Re: NEIN

Geschrieben von Mabo am 03. Juli 2003 20:36:16:

Als Antwort auf: Ratet ihr zu persönlicher Bewaffung? geschrieben von Georg am 03. Juli 2003 09:04:04:

Einen friedvollen Gruß in die Runde!

Sicher kann man sich Szenarien ausdenken, in denen man durch Abschreckung oder Einsatz einer Schusswaffe die eine oder andere Gefahr abzuwenden vermag, der man sonst wehrlos ausgeliefert wäre. Aber darf man sich auf solche Vorstellungen beschränken und ist der Erfolg immer auch ein Gewinn?

Ich möchte den Scheinwerfer auf die andere Seite der Medaille richten und komme dabei zu dem Schluss, dass die Nachteile der Option bewaffnete Aktionen überhaupt durchführen zu können den hier bereits erwähnten, scheinbaren Vorteilen überwiegen und rate deswegen, auf die hier gestellte Frage, grundsätzlich von dem Mitführen solcher Waffen ab.

Es wurde schon erwähnt, dass immer auch mit einer Eskalation der Gewalt zu rechnen ist, sobald die Gegner herausfinden, dass Waffen vorhanden sind. Sicher mag der eine oder andere sofort das Weite suchen, aber in einer anderen Situation mag die Vorgehensweise des Angreifers dadurch nur umso heftiger werden. Auf das eigene "Peng!" folgt dann vielleicht das "Rattaattaattaa-Zong!-Kabuumm!!" des Gegners.

Es ist, egal ob man auf etwaige feindliche Truppenverbände oder marodierende Räuberbanden trifft, sicher das Beste, man verhält sich so unauffällig wie nur irgend möglich. Man sollte auf jeden Fall besser nicht mit seinen Waffen sichtbar herumhantieren. Denn noch bevor ein erster Schuss abgegeben werden kann, wird der Gegner einen ausgespäht haben, um diese Waffen wissen und gleich zu Beginn der Begegnung entsprechend hart vorgehen. Es mag zwei, drei mal gut gehen, aber wenig später wird man an den falschen geraten und dann ist es zu spät, ehe man seinen Angreifer auch nur entdeckt haben mag.

Wer solche Waffen mitführt, muss zudem auch tatsächlich bereit sein sie einzusetzen. Das ist eine alte Regel und an der ist was dran. Denn sonst verleiten sie einen eher dazu, sich sicherer zu fühlen und führen vielleicht zu Leichtsinn. Dann befindet man sich schneller in einer Situation, in der es auch zum Einsatz kommen muss und dann mag es in Sekundenbruchteilen um weitreichende Entscheidungen gehen. Und ist der harmlose Survivalist, der die Waffe doch nur für den äußersten Notfall fast widerwillig mitführt dann tatsächlich ein ernstzunehmender Feind, für den skrupellosen Warlord der sich vielleich endlich in seiner Hochzeit seines Lebens wähnt und nach dem Abdrücken lässig zur Tagesordnung übergeht?

Auch eigene Verbände, also Polizei, Grenzschutz und Bundeswehr stellen eine größere Gefahr dar, sobald man bewaffnet auf sie treffen sollte. Man mag, erst recht wenn man dazu noch in Flecktarn durch die Wälder schleicht, für eben eine solche marodierende Bande gehalten werden, vor der man sich selbst nur zu schützen gedenkt. Wer bewaffnet aufgegriffen wird mag auch zum Dienst zwangsverpflichtet und abkommandiert werden und das Argument für den Dienst an der Waffe per se nicht tauglich zu sein, fällt dann wohl ziemlich schwer. Oder man wird als Deserteur verhaftet. Aber im schlimmsten Fall wird die Gruppe von den eigenen Landeskräften für einen feindlichen Sabotagetrupp gehalten und gleich erschossen, ehe man überhaupt irgendwelche unbequemen Fragen gestellt bekommt.

Ja, welche Rolle spielt eigentlich Gott dabei? Und was würde Jesus wohl auf die Fragestellung zur Antwort geben? Es gibt ja die haarsträubensten Auslegungen des Willen Gottes, bis hin zum heiligen Krieg. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass nichts Gutes darin liegt, andere Menschen zu töten, sei die Situation noch so ungerecht und grausam. Wer an einen Gott der Liebe und Barmherzigkeit glaubt statt an einen zornigen und strafenden, der wird keine Argumente für das Töten - gleich aus welchem Grund - finden. Soviel aber erstmal zur Theorie.

Die Frage nach Waffenbesitz und -einsatz habe ich vor Jahren hier im Forum auch mehrfach angeschnitten, aber nicht als Frage, ob ich mir welche zulegen sollte, sondern um meine Angst zu thematisieren, dass ich die große Gefahr dabei sehe, dass Krise und Krieg ein goldener Boden für Versündigungen jeglicher Art darstellen. In der Tat lässt es sich in Friedenszeiten leicht reden, was aber, wenn es um das nackte Überleben geht? Auch ohne Waffen lockt die Sünde dann an jeder Ecke. Werde ich jemanden denunzieren oder verleugnen, nur um einen Vorteil zu erhaschen? Wie hätte ich mich im Dritten Reich verhalten? Hätte ich es besser gemacht? Wieviel Mut zum "Nein sagen" werde ich wirklich aufbringen, wenn die Sache zu brodeln beginnt und im Volk Courage aufgeboten werden muss, bevor die Dinge wieder völlig falsch laufen? Was schließlich, wenn ich zudem über gewisse Macht, eben z.B. über ein geladenes Gewehr oder gar eine kleine Kampftruppe verfüge? Wo zum Teufel werde ich dann meine Seele abgeben??

Damals stellte ich die folgende Situation zur Diskussion: Angenommen man sitzt seit Wochen in seinem Unterschlupf fest und die Vorräte gehen zur Neige. Einige der Kinder sind dermaßen ausgehungert und geschwächt, dass sie sicher in den nächsten Tagen sterben werden. Man weiß von einer anderen Gruppe die noch viele Kanister Wasser und Proviantpakete bei sich hat, doch sie sind absolut nicht bereit von dem etwas abzugeben. Wie verhalte ich mich dann, wenn ich im Besitz einer Pistole bin? Schließlich geht es um das Leben der eigenen Gruppe! Aber die anderen haben mir ja eigentlich nichts getan. Sie haben nur besser eingelagert. Werde ich in diesem Fall meinen statt Gottes Wille geschen lassen?

Aber selbst dann, wenn ich meinen Prinzipien treu bis in den Tod folgen wollte, in dem Glauben, dass es schließlich nicht richtig sei, andere zu berauben und gar zu ermorden, nur um mir selbst und meinen Lieben damit ein paar weitere Tage zu erhalten. Was ist mit den anderen meiner Gruppe? Werden auch sie so edel sein? Und werde ich es dann zulassen, dass sie gemäß einer feigen Auffassung von Arbeitsteilung "diese Sache" übernehmen? Werde ich andererseits noch ein Auge zu kriegen, wenn sich in meinem Camp eine "Koalition der Willgen" bildet? Oder werde ich mir später anhören müssen, sofern ich mich dickköpfig habe durchsetzen können, dass ich Schuld am Tod unserer Kinder sei, weil ich nicht zum Raubzug bereit war? Weil ich nicht zu dem werden wollte, wovor mich die Waffen eigentlich nur schützen sollten?

Die Waffen im Lager mögen eine Dynamik erzeugen, ähnlich dem Fluch der auf einem gefundenen Schatz liegt. Plötzlich werden aus Freunden Rivalen, die aus schierer Habsucht zu Töten bereit sind, nur um damit den eigenen Anteil zu erhöhen. Während man hier noch denken mag, ja aber sowas würde ich nie machen, denn Geld sei ja nicht alles im Leben, geht es im Fall der Waffe schnell um das nackte Überleben. Die Option allein erweitert nunmal den Handlungsspielraum. Ohne die Waffe würde sich dieser verlockende Weg in die Sünde gar nicht erst so einfach ermöglichen. Und wie gesagt, nicht nur die eigene Ethik, Reife und Gottergebenheit ist dafür maßgebend. Hier bekommen wir es mit einer nicht zu unterschätzenden Form von Gruppenzwang zu tun, die eine ungewollte Eskalation zur Folge haben kann und einen selbst trotz aller guten Vorsätze fast jeder Kontrolle beraubt.

Auf den Punkt gebracht finde ich meine Argumente hierin wieder:

1. Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.

2. Und wer kein Schwert dabei hat, kann auch nicht danach greifen.

3. Und wer doch durch das Schwert umkommt, der tut dies zumindest ohne selbst andere umkommen zu lassen. Vielleicht kann er so zumindest eine Schlud begleichen, die viel älter ist als es selbst denkt zu sein. Aber das ist sicher wieder eine Glaubensfrage und sei nur für den erwähnt, für den auch solche Überlegungen eine Rolle spielen.

Von mir also ein klares NEIN zu der hier gestellten Frage.

Grüße
Mabo

Übrigens: Meine Gedanken beziehen sich ausdrücklich auf Schusswaffen (Sturmgewehre, Pistolen, Granaten etc.) die aufgrund von schneller Schussfolge und großer Durchschlagskraft besonders auch für den Kampf gegen Menschen geeignet sind. Jagdwaffen wie Bogen, Armbrust, Schleuder und Messer lehne ich nicht unbedingt ab. Wer darin gebüt ist, kann damit vielleicht das Überleben der Gruppe positiv beeinflussen, ohne dafür andere Menschen töten zu müssen. Ein noch so toller Compound-Bogen verleitet weniger zu einem bewaffneten Überfall oder zu übermütiger Gegenwehr bei aufmarschierenden Warlords und Söldnern. Es wird auch kein Gruppenmitglied einen Zwang ausüben, man solle mit der Armbrust eingreifen angesichts solcher Chancenungleichheit. Wer geht schon mit einem Messer zu einer Schießerei?



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