Re: Frage zur Haltbarkeit von Atombomben @Otto, Swissman
Geschrieben von Swissman am 22. August 2003 23:33:04:
Als Antwort auf: Frage zur Haltbarkeit von Atombomben @Otto, Swissman geschrieben von mica am 22. August 2003 10:13:59:
Hallo mica,
>beim Lesen bin ich heute auf den Hinweis gestossen, dass 1968 ein US-Bomber mit Atombomben vorm Nato-Stützpunkt Thule auf Grönland abgestürzt ist. Die riskante Fracht liegt seither auf dem Grund der Bucht.
>
>Von den Atommüllfässern in der Nordsee ist ja hinlänglich bekannt, dass sie schön langsam leck werden.
>Bei Bomben nehme ich an, dass hochwertiges Material zur Ummantelung verwendet wurde - wie lange widersteht dieses der Korrosion?
>Könnte es irgendwann zu einer Kettenreaktion kommen?Deine Information stimmt: Am 21. Januar 1968 stürzte eine B-52 im Landeanflug auf Thule über der zugefrorenen Bucht ab. Im Bombenschacht befanden sich vier Wasserstoffbomben mit einer jeweiligen Sprengkraft von 25 Megatonnen.
Eine Wasserstoffbombe besteht, vereinfacht gesagt, aus einer Atombombe, die mit Lithiumdeuterid umhüllt wird, wobei die Atombombe als Zünder dient, der das Lithiumdeuterid stark genug erhitzt und verdichtet, dass die darin enthaltenen Deuteronen ("schwerer Wasserstoff") miteinander zu Heliumkernen verschmelzen (=Kernfusion).
Bei den ersten, technisch gesehen noch recht primitiven, Wasserstoffbomben-Modellen wurde das spaltbare Material der Atombombe aus Sicherheitsgründen räumlich getrennt vom Rest der Waffe aufbewahrt. Um die Waffe scharfzumachen hätte man dieses kurz vor dem Einsatz in die Waffe eingesetzt.
Es scheint, dass die Thermonuklearwaffen der abgestürzten B-52 noch von dieser Bauart waren. - Demnach ist es möglich, dass sich das Plutonium überhaupt nicht an Bord, sondern entweder auf dem Start- oder Zielflughafen befand. Falls es sich doch an Bord befand, ist anzunehmen, dass es sich ausserhalb des Bombenschachts befand - wahrscheinlich im Cockpit.
Dort bestand aber eine reelle Chance, dass die Plutonium-Behälter den Absturz ohne ernstafte Beschädigung überstanden haben (von acht Besatzungsmitgliedern überlebten sieben). Der in den Bomben enthaltene Sprengstoff explodierte im darauffolgenden Feuer und zerlegte diese in ihre Bestandteile. - Der konventionelle Sprengstoff hat eigentlich die Aufgabe, eine Plutoniumkugel, die unter normalen Bedingungen unterhalb der kritischen Masse liegt, derart stark zu verdichten, dass es dennoch zur Kettenreaktion kommt.
Auch ohne Freisetzung von Plutonium wurde die Absturzstelle dennoch verseucht: Wie bereits geschildert, dient das Plutonium lediglich als Zünder - die Masse der freigesetzten Energie wird durch Kernfusion von Lithiumdeuterid produziert. Litziumdeuterid ist zwar nicht radioaktiv, dafür aber hochgradig (chemisch) toxisch. Bei vier 25-MT-Bomben kann man von mehreren Tonnen dieser Substanz ausgehen. Prinzipiell ist es möglich, die Sprengkraft durch Zugabe von Tritium noch weiter zu steigern, was man früher teilweise getan, mittlerweile aber als unwirtschaftlich verworfen hat. Tritium ist radioaktiv und hat eine Halbwertszeit von ca. 12 Jahren.
Weitere giftige Stoffe könnten aus einem allenfalls vorhandenen Neutronenreflektor stammen. Bei der Hiroschima-Bombe bestand dieser aus dem Schwermetall Kadmium. Allenfalls könnte die Bombe zusätzlich mit einem (leicht radioaktiven) Uran-238-Mantel umgeben gewesen sein.
Es ist durchaus möglich, dass eine Thermonuklearwaffe noch weitere toxische und/oder radioaktive Substanzen enthält, die mir nur nicht bekannt sind. Ich vermute allerdings, dass die freigesetzte Radioaktivität im Vergleich zu den chemischen Giften, durch die die Absturstelle kontaminiert wurde, eher unterdeordnete Bedeutung hatte.
Dass die wahrscheinlich nicht geborgene Bombe irgendwann gleichsam von selbst losgeht, halte ich für ausgeschlossen: Zum einen scheint es, dass die Bomben überhaupt nicht scharf waren, d. h. dass die Plutoniumladungen nicht eingesetzt waren. Zum anderen sind Plutoniumbomben aus physikalischen Gründen immer nach dem Implosionsprinzip aufgebaut, d. h. die verwendete Ladung ist unterhalb der kritischen Masse (diese beträgt etwa 10kg). Um eine Kettenreaktion zu starten, muss die Kugel durch exakt berechnete Sprengladungen, die diese symmetrisch umgeben, stark komprimiert werden, wodurch die Dichte entsprechend stark ansteigt, was dann zu einer ungebremsten Kettenreaktion führt.
Nicht zuletzt altern Nuklearwaffen im Laufe der Zeit, da die Plutoniumatome allmählich zu anderen Isotopen zerfallen. Dadurch wird die Symmetrie der Kugel gestört, was irgendwann zur Folge hat, dass keine Kettenreaktion mehr gestartet werden kann. Wie lange dies im Einzelfall dauert, lässt sich bislang nicht exakt prognostizieren - um die Zündfähigkeit einer bestimmten A-Waffe abschliessend zu beurteilen, müsste man sie im Prinzip testen.
Vor Clinton wurden Nuklearwaffen in regelmässigen Abständen demontiert, das Plutonium von Zerfallsprodukten gereinigt und vorzugsweise im Nachfolgemodell erneut eingebaut.
mfG,
Swissman
- Re: Frage zur Haltbarkeit von Atombomben @Otto, Swissman mica 23.8.2003 00:17 (0)