Re: Zur Theorie von Schauungen: Die Sache mit dem Bauern
Geschrieben von Artemis am 01. Juni 2003 13:19:21:
Als Antwort auf: Re: Zur Theorie von Schauungen: Die Sache mit dem Bauern geschrieben von BBouvier am 01. Juni 2003 02:18:50:
Hi Bouvier,
wenn die Prophezeiungen nicht als Warnung zu verstehen sind, welchen Sinn haben sie dann Deiner Meinung nach? Wohl nicht den, dass mancher Prophezeiungsgläubige oder gar der Prophezeiende selbst später sagen: "haha, ich hab es Euch ja gesagt". Warum enthalten manche Prophezeiungen den Zusatz, dass wir uns bessern sollen damit es nicht soweit kommt? (z.B. Fatima...glaub ich)
Zum Beispiel mit dem Messer: das ist natürlich nicht komplex genug, zu stark vereinfacht und zu profan. Solche Sachen spielen sich ja auch eher im engen Familien - oder Freundeskreis ab (à la "Du ich hab geträumt, dass...). Ich wollte daran nur verdeutlichen, wie ich die Prophezeiungen einstufe - eben nicht als unabänderliche Unheilsverheißung.
Propheten berichten uns von einschneidenden, außergewöhnlichen Ereignissen, die regionale, nationale oder gar globale Auswirkungen haben werden. Warum tun sie das und warum sind einige Prophezeiungen gar mit dem Zusatz "wenn Ihr Euch nicht bessert" oder so ähnlich versehen? (z.B. Fatima, wenn ich nicht irre...)
Du sagst, wenn ich mich nicht wirklich an diesem Messer schneiden würde, wenn Napoleon nicht tatsächlich mit dieser best. Brigg nach Elba geflohen wäre, wenn es den Bauern garnicht geben würde, etc., dann könnten die Seher auch nicht davon berichten, bzw. hätten es erst garnicht gesehen.
Meine Version ist die: basierend auf ihrer Gegenwart und den zu diesem Zeitpunkt herrschenden Umständen, haben sie DIE Zukunft gesehen, auf die wir zusteuern. Wählen wir später einen anderen Weg, so wird sich die Prophezeiung in der gesehenen Form nicht erfüllen.Sind Prophezeiungen also Mumpiz oder müssen wir sie deshalb nicht mehr ernst nehmen? Nein! Warum nicht? Weil sie für uns soetwas wie ein Stopschild sein sollen, der warnende Zeigefinger. Auch sind nicht alle Prophezeiungen abwendbar, beziehen sie sich auf Naturkatastrophen oder müssten sich ganze Völker grundlegend ändern (friedlicher werden etc.), so ist eine Abwendung des künftigen Geschehens schonmal nicht möglich. Um es nochmal etwas zu verdeutlichen: sehen wir die Welt mal als Zug. Der Zug ist unterwegs, die Seher blicken aus dem Fenster und sagen uns wohin wir gerade fahren und wie das Ziel aussehen wird an dem wir am Tag X eintreffen. Diese Aussage ist unanfechtbar richtig. Stellt jedoch jemand die Weichen um, wird der Zug woanders ankommen. Visionen sind also m.E. nicht das Abbild einer unabänderlichen Zukunft, sie sind Voraussagen basierend auf der Gegenwart.
Was Nostradamus betrifft, so sind seine Centurien meiner Meinung nach kein sehr gutes Beispiel für die Unabänderlichkeit von Prophezeiungen. Du weißt doch, kaum einer kann aus seinen Versen irgendetwas Sinnvolles herauslesen - schon garnicht "das gemeine Volk". So war die Möglichkeit Napoleons Flucht nach Elba auf dieser Brigg zu verhindern von vorneherein ausgeschlossen. Mit anderen Worten: wenn keiner die Zukunft kennt, kann auch keiner versuchen sie abzuändern.
Ein sehr schwieriges Thema ist das...ich glaube aber, dass es nicht so sehr darauf ankommt wie wir die Prophezeiungen einstufen - im Endeffekt haben wir immer das gleiche Ergebnis. Ob Prophezeiungen nun eine theoretisch abänderliche Zukunft zeigen oder ob sie unumstößlich feststehende künftige Ereignisse vorhersagen - wir sind so oder so nicht in der Lage die Welt zu retten. Wir können aufgrund der gegebenen Warnungen nur versuchen unser eigenes Leben und das unserer Lieben zu retten.
Gruß,
Artemis
>
>Liebe Artemis!
>Ich weiss nicht, ich weiss nicht...
>Dein Beispiel mit dem Messer, das ich schon in der Hand halte, ist nicht ganz überzeugend:
>Wenn ich mich nicht mit dem Messer schneide, dann kann es ja über die Verletzung auch keine Schau geben.
>Und:
>Nossi hat z.B. den Namen der Brigg genannt, in dem Napoleon aus Elba floh.
>Das ist wie mit dem Bauern:
>Er flieht eben mit diesem Schiff.Ist eine Sachaussage, weder Prognose noch Warnung.
>Gäbe es da mehrere Stränge, dann könnte man weit in der Zukunft nicht solche Details sehen.
>Hätte es Napoleon gar nicht gegeben, dann gäb es eben auch keine Berichte über ihn.
>Käm es nicht mal zum russischen Feldzug, weil die Menschen den eben vermeiden- wie auch immer-
>dann gäb es auch keine Schauungen darüber.
>Schauungen beschreiben das Ergebnis der vorherigen Einflüsse.
>Ich kenn da einen Fall von 1925 so, wo sich in Königsberg die Abiturienten
>die Prüfungsaufgaben sagen liessen.
>Der Seher "sah" die.
>Als das die Lehrer erfuhren, änderten die die Aufgaben.
>Und NUN erst waren das die gesehenen Aufgaben!
>So etwa ist das.
>Herzlich, Dein
>BB
>
>>Hi Bouvier,
>>hm,...ich sehe es anders: ich betrachte die Visionen, Schauungen, Prophezeiungen oder wie wir es nun bezeichnen mögen, immer als Warnung bzw. einen Ausschnitt aus einem der möglichen Zukunftsstränge. Wir alle haben ja, wenn uns z.B. jemand erzählt, dass wir uns gleich mit dem Kartoffelmesser, welches wir in der Hand halten, in den Finger schneiden werden, die Möglichkeit dieses Messer sofort wegzulegen. Jetzt kann folgendes passieren: wir legen es so hastig weg, dass wir uns erstrecht oder gerade NUR deswegen schneiden oder wir legen es weg und es passiert nichts (wir schneiden uns nicht) oder wir legen es nicht weg und schneiden uns oder wir legen es nicht weg und schneiden uns nicht, weil wir besser Obacht geben als vorher...etc.
>>Viele Möglichkeiten hält die Zukunft also für uns bereit.
>>Übertragen auf die Prophezeiungen, welche die Zukunft der Menschheit oder bestimmter Bevölkerungsgruppen betreffen, kommt es also m. E. darauf an wie beeinflussbar die vorhergesagten Ereignisse sind und ob wir "richtig" auf das reagieren was uns vorhergesagt wurde. Eine Schau, die nicht eintrifft, ist nicht durch das Nichteintreffen der vorhergesagten Ereignisse ad absurdum geführt worden. Im Gegenteil, meiner Meinung nach sind es gerade die erfolgreichen Prophezeiungen, die nicht eintreffen (sofern sie negative Bilder enthalten), sie haben somit ihre Bestimmung (zu warnen) erfüllt.
>>Kurz gesagt: ich halte Schauungen (zumindest teilweise) nicht für unabwendbare, feststehende Ereignisse der Zukunft. Gesetzt den Fall die ganze Menschheit würde eine plötzliche innere Einkehr erfahren und sich besinnen - utopisch, sicher...trotzdem zu einer verschwindend geringen mathematischen Wahrscheinlichkeit möglich - alle sind auf einmal verträglich, rücksichtsvoll, hilfsbereit, nett zueinander...so gäbe es die Terroranschläge und Kriege überhaupt nicht welche uns vorhergesagt wurden. Trotzdem hat es jemand so kommen sehen und er hat dabei nicht phantasiert oder gelogen. Was er in diesem Moment sah, war die Zukunft auf die wir zugesteuert sind - eben die Tendenz des Augenblicks.
>>Schwieriges Thema, ich hoffe, dass ich meine Meinung einigermaßen verständlich darstellen konnte.
>>Gruß,
>>Artemis Abt.: Nachtwächter :-)
>>PS.: Ich wünsche Dir noch ein schönes restliches Wochenende
>>>
>>>Angeregt durch eine Unterhaltung im Chat, möchte ich auf eine Eigenschaft von Schauungen hinweisen. Sie treffen nämlich ein.
>>>Beispiel:
>>>Sieht ein Seher eine Landschaft und erwähnt einen pflügenden Bauern, dann kann er den ja nur beschreiben, weil der da nun mal ist.
>>>Bzw. da mal sein wird.
>>>Wär der nämlich nicht da, dann würde er ihn ja nicht sehen.
>>>Nun kommt mir einer daher und sagt, ihm gefiele der Bauer nicht. Lieber wär ihm, der sei nicht da.
>>>Kann ich verstehen, aber so ist die Schau nun mal.
>>>Was nicht möglich ist, das ist, den Bauern nun ausfindig zu machen und vorher umzubringen.
>>>Natürlich kann man den Bauern umbringen vorher,
>>>WENN ES NOCH KEINE SCHAU DARÜBER GIBT.
>>>In dem Fall wäre die Schau dann natürlich ohne den Bauern.
>>>Ist doch wirklich nicht so schwer, oder?
>>>BB