Re: Französische vs. deutsche Strategie an Swiss

Geschrieben von BBouvier am 01. September 2003 22:57:36:

Als Antwort auf: Französische vs. deutsche Strategie geschrieben von Swissman am 01. September 2003 22:48:20:


Danke für Deine kenntnisreiche Ergänzung! :-))


BB

>Hallo Georg,
>>Offiziell heißt es doch, dass sich die Franzosen auf ihre Machinotlinie verlassen haben sollen und so wie Guderian keine moderne flinke Panzerarmee gehabt haben, oder - stimmt das nicht?
>Das stimmt durchaus, wobei die Maginot-Linie eher als ein Symptom der dahinterstehenden Geisteshaltung anzusehen ist: Weil sich im 1. Weltkrieg (zumindest an der Westfront) jeder Angriff als selbstmörderisch erwiesen hatte, und die Verteidigung auf beiden Seiten unüberwindlich zu sein schien, glaubten die französischen Generäle und Politiker, dass dies bis in alle Ewigkeit so bleiben würde, und es daher von vornherein sinnlos sei, die Offensive zu ergreifen.
>Stattdessen beschloss man, dass es das beste sei, die Ostgrenze mit einer "uneinehmbaren" Befestigungslinie zu schützen, an der jeder deutsche Angriff blutig zurückgeschlagen würde (Dabei weiss jeder, der sich auch nur oberflächlich mit Militärgeschichte befasst hat, dass so etwas wie eine uneinnehmbare Festung nicht gibt). Dies ging soweit, dass das Thema Offensive in der Ausbildung meist gar nicht mehr behandelt, allenfalls gestreift wurde. - Im Prinzip wollte die französische Führung 1939 dort weitermachen, wo man 1918 aufgehört hatte.
>Hinzukam, dass der Pazifismus während der Zwischenkriegszeit in der westlichen Öffentlichkeit, aber auch in der Politik weite Verbreitung gefunden hatte (man denke etwa an den weltfremden Kellog-Briand-Pakt!) - eine Militärdoktrin, die jedes offensive Denken ablehnte, entsprach also perfekt dem Zeitgeist.
>Nun hatte der Panzer gegen Ende des 1. WK (u. a. bei Cambrai und Soissons) gezeigt, dass in ihm das Potential steckte, die Kriegsführung zu revolutionieren, doch obwohl verschiedene Offiziere aus allen beteiligten Ländern daraus die richtigen Schlüsse zogen (Basil Liddel Hart (GB), George S. Patton (USA), Heinz Guderian (D) und... Charles de Gaulles in Frankreich!) und die Blitzkriegstrategie entwickelten, liessen sich einzig in Deutschland sowie der Sowjetunion die jeweiligen Regierungen von der Richtigkeit dieses Konzepts überzeugen...
>Ironischerweise führt Guderian in "Achtung Panzer" de Gaulles Buch über die Panzerkriegsführung im Quellenverzeichnis an, während er in Frankreich selbst als "weltfremder Phantast" verspottet wurde... - Die französische Regierung lehnte den Panzer zwar nicht per se ab, doch weigerte sie sich, die Blitzkriegsstrategie zu übernehmen. Stattdessen gedachte man, dieselben Taktiken zu verwenden, die man bereits 1917/18 verwendet hatte: Die vorhandenen Panzer sollten mehr oder weniger gleichmässig über die ganze Front verteilt werden, um der Infanterie als fahrbare Artillerie Feuerschutz zu gegeb und im Falle eines Gegenangriffes Gassen durch den Stacheldraht zu walzen.
>Im Gegensatz dazu liegt der Erfolg der Blitzkriegstaktik darin, dass man eigenständige Panzerdivisione aufstellt und mit diesen einen Schwerpunkt bildet, an dem man die feindliche Frontlinie durchbricht und ins Hinterland vorstösst, um schliesslich einen Kessel zu bilden und die eingeschlossenen Kräfte zu zerschlagen.
>Ein weiterer Fehler der Franzosen lag darin, dass man die Maginotlinie nicht bis zum Ärmelkanal fortsetzte, da man sich nicht vorstellen konnte, dass aus dem neutralen Belgien eine Gefahr drohen könnte. Auf die Idee, dass man die Maginot-Linie nördlich umgehen könnte, kam man entweder gar nicht, bzw. man glaubte, dass das Gelände in den Ardennen so schwierig sei, dass man genügend Zeit hätte, um nach Belgien vorzurücken und eine verteidigungsfähige Front aufzubauen. Letztere Überlegung war im Sichelschnitt bereits antizipiert: Das britische Expeditionskorps lief direkt in die Falle.
>Unter dem Eindruck des Polenfeldzuges gestatte man de Gaulles schliesslich, eine Experimentelle Panzerdivision zu bilden - in der kurzen verbleibenden Zeit gelang dies natürlich nur ansatzweise. De Gaulles Division wurde im Zuge des einzigen französischen Gegenangriffs nach einigen Anfangserfolgen vernichtet - dennoch zeigte dieses Ereignis, dass der Frankreichfeldzug sehr wohl einen anderen Verlauf hätte nehmen können, wenn man die Gelder, die man für die Maginot-Linie verpulvert hatte, für Panzerdivisionen und taktische Luftunterstützung verwendet hätte.
>BBouvier hat durchaus recht: Rein zahlenmässig war die französische Armee der Wehrmacht in so gut wie jeder Beziehung überlegen - aber im Gegensatz zur Wehrmacht verzichtete Frankreich darauf, einen Schwerpunkt zu bilden. Übrigens waren die französischen Panzer 1940 ihren deutschen Gegenstücken nicht nur zahlenmässig, sondern auch in so gut wie allen technischen Parametern überlegen. - Einzig bei der Geschwindigkeit (sowie durch die fortschrittliche Strategie und Taktik) war die deutsche Seite im Vorteil.
>Nebenbei bemerkt: Um die Nutzlosigkeit der Magino-Linie zu demonstrieren, griff deutsche Infanterie, selbstverständlich in enger Zusammenwirkung mit taktischen Luftstreitkräften, die Maginot-Linie an, nachdem der Panzerangriff im Norden die ersten Erfolge erzielt hatte. Dazu wählte man ganz bewusst eines Stelle, die als besonders stark galt - bevor man die eigentliche Befestigung überhaupt erreichte, musste nämlich erst der Rhein unter feindlichem Beschuss überquert werden.
>Das Problem wurde gelöst, indem man die Stellungen bombardierte, während die Infanterie auf Sturmbooten und im Schutz künstlichen Nebels den Übergang erzwang. - Die angeblich uneinnehmbare Maginot-Linie wurde bereits am ersten Tag durchstossen, wobei man die deutschen Verluste als gering bezeichnen muss. Einmal mehr hatte sich gezeigt, dass jede Festung bezwungen werden kann, wenn man die richtige Methode anwendet und den festen Willen dazu hat.
>mfG,
>Swissman



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