Und wer macht das Blut weg?
Geschrieben von H.Joerg H. am 13. Juli 2003 01:36:25:
Moin zusammen!
Ein weniger schönes, aber um so treffenderes Beispiel unserer Wegguckgesellschaft und gleichzeitig der Sensationsgier verfallender Verfallener, die in apathischer Zwietracht zur schnellgelebten Herauszögerung des Jugendwahn steht, und mit vorgibt, human zu sein, und doch das Gegenteil davon zu Leben gewillt ist, wurde einem heute (gestern mittlerweile) auf dem Präsentierteller fernsehntauglich dargeboten.
Beim "Zappen" durch die Kanäle erwischte ich einen Beitrag zur diesjährigen "Love-Parade" in Berlin. Es wurde ein junger Mann in Großaufnahme gezeigt, der auf einer Straßenlaterne herumhampelte, und dem es dort oben nicht mehr zu gefallen schien. Jedenfalls machte er Anstalten, sich aus luftiger Höhe den Weg nach unten zu suchen. Dort, "auf dem Boden der Tatsachen" wie es schien, waren hunderte junger Leute um ihn herum, abwesend und teilnahmslos Beatsperminute-gerecht mit ihren zumeist gut durchtrainierten und geil-gebräunten Körpern anzüglich (un)-bekleidet zu den hämmernden Bässen zappelnd, und wenig Notiz davon nehmend, von Dem da über ihren Köpfen.
Der junge Mensch hoffte ganz sicher, von seinen vielen "Freunden" da unten mit offenen Armen empfangen zu werden, denn in einer so liebevollen wie Liebestollen großen Techno-Familie hilft man sich ganz klar ohne groß Aufsehens darum zu machen - breitet also die Arme aus, um dem armen Tropf auf der Laterne eine weiche Landung zu ermöglichen, damit er keine Blessuren davon trägt.
Doch dem war beileibe nicht so. Geht man von der Annahme aus, dass der Mensch vom Affen abstammt, dann hatte gerade dieser Mensch die Eigenschaften verlernt auf wippender Materie zu schwingen, und sich geschmeidig in der Höhe wie ein Schimpanse mit geschickten Griffen seiner Greifwerkzeuge und gefühlten Schritten seiner Bewegungsapparaturen auf federnden Ästen (in diesem Falle die Laterne) spielend leicht am Stamm (Laternenmast) sich hinab zu bewegen. Er wählte nicht den Stamm dafür (Laternenmast), sondern wollte wohl "zum Licht", was am dünnen Ausläufer am Ende der Stahl-Konstruktion in ihm ein selbiges aufzugehen zunächst den Anschein hatte, indem er sich in diese Richtung-gefährlich unsicher-bewegte.
Es gelang ihm nicht die Ballance zu halten. Rundherum schaute ich nun in wenige neu-GIERIGE Gesichter die hinauf zu ihm starrten, (die meisten bekamen es überhaupt nicht mit-oder wollten es einfach nicht...) die ihn (wie ich) beobachteten, in seinen letzten lachhaft anmutenden Verrenkungen, die Hilflosigkeit und Angst ausdrückten. An beiden Armen krampfhaft am Metall der Lampe Halt fassend versucht, abrutschend - dann frei in der Luft fallend, entdeckte er die Anziehungskraft der Erde.
Kurz: Sie ließen den jungen Mann einfach zu Boden fallen. 3-4 Meter fiel er da, unbeholfen auf den harten Stein. Keiner fing ihn auf. Munter lief die Mucke weiter, und das Wetter war auch heiter. Da kann ruhig lauthals einer zu Boden stürzen.
Schnitt der Fernsehbilder.
Sanitäter eilen zur Stelle des fast-Märtyrers in Sachen "ich stell euch da unten mal auf die Probe in Sachen Nächstenliebe". Die Stimme aus dem Off spricht von schweren Verletzungen der Wirbelsäule. "Und das in der Nähe der Siegessäule", denke ich in mir. Der Veranstalter "Dr.Motte" spricht am späten Abend (beim erneuten "Zappen") von 850.000 Teilnehmern der "Love-Parade"-einem vollen Erfolg.
(Hauptsache die Kassen sind voll)Das Motto von Motte und seinen Mit-Veranstaltern zur "Love-Parade" lautete in diesem Jahr:
"Love rules"-(Die) Liebe regiert.
Wie schön doch alles zusammenpasst, in dieser unseren kranken, sehr kranken Gesellschaft, die sich selber schaffen wird. Erhaben sind diese "Menschen" nicht.
Bei solchen Vorkommnissen fällt mir unweigerlich die Szene des Zeitreisenden im Roman bzw. der Verfilmung "Die Zeitmaschine" ein, wie der Zeitreisende die Frau aus dem reißenden Wasser errettet, alle anderen "Eloy´s" sitzen dumm abwesend drumherum, oder amüsieren sich im Gras, und hätten sie ersaufen lassen. Der Autor H.G. Wells versetzte diese Szene in eine Zeit um das Jahr 800.700 n.Chr.Jetzt haben wir 2003-die Zukunft hat uns längst eingeholt-vor Jahren schon!
Nun denn-weitermachen!
Schönen Sonntag
Jörg