Golfstrom in Gefahr (Fortsetzung von gestern)
Geschrieben von IT Oma am 08. August 2003 02:42:32:
Als Antwort auf: NACHRICHTEN (o.T.) geschrieben von IT Oma am 08. August 2003 02:38:47:
Hier noch ein Artikel aus der Welt vom Juni diesen Jahres. Russische Daten scheinen die Befürchtungen zu bestätigen.
Gruß
ITOmaKlimawandel befreit Nordwestpassage vom Eis
Das Eis am Nordpol schmilzt: Internationale Forscher beraten in Potsdam über die globalen Folgen - Neues Datenmaterial aus Russland
von Holger KrokerPotsdam/Bergen - Das Packeis im Nordpolarmeer geht zurück. "In den vergangenen 20 Jahren ist die Ausdehnung des Meereises um sechs Prozent zurückgegangen, das ist immerhin die Fläche von Frankreich", so Professor Ola Johannessen, Chef des Nansen-Umweltforschungszentrums an der norwegischen Universität Bergen. Sollte das Eis in dem Tempo weiter schrumpfen, könnte das Polarmeer am Ende des 21. Jahrhunderts über lange Zeit im Jahr eisfrei sein. Bis zu 80 Prozent des Eises, das heute selbst im Sommer das Polarmeer bedeckt, wären verschwunden.
Da beide Polregionen für das globale Klimageschehen wichtiger als andere Weltgegenden sind, können drastische Folgen nicht ausgeschlossen werden. Jedoch haben die Klimaforscher keine Ahnung, wie sich das Geschehen letztendlich auswirken wird. Ein internationaler Workshop, den die Potsdamer Zweigstelle des Alfred-Wegener-Instituts derzeit veranstaltet, will daher verfügbare Modelle für das Arktisklima vergleichen. Es gilt, die Auswirkungen auf das Weltklima, die die Simulationen vorhersagen, abzuschätzen.
Ein Problem ist, dass die Datenlage gerade für die Pole bei weitem nicht so komfortabel ist wie etwa für die gemäßigten Breiten, so dass sich die Klimaforschung hier auf noch dünnerem Eis als sonst bewegt. In einem internationalen Forschungsprojekt haben Ola Johannessen und Kollegen aus Finnland, Frankreich, Großbritannien, Russland und Deutschland so viele Datensätze über die Klimaentwicklung am Nordpol wie möglich zusammengetragen. Wichtigste Datenquelle ist zuvor nicht freigegebenes Material des russischen Polarforschungsinstituts in St. Petersburg, das während des 20. Jahrhunderts die täglichen Temperaturmeldungen von 1486 Meteorologiestationen archivierte. Darunter befinden sich auch russische Driftstationen, die permanent im Polarmeer messen. Mit diesen Daten fütterten sie zwei der wichtigsten Klimamodelle, um die Entwicklungen nachzustellen.
Tatsächlich gab es im 20. Jahrhundert zwei Erwärmungen am Nordpol. Schon in den zwanziger bis vierziger Jahren stiegen die Temperaturen einmal drastisch an, gefolgt von einem starken Abschmelzen des Meereises. Die zweite Warmzeit am Pol begann in den siebziger Jahren und dauert an. Obwohl sich beide Ereignisse den Daten nach sehr ähneln, ordnet ihnen Johannessen unterschiedliche Ursachen zu: "Wir gehen davon aus, dass die Temperaturerhöhung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine natürliche Erscheinung war, während das Geschehen seit den Siebzigern auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen ist."
Zwei Gründe führt der Klimaforscher für diese Unterscheidung an: Zum einen war der Einfluss der menschgemachten Treibhausgase auf das Klima erst in der zweiten Jahrhunderthälfte stark genug, zum anderen ging die zweite Erwärmung des Pols einher mit einer großflächigen Erwärmung der Nordhalbkugel, während das Ereignis in der ersten Jahrhunderthälfte eher regional begrenzt blieb. Satellitenmessungen aus den Jahren 1970 bis 1991 zeigen, dass unter dem Temperaturanstieg besonders das dicke mehrjährige Eis leidet. Es schmilzt doppelt so schnell wie die Packeisoberfläche insgesamt. Die Eisdecke im Polarmeer wird dünner und instabiler, der Anteil offenen Wassers nimmt zu.
Für die Wirtschaft hat das zunächst positive Folgen. "In der Zukunft wird die Nordpassage zwischen Europa und Japan wohl mindestens für die längere Zeit im Jahr offen bleiben, so dass man zehn Tage schneller von Hamburg nach Japan kommt", so Johannessen. Auch für die Ausbeutung der Öl- und Gasvorräte im russischen und amerikanischen Polarkreis gibt es positive Auswirkungen, denn Absatzwege verbessern sich.
Langfristig dürften die negativen Konsequenzen überwiegen. Wenn sich der Temperaturanstieg fortsetzt, beginnt auch das grönländische Festlandeis zu schmelzen. Und da die sibirischen Flüsse immer mehr Süßwasser ins Polarmeer leiten, wird dort ein fataler Mechanismus in Gang gesetzt. "Dadurch ist die Produktion von Tiefenwasser seit zehn Jahren mehr oder weniger zum Erliegen gekommen", erklärt der Norweger. "Der Golfstrom wird schwächer und transportiert weniger Wärme nach Norden. In unseren Simulationen nimmt der Golfstrom um 20 bis 30 Prozent ab." Die Erwärmung in der Arktis könnte also die Heizung Europas abschalten - ob dieser Effekt durch den globalen Temperaturanstieg ausgeglichen werden kann, ist mehr als fraglich.
Artikel erschienen am 3. Jun 2003