Re: Vassula ist unecht?
Geschrieben von Hubert am 25. Mai 2003 16:04:19:
Als Antwort auf: Re: Vassula ist unecht? geschrieben von Napoleon am 25. Mai 2003 15:21:53:
Hallo Napo,
zum diesem Thema stehle ich mal kurzerhand eine schöne Antwort aus dem Reliforum:
Der Fall Galileo Galilei ist allen bekannt. An ihm wird immer wieder deutlich gemacht, dass die intolerante, dogmatische und inquisitorische Kirche angeblich die Freiheit der Wissenschaft unterdrückt und eingeschränkt habe, wo sie nur konnte. Um ihre Macht zu sichern, habe sie Wissenschaftler wie Galilei, die nicht am altmodischen, katholischen Weltbild festhalten wollten, gefoltert und eingesperrt.
So oder ähnlich wird der Fall Galileo Galilei als typisches Beispiel für das Verhältnis von Kirche und Wissenschaft oft dargestellt. Doch wenn man einige historische Fakten berücksichtigt, gewinnt man ein anderes Bild.
Zunächst muß man den Stand der Wissenschaft im 17. Jahrhundert beachten: Vorherrschend war das heidnische, ptolemäische Weltbild der Antike, das von Wissenschaftlern wie Tycho Brahe vertreten wurde. Die Erde wurde als Mittelpunkt des Universums gesehen. Von einigen Astronomen wie Kopernikus oder Galilei wurde das heliozentrische System vertreten, in dem die Erde um die Sonne kreist. Für dieses (wie wir heute wissen richtige) Modell gab es aber noch keine schlüssigen Beweise. Seine Anhänger mussten es also so lange als Hypothese vertreten, bis man den Beweis für die Tatsächlichkeit des Systems erbringen konnte.
Galilei konnte folgende Argumente für das heliozentrische System vorweisen: 1. die Planetenbahnen, die Ellipsen bilden, 2. die Sonnenflecken, die eine Drehung der Sonne um sich selbst anzeigen und 3. die Gezeiten des Meeres.
Der endgültige Beweis konnte erst erbracht werden, als Newton 1648 die Gravitationsgesetze entdeckte. Erst durch die Kombination von Geometrie und Physik konnte der endgültige Beweis für das heliozentrische System erbracht werden.
Nun schien es aber so, als ob das heliozentrische System einige Aussagen der Bibel widerspräche. Das konnte aber nicht sein, denn die Schöpfung als Werk Gottes und die Bibel als Wort Gottes können sich nicht widersprechen. Galilei löste dieses Problem, indem er die entsprechenden Stellen in der Bibel nicht wörtlich, sondern symbolisch interpretierte.
Die Kirche sah jetzt die Autorität der Hl. Schrift gefährdet, zumal gerade zu dieser Zeit die Protestanten der Kirche vorwarfen, sie sei vom Wort Gottes abgefallen. Um diesen Vorwurf zu entkräften, bemühte man sich, möglichst nahe am Text der Bibel zu bleiben.
Zum Fall Galilei wurden zwei Urteile gesprochen: 1616 wurde das heliozentrische System als der Schrift widersprechend verurteilt, und 1633 wurde Galileis Buch „Dialogus“ verurteilt. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine rein wissenschaftliche Abhandlung, sondern um ein literarisches, „populärwissenschaftliches“ und ziemlich polemisches Werk, in dem Galilei in gewisser Weise seine eigene Meinung hinter der der fiktiven Personen verstecken konnte.
Das Urteil von 1616 bedeutet jedoch nicht, dass die Kirche das eine System als falsch und das andere als wahr bezeichnet hätte, es ging vielmehr davon aus, dass das heliozentrische System in einem Widerspruch zur Schrift stand. Das bedeutete: In dem Moment, als der Widerspruch aufgelöst werden konnte, war auch die Grundlage des Urteils nicht mehr vorhanden.
Außerdem machte Galilei den Fehler, seine Hypothese nicht als solche kenntlich zu machen, das heißt er handelte wissenschaftlich unredlich.
Die Kirche war also auf dem Gebiet der Naturwissenschaft im Recht – weil sie ja lediglich forderte, eine Hypothese müsse so lange eine bleiben, bis sie bewiesen werden konnte. Galilei war auf dem Gebiet der Bibelinterpretation im Recht – verschiedene Stellen der Bibel, in denen zum Beispiel von der Bewegung der Sonne die Rede ist, dürfen nicht als ein naturwissenschaftliches Dokument interpretiert werden.
Immer wieder wird auch behauptet, nach dem „Fall Galilei“ sei die Forschung zum Erliegen gekommen – das Gegenteil ist der Fall! Galilei selbst forschte auch nach der Verurteilung eifrig weiter und entdeckte die Schwankungen des Mondes. Überall in Italien (auch in Rom) wurde die Stichhaltigkeit des heliozentrischen Systems heiß diskutiert. Im Italien des 17. Jahrhunderts blühte die naturwissenschaftliche Forschung förmlich auf. Die Trennung von Glaube und Naturwissenschaft ist eine Folge der Aufklärung und nicht der Galilei-Urteile.
Es existieren auch eine Reihe von Legenden um den Galilei-Prozeß. Dass Galilei in Kerkerhaft gewesen sei, stimmt nicht. Während der Prozesse in Rom weilte er mit seinem Diener in Privaträumen, im Palast eines Freundes oder in seiner eigenen Villa.
Auch die Androhung der Folter (er ist nie gefoltert worden) war eine reine Prozessformalität. Und die Geschichte, dass er nach der Verkündigung des Urteils trotzig gerufen haben soll: „Und sie bewegt sie doch!“ ist zwar sehr schön, aber nur eine Legende.
Herzlichst,
Hubert
- Re: Vassula ist unecht? BBouvier 25.5.2003 16:25 (6)
- Re: Vassula ist unecht? Tilly 25.5.2003 17:50 (5)
- Re: Vassula ist unecht? BBouvier 25.5.2003 18:17 (2)
- Re: Vassula ist unecht? Tilly 26.5.2003 16:31 (1)
- Re: Vassula ist unecht? BBouvier 26.5.2003 21:23 (0)