Re: Mittelalterliche Weltangst (bisschen Text...)
Geschrieben von BBouvier am 25. Juli 2003 12:34:43:
Als Antwort auf: Mittelalterliche Weltangst (bisschen Text...) geschrieben von H.Joerg H. am 25. Juli 2003 01:05:27:
Lieber Jörg!Danke!
Das ist doch wirklich mal etwas neues, sehr interessantes!"Es erschien nämlich ein Stern, größer als ein Mühlstein, und kehrte seinen Schwanz gen Mittag. Aus ihm fiel Feuer auf die Erde wie ein grausamer Drache, der soff aus einem Bächlein und vertrocknete es ganz, hernach sprang er auf einen Acker und fraß alles von dem herunter, alsdann schwang er sich wieder in die Höhe und ließ ein Merkmal nach, nämlich ein großes Sterben."
Für bemerkenswert halte ich folgendes:
- Den Sintflutimpaktor stellten die Chinesen ebenfalls als Schlange/Drachen
dar.(Feuriger Kopf mit Rauchschweif)
- Das Austrocknen von Gewässern im Rahmen von Impakten kennen wir sowohl aus den alte Sintflutmythen (Phaeton,z.B) als auch aus den Schauungen des kommenden Impakts (Irlmeier, Bibel z.B.)
- Feuer fällt auf die Erde
- Verwüstung der Anbauflächen
- MassensterbenNicht ganz klar ist mir, ob das nun eine verwaschene Schau ist, oder ob
es sich handelt um tradierte Elemente des Sintflutimpakts.Jedenfalls ist das kein ersonnenes Hirngespinst, sondern reales,
physikalisches Geschehen, eingekleidet in damals verständliche Bilder.
(s. der Phaeton-Mythos der Griechen, nachzulesen bei Ovid)Dein
BB
DANKE!Bis in die Neuzeit währte die Vermischung von Wirklichkeit und Traum. "Anno 1543 sah man einen erschreckenden Kometen in Gestalt eines Drachen. Es erschien nämlich ein Stern, größer als ein Mühlstein, und kehrte seinen Schwanz gen Mittag. Aus ihm fiel Feuer auf die Erde wie ein grausamer Drache, der soff aus einem Bächlein und vertrocknete es ganz, hernach sprang er auf einen Acker und fraß alles von dem herunter, alsdann schwang er sich wieder in die Höhe und ließ ein Merkmal nach, nämlich ein großes Sterben."
Bis in die Neuzeit währte die Vermischung von Wirklichkeit und Traum. "Anno 1543 sah man einen erschreckenden Kometen in Gestalt eines Drachen. Es erschien nämlich ein Stern, größer als ein Mühlstein, und kehrte seinen Schwanz gen Mittag. Aus ihm fiel Feuer auf die Erde wie ein grausamer Drache, der soff aus einem Bächlein und vertrocknete es ganz, hernach sprang er auf einen Acker und fraß alles von dem herunter, alsdann schwang er sich wieder in die Höhe und ließ ein Merkmal nach, nämlich ein großes Sterben."
>Hallo zusammen
>Einen Text, gefunden in Rudolf Thiel´s "Roman der Weltallforschung" mit dem Titel "Und es ward Licht". Erschienen 1956 (macht aber nichts).
>Mittelalterliche Weltangst
>Mit Angst vor dem Anderen, dem Unbekannten, Grenzenlosen, erwacht das Kind zum vollbewußten Menschen. Mit solcher Weltangst sind auch Völker zur Kultur erwacht. Die Zivilisation verdrängt sie wieder. Jenes Ur-Milieu der Seele nachzufühlen gelingt vielleicht noch jemand, dem es den Atem verschlägt, wenn er in einem Sonnenstrahl die Staubwolken des Zimmers wallen sieht, jedes Stäubchen voll von Krankheitskeimen. So war einmal die Luft von Teufeln voll. Mitten beim Tanz, beim Wein, an einem Sommertag konnte einen die entsetzliche Gewißheit überfallen, daß man selbst besessen war von einem bösen Geist.
>Die Wirklichkeit blieb hauchdünn, eine trügerische Seifenblase, jederzeit geneigt, zu zerplatzen. Hinter der physischen Welt stand die metaphysische gigantisch aufgereckt, warf ungeheure Schatten, kroch um die Beine, schlich in die Gedanken, beglückend oder ängstigend, je nachdem "es" gut mitdachte oder böse. Die Gewißheit, daß man Spielball war von höheren Mächten, verfärbte alle Dinge. Man sah alles doppelt, mit dem Auge und zugleich mit einer flatternden, hin und her gewehten Phantasie. Nachts lebte man fast ganz sicher in jener anderen Welt, der lauernden, wo nichts mehr vertraut und sicher schien als der sternbestickte Mantel Gottes hoch über dem Haupt.
>Selbst dort ging Unheimliches vor. Feurige Sterne lösten sich los, stürzten zu Boden und verglühten. "Da liegt es und ist gleich einer Sülze. Als ich einst bei klarer Nacht übers Feld gegangen, fiel ein Stern bei mir nieder, ich ging ihm nach und fand seine Substanz, hob sie auf und nahm sie mit. Da sah ich am Morgen, daß es eine glatt-klebrige Masse war, wie Froschlaich anzusehen." Es handelte sich um phosphoreszierende Erdgallerte. Wieviel Mut hat dieser Mann gehabt, sie anzugreifen!
>Bis in die Neuzeit währte die Vermischung von Wirklichkeit und Traum. "Anno 1543 sah man einen erschreckenden Kometen in Gestalt eines Drachen. Es erschien nämlich ein Stern, größer als ein Mühlstein, und kehrte seinen Schwanz gen Mittag. Aus ihm fiel Feuer auf die Erde wie ein grausamer Drache, der soff aus einem Bächlein und vertrocknete es ganz, hernach sprang er auf einen Acker und fraß alles von dem herunter, alsdann schwang er sich wieder in die Höhe und ließ ein Merkmal nach, nämlich ein großes Sterben."
>Kometen gab es sieben Sorten, jede hatte eine andere furchtbare Bedeutung. Als dem Komet von 1402 kein Unglück folgen wollte, ängstigte man sich noch mehr als sonst, bis in einem Dorf bei Rom ein Kalb zur Welt kam mit zwei Köpfen; das beruhigte genau so wie ein großes Katzensterben in Westfalen. Kaiser Karl V. entschloß sich endgültig zum Abdanken wegen eines gespaltenen Kometenschweifs.
>Nicht einmal das Fernrohr hat die phantastischen Gesichte beeinträchtigen können. Der Mars erschien darin den Laien wie ein feuriger Ofen mit schwarzem Höllenschlund. "Andere wollen einen metallnen Helm in ihm erkennen. Alles fürchterlich anzusehen, alles marsmäßig!" Der gelehrte Jesuitenpater Kircher gewann folgende Ansicht über seine Beschaffenheit: "Die Oberfläche äußerst hart, rauh, rußig und schweflig, aber unverbrennlich, Teer und Naphta schwitzend, von giftigem Dunst umlagert. Aus Bergschlünden brechen gräßlich stinkende bräunliche Flammen aus, die Meere sind zähflüssiger Schwefelschlamm."
>Einige hundert Jahre früher sah man die Marsgeister nachts in der Luft, bräunlichrote häßliche Gestalten mit Hörnern und Greifenkrallen, in beständiger Bewegung. Sie brüllten wie Stiere, donnerten und blitzten, verwandelten sich auch in Böcke, Hirsche, rote Tücher, in ein Weib mit einem großen Schild, in einen Gewappneten auf einem Wolf.
>Vom Mars-erhöhenden Gestirn, dem Widder, wußte jeder, daß er den Kopf regiert. "Wenn der Mond darin steht, ist nicht gut viel reden. Am Haupt darf man nicht zur Ader lassen, aber an den Armen, Haar und Bart nicht scheren, aber Nägel schneiden, kein Eisen angreifen, aber neue Kleider anlegen, nicht Beschlüsse fassen, aber Boten senden." Wie kompliziert das Leben unter solchen Vorschriften gewesen sein muss...
>Andererseits war es tröstlich für den Widder-Menschen, daß seine Natur drei Frauen forderte, "die erste eine Jungfrau, die zweite keine, die dritte hat ihren Mann sehr lieb, wird Nachrede leiden müssen lange Zeit trotz ehrsamen Wandel gegen jedermann, und ihr mißlingt gern die Geburt der Kinder".
>Aber was fühlten unglückliche Eltern, wenn sie dem Hundertregelbuch entnahmen, daß ihr Neugeborenes zur Vierteilung bestimmt war, weil die Sonne beim Medusenhaupt im Perseus stand und Mars den Mond durchbohrte im Geviertschein, ohne daß ein Glücksstern stand im Haus des Todes?
>Vor den Planetenkonjunktionen zitterte die ganze Christenheit. Die siebenfache des Jahres 1186 prophezeite einen Weltensturm von bisher ungekanntem Ausmaß. In allen Ländern wurden unterirdische Bunker angelegt. Der Kaiser von Byzanz ließ die Fenster herausnehmen und Verschalungen aus Balken anbringen. Der Erzbischof von Canterbury ordnete ein dreitätiges Fasten an. Als sich an dem ominösen Tag kein Lüftchen regte, höhnte der Mönchschronist der Stadt:" Wir haben nur den Sturm erlebt, den ihre Eminenz von der Kanzel losließ." Es wurde daraufhin für einige Generationen still um solche Prophezeiungen.
>Aber dann wiederholten sich die Katastrophenstimmungen alle paar Jahrzehnte: 1229, 1236, 1339, 1371, 1395, 1422, 1432, 1451, 1460, 1487. Die größte Panik entstand 1524, als der Stöfflersche Kalender eine ganze Reihe höchst bedenklicher Planetenkonjunktionen angab, die gefährlichste für den 2.Februar. Spanische Astrologen bestätigten die Voraussage, ein Flugschriftenschwarm beunruhigte Europa, man predigte, las, sprach und träumte von nichts anderm als der kommenden Sintflut.
>Herr der Situation war der finstere Saturn, noch bösartiger gemacht durch Venus, wie ein alter Mann durch eine junge Frau. Jupiter milderte zwar, doch als Gestirn der Geistlichkeit, vergiftet vom Saturn, weissagte er Übles für die Kirche, Übleres noch für die Juden, die grausam hart gegeißelt würden. Die Konjunktion fand in den Fischen statt, dem Zeichen des Christentums, mit der Jungfrau im Gegenschein, daher die ganze Christenheit erfaßt würde von einer Überschwemmung, insbesondere die Länder gegen Südwesten und Mitternacht im geographischen Bereich der Fische. Auf Grund der Sternbildergruppierung der vier Qualitäten standen außer fürchterlichen Wolkenbrüchen Stürme und Steinregen zu erwarten, dazu fliegendes Feuer, fallende Sterne, glühende Kugeldrachen und ein grausamer Komet.
>Obwohl nach 1.Mos.6 Gott keine neue Sintflut schicken würde, richtete sich jedermann aufs Schlimmste ein. Der Kaiser wurde angegangen, in allen Orten durch Beamte festsetzen zu lassen, wohin das Volk zu flüchten habe. Die Toulouser bauten und verproviantierten eine riesige Arche. In den Küstenstädten wurde die Bevölkerung auf Schiffe verteilt. Man verkaufte seine Möbel, seine Häuser, machte Testamente. Massenhysterien brachen aus. Einige verloren wirklich den Verstand. Am Unglückstag hockte der Brandenburger Markgraf mit den Familien des Hofstaates auf dem lächerlichen Kreuzberg in Berlin, umdrängt von heulenden, wehklagenden Untertanen. Es fiel kein Tropfen. Das Jahr war kühl und regnerisch, doch nirgends gab es eine Überschwemmung.
>Wie wenig die Erfahrung ausmacht gegen eine innere Gewißheit, demonstriert die Tatsache, daß damals die Welt nach einigen Jahrzehnten überzeugt war, sie habe eine gräßliche Überschwemmungskatastrophe durchgemacht und gerade noch so glimpflich überstanden. Luthers Freund Melanchthon hat sich in seinen Vorlesungen über Astrologie ausdrücklich darauf berufen, daß die Weissagung von 1524 eingetroffen sei zu seinen Lebzeiten. Daran könne jedermann die Macht der Sterne sehen.
>Zum Glück war die mittelalterliche Menschheit viel zu lebenslustig, um von ihrer Weltangst übermannt zu werden. Ihr von Geistern überall umstellter Horizont mit seinem magisch einstrahlenden Sternenzelt erzeugte nur gelegentlich Alpdruck, aber keine bleibenden Komplexe. Sie besaß moralische Kraft, ein Heilmittel, das energischer wirkte als ihre abergläubischen Arzneien, und löste sich von den Bedrängnissen des Unbewußten statt durch psychoanalytisches Zerreden durch den Selbstbefreiungsakt der Beichte. Danach ließ sie sich aufs neue von jugendfrischen, niemals angekränkelten Instinkten durch ihr stets bedrohtes Dasein treiben.
>Wenn Melanchthons Argumente von Studenten diskutiert wurden in den Wittenberger Kneipen, stimmte vielleicht einer das Vagantenliedchen aus den "Carmina Burana" an:
>Als Merkur und Jupiter sich im Zwilling grüßten,
>Mars zugleich und Venus sich in der Waage küßten,
>kam Cäcilchen auf die Welt - Stier war in der Rüsten.
>Ganz dieselbe Konjunktur hat sich mir gefunden,
>so bin ich ihr zugeteilt durch die Gunst der Stunden
>und durch meine Sterne schon ihrem Stern verbunden.