänge vom Grad der Explosion ab. Zwischen den Phlegräischen Feldern und dem Vesuv leben mehr als drei Millionen Menschen.
Was passiert, wenn der Vesuv ausbricht, haben Civetta und Kollegen auf dem Computer simuliert. Zunächst steigt eine 20 Kilometer hohe Säule aus Asche, Steinen, Lavafetzen und Gasen aus dem Vulkan, die schnell zusammenbricht und herunterprasselt. Dann rasen 800 Grad heiße Lawinen auf die Städte am Fuße des Berges zu. Sie gleiten auf Gas wie auf einem Luftkissen und sind schneller als ein Formel-1-Rennwagen.
Der Vesuv entstand aus dem Zusammenstoß der Afrikanischen und der Eurasischen Platte. Die Afrikanische Platte schiebt sich unter Europa. Beim Abtauchen verliert sie ihre wasserhaltigen Minerale. Das Wasser steigt in darüber liegendes Gestein und führt zum Zerfließen des Gesteins - Magma entsteht und gelangt im Vesuv an die Oberfläche. Dass es bald wieder so weit sein könnte, will kein Forscher ausschließen. Das aufquellende Magma würde sich aber mit Beben, entweichenden Gasen und Aufbeulung des Vulkandaches ankündigen, ist der Vulkanforscher Volker Dietrich von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule (ETH) in Zürich überzeugt. Die Frage sei aber, ob man sich auf Grund dieser nicht eindeutigen Signale zu einer - möglicherweise doch unnötigen - Evakuierung von eventuell Millionen Menschen entschließen könne.Vor acht Jahren legten die Behörden auf Druck von Wissenschaftlern einen Evakuierungsplan für den Großraum Neapel vor. Er basiert auf der Annahme, ein Ausbruch könnte drei Wochen im Voraus vorhergesagt werden - was sehr umstritten ist. Gefordert werden unter anderem breitere Straßen und sicherere Spitäler. Lucia Civetta befürchtet, dass es bei einer Evakuierung zum Chaos kommt: "Es ist schwierig, einen Katastrophenplan für eine Region zu entwerfen, in der es täglich zu endlosen Verkehrsstaus kommt." Möglicherweise bleibe aber alles ruhig, und der Vulkan schlafe weitere Jahrzehnte, so Dietrich. "Der Vesuv ist eine Zeitbombe, deren Uhrwerk wir nicht kennen." Axel Bojanowski
Artikel erschienen am 25. Sep 2003
- Warum bohrt man den Vesuv nicht an ? franke43 26.9.2003 09:40 (0)