Russland: Tarnen und Täuschen

Geschrieben von Swissman am 24. September 2003 01:16:25:

Als Antwort auf: Das Forum und der rest der welt geschrieben von Viocat am 23. September 2003 14:27:13:

Hallo Viocat,

Ich teile Deine Einschätzung.

Immer und immer wieder zeigen die Medien den Schrottplatz der russischen Flotte auf der Halbinsel Kola - der Zuschauer soll dadurch offenkundig davon überzeugt werden, dass die Russische Flotte nur noch aus Schrott bestehe... Ich könnte jedesmal k....., wenn ich diese ewiggleichen Bilder sehe: Das einzige, was durch diese Bilder bewiesen wird, ist, dass die Russen ihre alten Kriegsschiffe nicht abwracken, sondern in einer Bucht bei Sewerodwinsk auf Grund setzen und verrotten lassen.

Im Gegensatz zum Schrottplatz kostet diese Art der "Entsorgung" natürlich rein gar nichts, sodass man das gesparte Geld für nützlichere Dinge, wie die Entwicklung neuer Waffensysteme einsetzen kann. - Anders gesagt: Die Bilder beweisen eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was der Laie zu sehen glaubt (und in den weitaus meisten Fällen glauben will!).

Manchmal hätte ich echt Lust, an den James River, bei Fort Eustis zu fahren und die dort ankernden Rostlauben der US Reserve Fleet zu filmen - deren Zustand ist nämlich durchaus mit dem des Schiffsfriedhofs von Severodwinsk zu vergleichen. Irgendwo in Kalifornien befindet sich eine zweite Einrichtung des Reserve-Fleet-Programms. Nicht zu vergessen der "Geisterflughafen" in der Mojave Wüste: Dort hat die Luftwaffe über tausend eigentlich ausgemusterte Maschinen eingemottet - einerseits, um sie im Falle eines grossen Krieges mit Piloten der Nationalgarde zu bemannen, andererseits als Ersatzteillager. Auch hier liessen sich wunderschöne Bilder veralteter Maschinen, die Staub ansetzen, drehen.

Stichwort Luftwaffe: Wohl jedem ist schon aufgefallen, dass russische Flugplätze sich von einer Müllhalde nur durch das Vorhandensein einer Startbahn unterscheiden. - Dies ist keineswegs Zeichen mangelnden Unterhalts, sondern Absicht: Ein Schlachtfeld ist nunmal nicht klinisch rein - bei der russischen Luftwaffe sieht man es daher als realitätsfern an, auf einem sauber geputzten Flugplatz zu üben!

Im Ernstfall kann es durchaus sein, dass ein Fliegerhorst Besuch von der Gegenseite bekommt und die Startbahn anschliessend mit Trümmern und Bombenkratern "dekoriert" ist - um die Piloten darauf vorzubereiten, wird vorsätzlich bereits in Friedenszeiten überall auf dem Gelände Schrott verteilt. - In einer Reportage über Kunstflieger hat dies ein Offizier der russischen Luftwaffe offiziell bestätigt!

Russische Flugzeuge sind nämlich bekannt dafür, dass sie nahezu unverwüstlich sind: Man kann mit einer MiG-29 zur Not sogar von einem einigermassen ebenen Acker aus operieren - das westliche Kampfflugzeug, das dies schafft, möchte ich gerne sehen!

In derselben Reportage erfuhr man auch, dass das Kunstflugteam der russischen Luftwaffe nur aus dem Namen besteht - die Piloten werden bei Bedarf ein bis zwei Wochen vor ihrem Auftritt darüber in Kenntnis gesetzt. Die Vorbereitung besteht im wesentlichen darin, sich gegenseitig kennenzulernen - dies sei deswegen möglich, weil alle russischen Jagdflieger im Kunstflug ausgebildet würden - wer allen Ernstes behauptet, die russischen Piloten müssten ohne Flugstunden auskommen, hat schlicht und einfach keine Ahnung, wovon er schreibt und sollte sich überlegen, ob er sich nicht besser dazu eignen würde, das Volk mit Geschichten über das Privatleben Cervelat-Prominenter zu erheitern!

Vor zwei oder drei Jahren besuchte eine Kommission, der auch ein US-Senator angehörte, Russland und die zentralasiatischen Republiken, um sich ein Bild über den Zustand der russischen Armee und die Fortschritte in Sachen Abrüstung zu machen. Dabei folgten sie einem von den Russen festgelegten Programm.

Bereits in der ersten Kaserne, die man besuchte, waren sämtliche anwesenden Offiziere dabei, sich mit Wodka zu betrinken. Dies setzte sich auf der ganzen Exkursion fort: Überall, wohin die Kommission kam, waren die Offiziere betrunken und jammerten, wie schlecht es ihnen gehe, dass der Sold ausbleibe, blablablabla... Offizier wie Soldaten waren erbärmlich gekleidet und mit Waffen ausgestattet, die wohl bereits ihre Grossväter verwendet hatten...

In Zentralasien gab es jedoch eine unplanmässige Programmänderung: Der Bus der Gruppe wurde nämlich von Banditen überfallen - offensichtlich um ihn gegen Lösegeld einzutauschen, verschleppten sie den US-Senator ins Gebirge.

Nach einigen Tagen gelang es ihm, sich in der Nacht davonzuschleichen und nach längerem Marsch stiess er an der afghanischen Grenze auf einen Vorposten der russischen Armee: Die Soldaten waren tadellos gekleidet, gut bewaffnet und nüchtern. Als die Soldaten merkten, dass sie es mit einem Ausländer zu tun hatten, brachten sie ihn zu ihrem Vorgesetzten, der ihn anschrie: Ob er denn nicht wisse, dass es für Ausländer strengstens verboten sei, diesen Teil der SOWJETUNION zu betreten?!

Schliesslich telefonierte er an die vorgesetzte Dienststelle, um seinen Fang zu melden und weiter Instruktionen zu erhalten. - Nach einem kurzen Telefongespräch entschuldigte der Offizier sich bei seinem Gast für die unfreundliche Behandlung und holte aus dem Nebenzimmer eine Flasche Wodka, um den Senator zu einem Besäufnis einzuladen und sich zu beklagen, wie hart der Dienst an der Grenze sei, dass der Sold ausbleibe...

Man darf wohl davon ausgehen, dass er am Telefon einen entsprechenden Befehl erhalten hatte...

mfG,

Swissman


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