Re: der lokale atomkrieg kommt nähr (USA)

Geschrieben von Subman am 21. Mai 2003 17:01:39:

Als Antwort auf: Re: der lokale atomkrieg kommt nähr (USA) geschrieben von Kober am 21. Mai 2003 16:31:47:

Hallo Kober.

Siehe angehängten Text.

Gruss
Subman


Kubakrise 1962

Operation „Armageddon" – die Welt am Rande des Atomkrieges

Inhalt:

Einleitung
Vorgeschichte
Gründe für die Raketenstationierung
Die Raketenstationierung
Die Krise: Entdeckung der Raketen
Die Blockade: Tage zwischen Krieg und Frieden
Der Schwarze Samstag: Die Welt am Abgrund
Lösung der Krise
Resümee
1. Einleitung:
„It shall be the policy of this nation to regard any nuclear missile launched from Cuba against any nation to the Western Hemisphere as an attack by the Soviet Union on the United States, requiring a full retailatory response upon the Soviet Union." (1)
Dieser Satz, ausgesprochen am 22.Oktober 1962 vom US-Präsidenten John F.Kennedy, markiert den rhetorischen Auftakt zur wohl heißesten Krise in der Geschichte des Kalten Krieges, nämlich der Kubakrise. Der Konflikt, in den USA als „Cuban missile crisis" und in der sowjetischen Lesart als „Caribbean crisis" bekannt, gilt als „the first direct nuclear confrontation in history" (2) bzw. als „the world‘s first armed confrontation between two nuclear superpowers" (3). In der Tat kam die Menschheit niemals zuvor und niemals danach einem atomar geführten Dritten Weltkrieg näher als in den Tagen zwischen dem 22. und dem 28.Oktober des genannten Jahres.
Es soll nun zunächst geschildert werden, wie es zur Kubakrise kam. Die politischen, militärischen und psychologischen Begleitumstände auf Seiten der USA, der Sowjetunion und Kubas werden dargestellt. Dann stehen die entscheidenden „Dreizehn Tage" (4) im Mittelpunkt, in denen die Krise eskalierte. Anhand der „Presidential Recordings" -Tonbandprotokolle von Sitzungen des Krisenstabes ExComm (Executive Commitee) - wird deutlich, welche Konzepte es auf Seiten der USA gab, die Krise zu managen und welche Differenzen dabei zu Tage traten. Die schließlich ergriffenen Maßnahmen zwischen dem 22. und 28.10. waren zwangsläufig mit großen Risiken verbunden. Erst heute - in Kenntnis neuester Veröffentlichungen über damalige Geheimpläne und brisante militärische Zwischenfälle - lässt sich einschätzen, wie nah die Welt vor dem Atomkrieg stand. Es waren nur Stunden, teilweise Minuten, falls irgendein verantwortlicher Kommandeur die Nerven verloren hätte. (5)

2. Vorgeschichte:
Alles begann am 8. Januar 1959. Rebellen um Fidel Castro und Ernesto Che Guevara marschierten in der kubanischen Hauptstadt Havanna ein und wurden von einer großen Menschenmenge bejubelt. Diese Menschen fühlten sich befreit vom vorherigen Regime des kubanischen Diktators Fulgencio Battista. Der von den USA unterstützte und zuletzt fallen gelassene Battista war acht Tage zuvor nach einem Generalstreik von der Zuckerinsel geflohen. Castro bildete eine Revolutionsregierung, in der verschiedene oppositionelle Gruppen, darunter auch Kommunisten, vertreten waren. Damals war noch nicht voraus zu sehen, dass die kubanische Revolution in einen Konflikt der Supermächte am Rande eines Atomkriegs münden würde. Castros Politik war in den ersten Monaten moderat. Es gab Agrar- und Sozialreformen und US-Companies, die viel Land auf Kuba besaßen, wurden besteuert, ohne bereits die Eigentumsverhältnisse an sich zu hinterfragen (6). In liberalen Kreisen der USA genoss Castro sogar ein gewisses Ansehen. Für einen Kommunisten hielt man ihn nicht (7). Allerdings reagierte die republikanische Eisenhower-Regierung argwöhnisch gegenüber den revolutionären Umwälzungen. So bat Castro Washington vergeblich um Darlehen für das wirtschaftlich von den USA abhängige Kuba. Eisenhower fürchtete, dieses Geld würde in Waffen investiert, um Aufstände in anderen lateinamerikanischen Staaten zu schüren (8).
Bei der sowjetischen Führung dagegen wuchs das Interesse, Castro zu unterstützen. Man wusste, dass der kubanische Wirtschaftsminister Che Guevara und der Verteidigungsminister Raul Castro (ein Bruder Fidels) Kommunisten waren. Und die mindestens teilweise marxistischen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt zu fördern, das lag ganz auf der Linie der Politik des sowjetischen Ministerpräsidenten und Ersten Sekretärs des ZK der KPdSU Nikita Sergejewitsch Chrustschow (9). So kam es zu einem ersten Besuch des Chrustschow-Stellvertreters Anastas I.Mikoyan in Kuba am 4.Februar 1960. Ein sowjetisch-kubanisches Handelsabkommen wurde unterzeichnet. Damit kam eine folgenreiche Dynamik in Gang. Im Mai 1960 nahm Kuba offiziell diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion auf. Die USA antworteten mit einem Handelsembargo gegen den Karibikstaat. Sie stoppten die Lieferung von Öl ebenso wie den Import von kubanischem Zucker. Die UdSSR half sofort. Die Sowjets verpflichteten sich zum Kauf von 700 000 Tonnen Zucker jährlich und sowjetische Tanker versorgten Kuba mit Erdöl. Esso, Texaco und Shell weigerten sich jedoch, das sowjetische Öl in Kuba zu verarbeiten. Kurzerhand verstaatlichte Castro die Raffinerien. Als weitere Antwort auf das US-Embargo verstaatlichte Castro außerdem entgegen vorheriger Versprechungen amerikanische Gewerbebetriebe und Landbesitz auf Kuba im Wert von 850 Million Dollar. Am 2.Januar 1961 schließlich brachen die USA die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Kuba, früher der „Hinterhof der USA", war inzwischen vollends abhängig geworden von der Sowjetunion. In den USA indes wuchs die Angst vor einem Vorposten des Kreml direkt vor ihrer Haustür.
Am 19.Januar 1961 - einen Tag vor der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten John F.Kennedy - unterrichtete der scheidende Präsident Eisenhower seinen Nachfolger über geheime Pläne der CIA bezüglich Kuba. Im Dschungel von Guatemala wurden seit Monaten exil-kubanische Guerillakämpfer ausgebildet, auf Kuba zu landen und eine Revolte gegen Castro auszulösen. Kennedy billigte dieses Vorhaben, solange eine direkte Beteiligung der USA vermieden werden konnte. (10) Der Sicherheitsberater des neuen Präsidenten, McGeorge Bundy, beteuerte, der CIA-Coup sei „a remarkable job of reframing the landing plan so as to make it unspectacular and quiet, and plausibly Cuban in its essentials." (11). Das Gegenteil geschah. Die Landung in der Schweinebucht, die Invasion von 1500 mangelhaft ausgerüsteten Exilkubanern auf ausrangierten Schiffen an der kubanischen Küste am 17.April, sie verlief chaotisch und geriet zum Fiasko für die USA. Castro setzte aus der Sowjetunion importierte Panzer gegen die Invasoren ein. Über hundert Exil-Kubaner starben, nur vierzehn überlebten. Eine Revolte gegen Castro gab es nicht. Stattdessen wurde offenkundig, dass die CIA diese Invasion geplant hatte. Fidel Castro sprach davon, dass „the United States sponsered the attack because it cannot forgive us for achieving a socialist revolution under their noses." (12). Es war das erste Mal, dass Castro sich selbst offen zum Marxismus-Leninismus bekannte. Die umfassende Sowjetisierung Kubas begann endgültig.
In Moskau wurden zur gleichen Zeit kubanische Fahnen gehisst. Studenten und Arbeiter trugen Banner mit der Aufschrift „Viva Cuba" (13). Für Chrustschow war Castro ein „moderner Lenin", der nun jede erdenkliche Unterstützung bekam. Kuba wurde mit weiteren sowjetischen Panzern und Artellerie beliefert. Instruktoren aus dem Ostblock trainierten die kubanischen Soldaten in der Bedienung der Waffen. Chrustschow war fest davon überzeugt, dass die USA eine weitere, größere Invasion planten, diesmal mit eigenen Truppen. (14)
Für Kennedy war die Niederlage in der Schweinebucht eine Peinlichkeit und ein Zeichen der Schwäche. Auf dem Wiener Gipfeltreffen zwischen Kennedy und Chrustschow am 3.Juni 1961 musste Kennedy das Unternehmen Schweinebucht als Fehler eingestehen. Chrustschow wiederum gab sich selbstbewusst und tönte, die Vereinigten Staaten befänden sich auf der falschen Seite der Geschichte (15). Kommunistische Erfolge in Laos und Vietnam sowie der erste Weltraumflug des sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin (12.April) schienen das zusätzlich zu bestätigen. Der nächste offensive Schritt des Ostblocks in diesem „roten Jahr" 1961 war dann die Berliner Mauer am 13.August.
Kennedy sah einen Zusammenhang zwischen dem harschen Vorgehen der Sowjets - insbesondere in Berlin – und seiner gezeigten Schwäche bezüglich Kuba. Deswegen sollte der Druck auf Castro wieder erhöht werden. Gedacht war an verdeckte Sabotageaktionen. (16) So begann im November die „Operation Mongoose". Verantwortlich war Justizminister Robert F.Kennedy, der jüngere Bruder des Präsidenten. In Sachen Kuba war Robert Kennedy ein Hardliner. Er hielt sich nicht an die Direktive, die Aktionen möglichst klein zu halten. Ab Januar 1962 wurde Miami (90 Meilen von Kuba entfernt) zur größten CIA-Basis ausgebaut mit 600 Offizieren und 3000 Exilkubanern (die sogenannte „Task Force W"), mit eigener Flotte und eigener Air Force. In Zusammenarbeit mit der Mafia wurden abenteuerliche und skurrile Attentatsversuche auf Castro unternommen (vergiftetes Essen und Trinken, explodierende Zigarren, ein mit Tuberkulosebazillen infizierter Taucheranzug und eine seltene Muschel, gefüllt mit Explosivstoffen). (17) Eine verprellte deutsche Ex-Geliebte wurde angeheuert, Castro zu erschießen, aber als sie die Waffe bereits auf ihn richtete, konnte sie es doch nicht. Parallel zu diesen Einzelkommandos gab es „Contingency plans" des Pentagons für Luft- und Bodenangriffe mit US-Streitkräften. Sie wurden ab März in großen „amphibischen Manövern" im Karibischen Meer durchgespielt. Zu diesen „War Games" zählten etwa Lantphibex 1-62 bei Vieques (Puerto Rico) und „Quick Kick" mit 79 Schiffen, 300 Flugzeugen und 40 000 US-Soldaten, insgesamt „die größten Kriegsspiele in der Militärgeschichte der USA" (O-Ton Pentagon). (18) Wenngleich US-Verteidigungsminister Robert S.McNamara behauptet, es habe nie die Intention einer Invasion auf Kuba gegeben (19), musste doch die UdSSR den Eindruck gewinnen, sie stehe kurz bevor.

3. Gründe für die Raketenstationierung:
Hiermit ist die Diskussion eingeleitet, welche Gründe nun vorrangig dazu führten, dass die Sowjetunion nach den konventionellen Panzern, Gewehren und Geschützen plötzlich Atomraketen nach Kuba verfrachtete, wissend, dass dies einen weltweiten Nuklearkrieg heraufbeschwören konnte.
In der neueren Literatur werden hierfür drei wesentliche Gründe genannt:

um Kuba vor einer Invasion zu schützen
um eine strategische Überlegenheit der USA (Zahl der Interkontinentalraketen) zumindest psychologisch auszugleichen und
um innenpolitische Vorhaben Chrustschows (Agrarreformen) besser finanzieren zu können und Chrustschow innenpolitisch Autorität zu verschaffen.
Zu 1.) Die geheimen und offenen Drohungen der USA gegen Kuba wurden bereits dargestellt. Ebenso die politische Strategie der UdSSR, linke Befreiungsbewegungen in der blockfreien Welt zu unterstützen. Folgerichtig behauptet Chrustschow in seinen Memoiren, der einzige Grund der Raketenstationierung sei es gewesen, die Unabhängigkeit Kubas zu bewahren und eine Invasion der USA zu verhindern. Man wollte, so Chrustschow, dass Kuba sozialistisch und revolutionär blieb und dem progressiven Castro-System eine Chance geben, zu arbeiten. Dies sei angesichts der militärischen Übermacht der USA gegenüber Kuba nur mit Raketen möglich gewesen. (20) Bernd Greiner, der die Kubakrise untersucht hat, beruft sich auf die Memoiren und argumentiert mit Chrustschow, dass der Schutz Kubas vordergründig gewesen sei (21). Nun sind die Memoiren allerdings alles andere als eine sichere Quelle. Denn autobiographische Literatur ist an sich schon sehr anfällig für Selbststilisierungen, Selbstrechtfertigungen und Mythenbildungen, hier aber noch besonders verstärkt durch den Kontext des Kalten Krieges. Gewiss: Kuba war ein Prestigeobjekt für die UdSSR. Besonders nachdem Castro sich nach der Schweinebucht-Invasion offen zum Marxismus-Leninismus bekannte und Kuba sowjetisierte, wurde Kuba geradezu zum Musterbeispiel sowjetischer Dritte-Welt-Politik, die anfangs von China so kritisiert worden war. Eine Aufgabe Kubas wäre ein nicht wieder gut zu machender Rückschlag im Machtkampf mit China um die Führungsrolle im Weltkommunismus gewesen sowie ein fatales Signal für andere Befreiungsbewegungen in Lateinamerika. (22) So musste Kuba also wirksam geholfen werden. Dies war auf jeden Fall ein Grund für die Aufstellung der Raketen. Fraglich ist, ob es der Hauptgrund war. Dies ist ein anhaltender Streit auch in den Konferenzen von ehemals Beteiligten seit 1987 im Geiste von Glasnost. In jüngster Zeit rückte dabei der Schutz Kubas in den Vordergrund der Argumentation. So behauptet der US-Historiker Paterson 1990, ohne den amerikanischen Wunsch, Castro-Kuba zu isolieren, zu zerstören, hätte es keine Krise gegeben. Auch Hershberg argumentiert 1992, Kuba und die UdSSR hätten gerechtfertigt an eine bevorstehende Invasion glauben können, ohne dass dem tatsächlich so war. (23) Aber man sollte sich nicht voreilig festlegen. Es gibt noch andere wichtige Gründe für die Raketenstationierung.
Zu 2.) 1957 begann ein neues Kapitel in der Technologie des Kalten Krieges. Vor den USA gelang den Sowjets der erste erfolgreiche Test einer Interkontinentalrakete (Intercontinental Ballistic Missile, ICBM), die fähig war, einen Atomsprengkopf zu tragen. Im selben Jahr wurde der sowjetische Satellit Sputnik I ins All geschossen, für den Westen der so genannte „Sputnik-Schock". Nun waren die USA erstmals direkt verwundbar durch einen sowjetischen Angriff, ohne über eine entsprechende Gegenwehr zu verfügen. Das Gefühl der „strategischen Unterlegenheit" in Form eines „Missile Gap", einer „Raketenlücke", war in den folgenden drei Jahren bestimmend für das Handeln der Militärs und der Politiker in den USA. Unterstützt wurde dieses Gefühl durch die kriegerische Rhetorik eines wechselhaften und unberechenbaren Chrustschow, der 1959 sagte, sowjetische Fabriken würden Raketen produzieren „wie Würstchen" (24). Noch Ende 1960 vermutete der US-National Intelligence Estimate 35 bis 150 sowjetische ICBMs, in Wirklichkeit waren es aber zu diesem Zeitpunkt nur 4 SS-6-ICBMs. Das Potential der USA betrug derweil - durch ein großes Aufrüstungsprogramm forciert - 27 Atlas-D-ICBMs und 48 Polaris-Raketen. Und das Arsenal des Schreckens wuchs weiter zu Gunsten der USA. 1962 hatten die USA 200 landgestützte Interkontinentalraketen und 144 Polaris-Raketen, die UdSSR hingegen nur 20 bis maximal 35 ICBMs. Dies entsprach einer strategischen Überlegenheit von 17 zu 1 zu Gunsten der USA. (25) Also eine enorme Schieflage im „Gleichgewicht des Schreckens". So lange diese Tatsache jedoch niemand öffentlich machte - nur die Geheimdienste wussten davon - blieb das „psychologische Gleichgewicht", die „psychological equality", mühsam gewahrt. Noch immer schienen USA und UdSSR gleichberechtigte Supermächte zu sein, ja, die UdSSR sogar scheinbar stärker wegen der Erfolge im Weltraum (26). Die sowjetische Führung nutzte diesen psychologischen Vorteil für eine aggressive Politik, unter anderem in Berlin (Berliner Mauer). Um diesen Vorteil zunichte zu machen, verkündete der Deputy Secretary of Defense, Roswell Gilpatric, am 21.Oktober 1961 öffentlich die enorme Unterlegenheit der UdSSR bei den Atomraketen. Dieses Datum ist sehr wichtig für die spätere Kubakrise. Denn nun war alles offen gelegt, nun war der Kreml mit der harten Realität konfrontiert, konnte nicht mehr bluffen. Ein Gleichziehen mit den USA bei den Interkontinentalraketen war vollkommen unmöglich aufgrund der Kosten. Untätig bleiben konnte man aber auch nicht. Chrustschow fürchtete ernsthaft, die US-Militärs könnten die günstige Situation der Überlegenheit für einen atomaren Erstschlag nutzen. Bestärkt wurde er in dieser Befürchtung durch amerikanische Mittelstreckenraketen der Typen Jupiter und Thor, die in der Türkei ganz offen aufgestellt waren. In ihrer Verwundbarkeit durch die ungeschützte Aufstellung konnten sie eigentlich nur für einen Erstschlag benutzt werden. (27) Die USA waren in dieser Weise bislang nicht bedroht, denn es gab keine sowjetischen Stützpunkte in unmittelbarer Nähe. Aber es gab inzwischen ein sozialistisches Kuba und dort stationierte Mittelstreckenraketen wären in der Lage, in wenigen Minuten Miami, New York oder Chicago zu treffen. Diese MRBMs (Medium Range Ballistic Missiles) mit der Fähigkeit, Atomsprengköpfe zu tragen, hatte die UdSSR in größerer Zahl, mehr als ICBMs. Die 36 SS-4-MRBMs und zusätzliche SS-5- IRBMs (Intermediate Range Ballistic Missiles) würden die nukleare Schlagkraft gegen die USA auf einen Schlag verdoppeln (28) – dies wäre noch längst kein Gleichgewicht, aber ein psychologischer Gewinn. Vielleicht konnte man sie nutzen für bilaterale Verhandlungen mit einer gleichberechtigten Sowjetunion über die Raketen in der Türkei oder als Faustpfand bei neuen Forderungen bezüglich Berlin (29). So sagte Chrustschow im Mai 1962 zu seinen engsten Vertrauten, man solle die Amerikaner spüren lassen, wie es sei, von feindlichen Nuklearbasen umgeben zu sein (30).
Dieser Lesart zufolge war nicht der Schutz Kubas der Hauptgrund für die Aufstellung sowjetischer Atomraketen, sondern eine möglichst effiziente und billige Veränderung der geostrategischen Lage zu Gunsten der UdSSR. Das Ziel war demnach nicht die Stützung des Castro-Regimes um jeden Preis, sondern ein psychologischer Machtgewinn der Sowjetunion für verschiedene Forderungen gegenüber den USA. (31) Diese Interpretation scheint sehr plausibel aufgrund der enormen Überlegenheit der USA bezüglich der Raketen und Stützpunkte, insbesondere nach deren Offenlegung durch Roswell Gilpatric.
Zu 3.) Wie schon dargestellt war es psychologisch effektvoller, an die 40 Mittelstreckenraketen nach Kuba zu transportieren, als 200 zusätzliche Interkontinentalraketen für Stützpunkte in der Sowjetunion zu bauen – und es war natürlich billiger. Mit dem eingesparten Geld könnte Chrustschow wichtige innen- und wirtschaftspolitische Reformvorhaben finanzieren. Schon 1958 hatte der Ministerpräsident angekündigt, die Konsumgüterindustrie auszubauen und den Lebensstandard der Sowjetbürger so zu erhöhen, dass die kommunistische Supermacht 1970 die USA im Wohlstand überholen werde. Das war eine kühne Vision. Hinzu kam ein teures Neulandprogramm. In Sibirien und im Kasachstan sollte Brachland großflächig kultiviert werden, was wegen des ungünstigen Klimas erfolglos blieb. Die vergleichsweise billigen Kubaraketen sollten für diese Programme neue Gelder frei machen beziehungsweise sie überhaupt erst ermöglichen, was Chrustschow in seiner Machtposition nach innen zweifellos gestärkt hätte. Lebow spekuliert jedenfalls, dass die Rettung der Agrarreformen für Chrustschow höchste Priorität hatte (32).
Die Durchsetzung der Agrar- und Wirtschaftsreformen dürfte ein wichtiger Nebenaspekt des wohl eigentlichen Grundes einer möglichst kostengünstigen Korrektur in der strategischen und psychologischen Unterlegenheit der UdSSR gegenüber den USA gewesen sein. Diesem Zweck dienten letztlich die Raketen auf Kuba. Nur als willkommener Anlass und auf jeden Fall zweitrangig, wenn auch nicht unbedeutend, erscheint dagegen der Schutz Kubas vor einer Invasion der USA.

4. Die Raketenstationierung:
Nun konkretisierte sich also im Mai 1962 in der sowjetischen Führung die Idee, Atomraketen auf Kuba zu stationieren. Chrustschow besprach diese Idee zunächst im kleinsten Kreise, mit Anastas I.Mikoyan, dem sowjetischen Außenminister Andrei A.Gromyko, dem Mitglied des Parteipräsidiums Frol Kozlov und dem Kommandeur der Raketenstreitkräfte Marschall Sergei S.Biryuzov. Mikoyan und Gromyko waren skeptisch, weil Chrustschow die Aufstellung der Raketen geheim halten wollte, um die USA danach vor vollendete Tatsachen zu stellen. In der Tat war die Geheimhaltung eine Provokation und stellte die UdSSR als Aggressor dar. Besser wäre es wohl gewesen, Chrustschow hätte öffentlich die USA wegen der Türkei-Raketen kritisiert und die Kuba-Raketen als Antwort angedroht und dann aufgestellt. Aber für diesen Fall fürchtete Chrustschow eine unverzügliche US-Attacke gegen Kuba. Nach weiteren Gesprächen im Parteipräsidium in Moskau entschied man sich für die absolute Geheimhaltung gegenüber dem Westen. Was nun begann, war ein Verwirrspiel und eine Nacht-und-Nebel-Aktion ohnegleichen. So kam am 30.Mai 1962 eine Delegation sowjetischer „Agrarexperten" nach Kuba, darunter Raketenkommandeur Biryuzov unter dem Decknamen „Ingenieur Petrov". Der kubanische Verteidigungsminister Raul Castro organisierte ein geheimes Treffen dieser obskuren Gruppe mit Fidel. Dort enttarnten sich die „Agrarexperten" und boten die Atomraketen an. Fidel Castro, Che Guevara und der kubanische Präsident Osvaldo Dorticos Torrados stimmen zu. Zwar fürchteten sie eine mögliche Eskalation des Konflikts, kritisierten auch die Geheimhaltung, aber sie vertrauten der sowjetischen Erfahrung und Durchsetzungskraft – sie hatten auch keine andere Wahl, denn Kuba war wirtschaftlich und politisch abhängig von der UdSSR.
Ende Juli verließen die ersten Schiffe mit ihrer geheimen atomaren Ladung sowjetische Häfen Richtung Kuba. (33) Selbst die Mannschaften der Schiffe wussten bis zum Atlantik das Ziel noch nicht. Sie mussten Winterkleidung und Skier mit sich führen, um jeden verfrühten Eindruck zu vermeiden, es ginge in die Karibik. Die Schiffe selbst waren getarnt als Holzfrachter, die Raketenteile tief unten in den Laderäumen versteckt. Im Schutz der Nacht wurden die Schiffe unter Aufsicht des KGB auf Kuba entladen.(34) An Land wurden die Raketenteile dann übernommen von sowjetischen Soldaten – insgesamt 42 000 waren auf Kuba stationiert. Sie hatten den Befehl, die 40 Abschussrampen aufzubauen und die SS-4 und SS-5-Atomraketen zu positionieren.(35) Jede Rakete trug einen Sprengkopf von einer Megatonne, das ist jeweils etwa das Hundertfache der Hiroshima-Bombe. Mit einer Reichweite von 1800 bis 3600 Kilometern konnten sie die meisten Metropolen der USA vernichten.
Aufgrund erheblicher Koordinationsmängel hatten die Soldaten keine Anweisungen bezüglich einer Geheimhaltung beim Aufbau. So geschah es, dass die Raketen unter freiem Himmel ganz offen aufgestellt wurden.(36) Die CIA und die U-2-Aufklärungsflugzeuge der US-Luftwaffe merkten schnell, dass da irgendetwas passiert. US-Präsident Kennedy wurde durch CIA Director John McCone schon Ende August über die Beobachtungen informiert. Am 23.8. gab es eine „Top Secret"-Sitzung mit Militärs und Geheimdienstleuten, auf der JFK eine geheime Richtliniendirektive erließ: um einer möglichen Stationierung von Raketen zuvor zu kommen, sind Angriffe auf Kuba oder eine Invasion Kubas vorzubereiten. Zuständig: Verteidigungsministerium. (37) Kennedy stand unter Druck, denn die Republikaner wollten die Kongresswahlen im November mit dem Kuba-Thema gewinnen. Mit öffentlichen Reden versuchte er, Stärke zu demonstrieren. Am 4.9. kündigte Kennedy im Falle offensiver Waffen auf Kuba „schwerste Folgen" an. Am 7.9. wiederholte er dies und berief außerdem 150 000 Reservisten ein. Vier Tage später gab es eine offizielle Erklärung der sowjetischen Regierung. In dieser hieß es, Vergeltungswaffen zur Verteidigung Kubas seien nicht nötig. Zur selben Zeit wurden die Raketen auf Kuba bereits aufgebaut. Die USA ihrerseits planten ein weiteres großes Seemanöver für die Tage um den 20.10. herum, knapp drei Wochen vor den Kongresswahlen. Der Name: Phibrilex-62, virtueller Auftrag: Befreiung der Insel Vieques vom Tyrannen Ortsac. Ortsac=Castro. Greiner spekuliert, dass hier eine überraschende Invasion geplant gewesen sein könnte (38). Aber zu dieser Übung kam es nicht mehr.

5. Die Krise: Entdeckung der Raketen:
Denn der 16.Oktober kam den Planern in die Quere. Für den Präsidenten-Bruder Robert Kennedy beginnen an dieser Stelle die „Thirteen Days" (siehe sein gleichnamiges Buch) zwischen Frieden und Krieg. Zwei Tage zuvor hatte ein U 2-Aufklärer in großer Höhe über San Cristobal (Kuba) Raketenstellungen fotografiert. Nach der Analyse wurden die hochbrisanten Fotos nun dem Präsidenten vorgelegt. Bereits um 11 Uhr 45 tagte der engere Beraterkreis im Kabinettsaal, darunter Verteidigungsminister Robert S.McNamara, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs General Maxwell Taylor und Robert Kennedy. Es wurden Fragen gestellt nach Reichweite, Sprengköpfen, Zeitpunkt der Einsatzbereitschaft. Hypothetische Zahlen über mögliche Todesopfer nach einem atomaren Angriff auf die USA wurden addiert – man kam auf 80 Millionen Tote innerhalb weniger Minuten.(39)
In den folgenden Tagen traf sich dieses Executive Commitee (ExComm), zunächst ohne dass die Weltöffentlichkeit davon etwas erfuhr, täglich zu Beratungen, was zu tun sei angesichts der bedrohlichen Situation. Mehrere Möglichkeiten wurden diskutiert:

nichts tun und die Stationierung hinnehmen (40)
Diplomatische Initiativen, die Außenminister Dean Rusk entwirft, nämlich
eine Konsultation mit den europäischen NATO-Verbündeten und den lateinamerikanischen Staaten
Gespräche mit Castro mit dem Ziel, ihn von den Sowjets zu trennen
Eine unauffällige oder öffentliche Kontaktaufnahme mit der UdSSR bis hin zu einem Gipfeltreffen mit Chrustschow zur Lösung der Raketenfrage oder
Diplomatischer Druck über die UNO oder die OAS (Organisation amerikanischer Staaten)
Militärische Maßnahmen verschiedener Intensität, nämlich
eine Seeblockade gegen Kuba mit Steigerungsmöglichkeiten gekoppelt an ein Ultimatum
die Ausschaltung der Raketen durch gezielte Luftangriffe oder
gleich eine umfassende Invasion Kubas
Während die sogenannten „Tauben" im ExComm, darunter Dean Rusk, diplomatische Schritte bevorzugten, plädierten die „Falken" – die Militärs, die CIA, teilweise auch die Kennedy-Brüder – für Angriffe oder eine Invasion. Man einigte sich schließlich auf die von McNamara als Idee eingebrachte Seeblockade. Sie schien einerseits Stärke zu demonstrieren gegenüber rein diplomatischen Offerten - wo die USA sich in jedem Fall auf Kompromisse hätte einlassen müssen - , andererseits wurde direkte kriegerische Gewalt zunächst vermieden, ohne auf eine solche Option als ständige Drohung im Hintergrund ganz zu verzichten.
Die öffentlichen Auftritte der Politiker in den USA nahmen derweil ihren gewohnten Verlauf. Am 18.Oktober hatte Kennedy ein Treffen mit dem sowjetischen Außenminister Andrei A.Gromyko im Weißen Haus. Gromyko befand sich seit diesem Tage wegen der New Yorker UNO-Vollversammlung in den USA. Man überlegte sich, ob man Gromyko mit der Entdeckung der Raketen konfrontieren oder dieses Wissen weiter geheim halten sollte. Die Raketenfotos lagen griffbereit in der Schreibtischschublade. In dem Gespräch mit Gromyko las Kennedy dem Außenminister nochmals die Erklärung vom 4.9.vor, in der von „schwersten Konsequenzen" die Rede war. Gromyko versicherte nochmals, dass die sowjetische Präsenz auf Kuba – die Techniker und Soldaten – rein defensiven Charakter habe. Über Raketen wurde nicht gesprochen. (41)
Die ersten 16 SS-4-Mittelstreckenraketen auf Kuba erreichten am selben Abend eine „emergency operational capability", innerhalb von 18 Stunden seien sie einsatzbereit zum Abschuss, so die CIA (42). Es musste also sehr bald gehandelt werden. Zum Stichtag, mit dem Wissen über die Raketen an die Weltöffentlichkeit zu gehen und die Seeblockade gegen sowjetische Schiffe mit Kurs auf Kuba zu verhängen, wurde der 22.Oktober bestimmt. Alles wurde für diesen Tag minutiös geplant. Der Ernst der Situation sollte in voller Schärfe deutlich werden. Der Präsidentenberater Theodore C.Sorensen entwarf die Fernsehansprache Kennedys nach dem Muster der Ansprachen von Woodrow Wilson und Franklin D.Roosevelt, mit denen sie den Ersten bzw. Zweiten Weltkrieg erklärten (43). Der Dritte Weltkrieg, er sollte an diesem Tag greifbar werden wie nie zuvor. Der Präsident versammelte seine Familie im Weißen Haus, damit sie im Notfall alle zusammen waren (44). Ein Helikopter stand bereit, sie alle in den geheimen Atombunker Mount Weather in Virginia zu fliegen (45).

6. Die Blockade: Tage zwischen Krieg und Frieden:
Wie geplant startete der Propaganda-Countdown am Montag Vormittag, dem 22.Oktober: Um 10 Uhr bat die US-Regierung Großbritannien und Kanada, gegenüber Flugzeugen mit dem Ziel Kuba die Überflugrechte zu stornieren. Eine Stunde später ergingen Warnungen an die Innenministerien von Staaten Lateinamerikas und an die Phillipinen, es könnte in wenigen Stunden zu Volksaufständen kommen. Rechten Diktatoren wurde seitens der US-Botschaften und der CIA Hilfe zugesichert (besonders in Bolivien, Chile und der Dominikanischen Republik). In Italien, in der Türkei und auf anderen US-Stützpunkten wurden verschiedene Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet. Um 12 Uhr wurde eine Fernsehansprache des US-Präsidenten für 19 Uhr angekündigt. Eine halbe Stunde später erging der Befehl, zusätzliche Truppen an den Atlantik zu verlegen. Das taktische Luftkommando in Florida begann damit, Warteschleifen zu fliegen. Angehörige von US-Soldaten wurden aus dem Stützpunkt Guantanamo in Kuba (das letzte verbliebene US-Hoheitsgebiet auf der Insel) ausgeflogen. Für das Strategische Luftkommando, das sind die Atombomber und Atomraketen, wurde die Alarmstufe DEFCON II (Defense Condition 2) ausgerufen, zum ersten Mal seit 1945 (DefCon 1 bedeutet Krieg). Jeder achte B-52-Bomber startete voll bestückt mit Atom- und Wasserstoffbomben, um in großer Höhe fliegend auf den Einsatzbefehl zu warten. Die Logbücher für die Startvorbereitung der Interkontinentalraketen der Typen Atlas und Titan wurden ausgegeben (46). Um 14 Uhr startete der sowjetische Außenminister Gromyko von New York aus zu seinem Rückflug nach Moskau. Bei den Beratern im ExComm herrschte Nervosität. Hat er etwas gemerkt ? Wird er den USA zuvor kommen, die Stationierung selber bekannt geben, vor Gegenreaktionen warnen ? Das würde den Fahrplan durcheinander bringen. Um 15 Uhr traf sich das ExComm zu einer Beratung über die richtige Argumentation. Um 17 Uhr wurden die Top-Journalisten von „New York Times" und „Washington Post" auf die offiziellen Sprachregelungen eingeschworen. Die wichtigsten Politiker von Senat und Repräsentantenhaus wurden unterrichtet, einige in überschallschnellen Kampfjets der US Air Force nach Washington gebracht. Um 18 Uhr wird der sowjetische Botschafter Anatoli Dobrynin von US-Außenminister Dean Rusk über die Entdeckung der Raketen informiert, ohne dass Dobrynin selber schon davon gewusst hatte. „Aschfahl" verließ er das Büro. Zur selben Zeit übergibt auch der US-Botschafter in Moskau, Foy D.Kohler, im Kreml den Text der Kennedy-Ansprache und einen Brief Kennedys an Chrustschow. 15 weitere verschiedene Briefe Kennedys gingen an 441 Adressaten weltweit, außerdem mündliche Instruktionen an 95 Botschafter in Washington. Um 19 Uhr schließlich begann die Fernsehansprache. Der Präsident sagte, die USA hätten auf Kuba Mittelstreckenraketen entdeckt. Sie seien in der Lage, Washington D.C., den Panama Kanal oder Mexiko City anzugreifen, weitere Zwischenstreckenraketen könnten Hudson Bay in Kanada oder Lima in Peru treffen. Dies sei eine explizite Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit aller Amerikaner. Die Sowjetunion bezichtigte er der mehrfachen Lüge. Auch Gromyko klagte er als Lügner an, da er versichert habe, es gebe nur defensive Waffen. Um den Aufbau der Raketen zu stoppen, sei eine „Quarantäne" – eine Blockade – gegen alle Schiffe verhängt, die offensives militärisches Gerät nach Kuba bringen. Alle derartigen Schiffe würden zur Umkehr gezwungen. Dann wörtlich: „Ich appelliere an den Vorsitzenden Chrustschow, diese verheimlichte, rücksichtslose und provokative Bedrohung des Weltfriedens zu beenden...Er hat jetzt die Gelegenheit, die Welt vom Abgrund der Vernichtung wegzuführen." (47) Es folgte die amerikanische Nationalhymne. Vor Kuba lag zu diesem Zeitpunkt bereits das Kriegsschiff „Essex" gefechtsbereit. Die Matrosen wussten bis dahin nicht, ob es sich um einen realen Alarm oder eine Übung handelte. Aber jetzt brach lauter Jubel aus. (48) Im New Yorker Madison Square Garden versammelten sich 8000 Anhänger der Conservative Party und riefen „Fight ! Fight ! Fight !" Ein Schulmädchen aus Massachusetts schrieb dagegen ihrem Freund : „Can you imagine not seeing another Christmas, Thanksgiving, Easter, birthday, dance, or even Halloween ? ...We‘re just too young to die." (49)
In Moskau wurde eine Präsidiumssitzung einberufen. Zunächst verkannte man den Ernst der Lage. In der „Quarantäne" wurde Raum für politische Manöver gesehen oder es wurde gedeutet, dass Kennedy sich bereits mit den schon installierten Raketen auf Kuba abgefunden habe. Es wurden zwei Arbeitsgruppen gebildet. Die eine Gruppe im Zentralkomitee wurde von Jurij Andropov geleitet, die andere im Außenministerium von Gromyko. Letztere hatte die Aufgabe, Briefe Chrustschows an Kennedy zu überarbeiten, bevor sie an das ExComm telegraphiert wurden. Chrustschows Strategie war zunächst, Härte zu zeigen und Kennedy zu Konzessionen als Gegenleistung für einen Abzug zu zwingen. In einer ersten Erklärung des Kreml am 23.10. wurde Kennedy wegen der Seeblockade der „Piraterie" und einer Verletzung des Völkerrechts beschuldigt, die Blockade als „ausgesprochenes Banditentum" und „eine Verrücktheit des degenerierten Imperialismus" bezeichnet. „Katastrophale Folgen für den Weltfrieden" wurden angedroht. Zugleich wurden die Truppen des Warschauer Paktes in Europa in Alarmbereitschaft versetzt. Für Soldaten wurde eine Urlaubssperre verhängt. Im japanischen Hiroshima, 1945 das erste Ziel einer amerikanischen Atombombe, teilte die sowjetische Nachrichtenagentur TASS mit, bei einem Angriff auf sowjetische Schiffe würden US-Schiffe versenkt. (50) Funksprüche befohlen zugleich die Rückkehr von 16 Schiffen, die nach Kuba unterwegs waren, davon eines mit Atomsprengköpfen, die „Poltava". Die „Alexandrowsk" dagegen, ein Schiff mit 24 Atomsprengköpfen an Bord, konnte noch in Kuba entladen. Das Schiff hatte gerade noch die Blockadelinie überqueren können, bevor sie geschlossen wurde.
An der Blockade 500 Seemeilen vor der kubanischen Küste beteiligten sich 183 Schiffe der US Navy, darunter 20 Zerstörer, 579 Flugzeuge und über 140 000 Soldaten (51). Am Abend des 23.10., als der Blockadering geschlossen war, konkretisierte dann das ExComm seinen Maßnahmenkatalog: Kommt ein Frachter einem Haltebefehl nicht nach, ist er manövrierunfähig zu feuern. Nach Möglichkeit sollte aber weder der Frachter versenkt, noch Besatzungsmitglieder getötet werden. Gegebenenfalls käme in Betracht, den Frachter nach Florida oder Georgia abzuschleppen.
In Moskau versuchte man derweil, Normalität vorzutäuschen. Chrustschow, Mikoyan, Kosygin, Kozlov und Breschnew besuchten am Abend die Aufführung eines amerikanischen Opern-Ensembles im Bolschoi-Theater (52). Nachher besuchten sie demonstrativ den Bassisten Jeromy Hines in dessen Garderobe. Die informellen Kontakte gingen auf sowjetischer Seite auch am nächsten Tag, dem 24.10., weiter. Der Präsident des US-Konzerns Westinghouse Electric International, William Knox, der sich in Moskau aufhielt, wurde von Chrustschow in den Kreml eingeladen. Er sollte Kennedy folgende Botschaft übermitteln: Auf Kuba gebe es Atomsprengköpfe, aber sie seien alle unter sowjetischer Kontrolle. Ein Abfeuern sei nur auf persönlichen Befehl hin möglich. Auf keinen Fall werde die Sowjetunion als Erste Atomwaffen einsetzen (53). ; Des Weiteren schrieb Chrustschow einen offenen Brief an den britischen Philosophen und Pazifisten Bertrand Russell. Darin zeigte Chrustschow seine Bereitschaft zu einem Gipfeltreffen mit Kennedy, wenn die USA keine Gewalt gegen sowjetische Schiffe anwende.
Die amerikanische Seite reagierte zurückhaltend. Während eines Gipfeltreffens könnte die UdSSR ungehindert die Aufbauarbeiten in Kuba fortsetzen, bis die Bedrohung vollständig wäre – und dann entsprechende Forderungen stellen wie geplant. In der Tat schien weiter alles auf eine Konfrontation der Supermächte auf dem Atlantik hinauszulaufen.
Am 25.10. gegen 7 Uhr 15 erreichte das erste sowjetische Schiff die Sperrzone. Es war der Tanker „Bucharest". Er wurde von der „USS Gearing" gestoppt. Der Kapitän der „Bucharest" versicherte, es sei nur Öl an Bord. Die Amerikaner verzichteten auf eine Durchsuchung und ließen die „Bucharest" weiterfahren. Zuvor hatte McNamara den Befehlshaber der Blockade, Admiral George Anderson, angewiesen, dafür zu sorgen, dass die Sowjets möglichst nicht gedemütigt werden sollten. Man fürchtete im ExComm, ein Wutanfall könnte Chrustschow dazu verleiten, die Raketen zu starten. Es war ein Spiel mit dem Feuer. Schon bald nach der „Bucharest" näherte sich das nächste Schiff. Es war ein Passagierschiff, das DDR-Schiff „Völkerfreundschaft" mit 1500 Menschen an Bord. Touristen ? Oder waren es Raketenexperten, Soldaten ? Die „Völkerfreundschaft" konnte passieren.
Eine Konfrontation der Supermächte gab es aber unterdessen auf dem diplomatischen Parkett. Denn im UNO-Sicherheitsrat in New York trafen am 25.10. die UNO-Botschafter der UdSSR und der USA, Walerjan Sorin und Adlai Stevenson, aufeinander. Stevenson konfrontierte Sorin, der immer noch die Raketen leugnete, mit den Aufklärungsfotos. Er fragte Sorin, ob er weiter die Raketen leugne. „Yes or no ? Don‘t wait for the translation ! Yes or no ?" Sorin antwortete: „I am not in an American courtroom, sir, and I do not wish to answer a question put to me in the manner in which a prosecutor does." Stevenson : „You are in the courtroom of world opinion right now, and you can answer yes or no." Sorin sagte, er werde die Antwort zur gegebenen Zeit bekommen. Stevenson daraufhin : „I am prepared to wait for my answer until hell freezes over..." (54)
Im Morgengrauen des Freitags, 26.10., um 7 Uhr 50 wurde der erste Frachter an der Sperrzone angehalten und auch durchsucht. Mit Bedacht war es kein direkt sowjetisches Schiff, sondern die „Marucla". Sie war lediglich von der UdSSR gechartert, fuhr aber unter der Flagge des Libanon und gehörte einer Reederei in Panama. Die Inspektion der „Marucla" durch die „Joseph P. Kennedy, Jr." verlief ohne Zwischenfälle. Da keine Waffen an Bord waren, konnte die „Marucla" Kuba ansteuern.
Ansonsten wurden am 26.10. verschiedene Versuche eingeleitet, die Situation auf diplomatischer Ebene zu entspannen. UNO-Generalsekretär U Thant bat die Sowjetunion und die USA, für einige Tage entlang der Blockadelinie jede Konfrontation zu vermeiden. In dieser Frist sollten vorbereitende Verhandlungen auf unterer Ebene für eine Lösung der Krise beginnen. Chrustschow billigte den Vorschlag. Keine weiteren sowjetischen Schiffe sollten sich der „Death Line" nähern. Das war aber auch gar nicht mehr notwendig, denn ein beachtliches Arsenal von Raketen wurde ja bereits auf Kuba startklar gemacht bzw. war schon einsatzbereit. Während der „Friedensfrist" hätten diese Aufbauarbeiten ungestörter als zuvor durchgeführt werden können. Diese Gefahr erkannte auch John F.Kennedy. Nur 48 Stunden wollte er deshalb stillhalten. Danach sahen die Krisenmanager im ExComm drei Optionen:

ein Geschäft mit der Sowjetunion : Abzug der Raketen aus Kuba, als Gegenleistung Abzug von US-Raketen aus der Türkei und Italien
eine Ausdehnung der Blockade auf Petroleum und Schmieröl, um Kubas Waffensysteme von jeglichem Treibstoff abzuschneiden und innerhalb von sechs Monaten die Wirtschaft zum Kollaps zu bringen
ein Luftangriff gegen die Raketenstellungen (55)
Besonders die zweite und dritte Option bargen Gefahren in sich. Würde Kuba vollständig blockiert, wäre die UdSSR als Schutzmacht im Zugzwang. Die Gefahr würde steigen, dass die UdSSR ihrerseits den Druck erhöht, etwa mit einer Gegenblockade vor West-Berlin. Und ein Luftangriff würde verschiedene militärische Gegenreaktionen provozieren, die schließlich in einem Atomkrieg eskalieren könnten. Die Militärstrategen im ExComm, die „Falken", drängten auf Lösung Nummer Drei, ja sogar auf eine umfassende Invasion Kubas innerhalb der nächsten Tage. Zehn Kampftage und 18 500 Opfer auf amerikanischer Seite wurden für eine solche Invasion „veranschlagt". In Florida marschierten bereits 100 000 Soldaten auf. Die Flugzeugträger „USS Enterprise" und „USS Independence" nahmen Kurs auf Kuba.
Der Präsident wollte einen solchen Ausgang vermeiden, wenn es eben ginge – aber er stand auch unter dem Druck der eigenen „Hardliner".
Im Verborgenen arbeiteten die Geheimdienste an akzeptablen Lösungen. So trafen sich am 26.10. der KGB-Oberst Alexander Fomin und der diplomatische Korrespondent des US-Fernsehsenders ABC, John Scali, in Washington „hinter verschlossenen Türen". Auf eigene Initiative und ohne Anweisung Chrustschows – wie inzwischen bekannt (56) – äußerte Fomin gegenüber Scali, die UdSSR sei bereit, die Raketen abzubauen und für immer unter Aufsicht der Vereinten Nationen zu entfernen, falls die USA öffentlich erkläre, nicht in Kuba einzumarschieren. Scali informierte US-Außenminister Dean Rusk. Dieser sah „real possibilities", aber sagte auch „time is very urgent" (57). Unabhängig von der Anregung Fomins traf am Abend des 26.10. im Außenministerium ein Brief Chrustschows mit ähnlichem Inhalt ein. In sehr emotionaler, fast Furcht signalisierender Sprache wurde vom „Schicksal der Welt" gesprochen. Sollte der Krieg ausbrechen, könnte er nicht mehr gestoppt werden. Dann machte er – mit Verweis auf UNO-Generalsekretär U Thant – folgenden Vorschlag: für eine begrenzte Zeit verzichtet die UdSSR auf den Transport jeglicher Waffen nach Kuba. Die USA verzichtet auf die gewaltsame Durchsetzung der „Quarantäne". Während des vereinbarten Zeitraums sollten dann Verhandlungen geführt werden. Und falls die USA erklären sollten, nicht in Kuba einzumarschieren, sei ein Abbau der Raketen vorstellbar. (58); Inzwischen weiß man, dass dieser kompromissbereite Brief Chrustschows beeinflusst war von Meldungen des KGB, eine amerikanische Invasion auf Kuba stehe unmittelbar bevor. Der sowjetische und der kubanische Geheimdienst zogen diesen Schluss durch die Beobachtungen im Karibischen Meer, wo sich unter anderem die „USS Enterprise" Kuba näherte. Gingen die USA nun auf diesen Brief ein und würden die Invasionsvorbereitungen zumindest unterbrechen, dann wäre er, Chrustschow, im Vorteil, solange die Einsatzbereitschaft der Raketen in Kuba durch die laufenden Arbeiten immer weiter erhöht wurde (59). Deshalb hieß es wohl auch in diesem Brief bezeichnenderweise : „The weapons necessary for the defense of Cuba are already there." Je mehr Chrustschow von Kuba aus drohen konnte, desto mehr könnte er später als Gegenleistung für einen Abzug verlangen. Auf amerikanischer Seite sah man diese Gefahr. Andererseits machte der Brief auch Hoffnung. Dean Rusk und sein Staatssekretär George Ball sahen einen „sich kauernden" „beunruhigten" Chrustschow und Ex-Außenminister Dean Acheson fand den Text „beinahe rührselig", entweder sei Chrustschow „besoffen oder in Panik". (60) Nach 22 Uhr entschied das ExComm, den Vorschlag Chrustschows als ehrliches Angebot zu betrachten (61). Gleich danach führte Robert Kennedy ein Gespräch mit dem sowjetischen Botschafter Anatoli Dobrynin. Dobrynin wies darauf hin, dass in der Türkei US-Raketen vom Typ Jupiter stationiert seien, die die UdSSR bedrohten. Robert Kennedy konnte Dobrynin mitteilen, dass der Präsident bereit sei, diese Raketen in eine beiderseitige Lösung der Kubakrise mit einzubeziehen. Es schien sich wirklich ein Ende der Krise anzudeuten, mehr schon als ein Lichtblick am Ausgang des Tunnels.

7. Der Schwarze Samstag: Die Welt am Abgrund:
Wenn da nicht plötzlich Ereignisse gewesen wären, die alles wieder umgedreht hätten. Am 27.Oktober, dem so genannten „Schwarzen Samstag", schien alles zu eskalieren. Zunächst erschien noch in der Nacht zum Samstag Fidel Castro in der sowjetischen Botschaft in Havanna. Er telegraphierte Chrustschow, was dieser schon ahnte und fürchtete, nämlich eine in kürzester Zeit bevorstehende Invasion. Er versicherte, die Kubaner würden sich wehren. Er forderte die Sowjetunion auf, eine Invasion der USA auf Kuba mit einem Atomangriff auf die USA zu beantworten.(62) Zugleich befahl er gegen den Einspruch des sowjetischen Botschafters, alle eventuellen US-Flugzeuge im Luftraum über Kuba abzuschießen. – Am Morgen des 27.10. meldete die CIA auf Grund von Aufklärungsflügen, alle sechs Abschussrampen seien einsatzbereit, außerdem 24 Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen innerhalb von 6 bis 8 Stunden abschussbereit. In der Sitzung des ExComm, die um 10 Uhr begann, war man sich einig, dass eine endgültige Entscheidung in höchstens zwei Tagen fallen müsste, wenn nicht viel eher. Eine weitere ernste Meldung platzte in die Sitzung: ein U 2-Aufklärungsflugzeug war über Alaska vom Kurs abgekommen und geriet über der sibirischen Halbinsel Chukot in sowjetischen Luftraum. Das sowjetische Militär musste vermuten, dass dies ein letzter „Spähflug" sein könnte, um die Ziele eines atomaren Überraschungsangriffs zu bestimmen. MiG-Abfangjäger stiegen auf. US-Verteidigungsminister McNamara schrie : „Dies bedeutet Krieg mit Russland !", John F Kennedy sagte : „Irgendein Idiot muss immer alles vermasseln." Der Pilot wurde jedoch von den sowjetischen MiGs nicht abgeschossen, sondern zurück nach Alaska gelotst. (63) Die Anspannung im ExComm war jedoch inzwischen fast unerträglich geworden.
Und es kam noch Schlimmer. Kurz nach 10 Uhr traf auch die Nachricht ein, Chrustschow habe öffentlich über Radio Moskau einen neuen Brief an Kennedy verbreitet. In diesem Brief, der förmlicher und auch selbstbewusster gehalten war als der noch nicht beantwortete Brief vom Vortag, erklärte Chrustschow, die UdSSR werde die Kuba-Raketen nur abziehen, wenn die USA ihrerseits die Jupiter-Raketen aus der Türkei abzögen (64). Offenbar war dieser Brief als Konkretisierung gedacht und als Reaktion auf das Gespräch zwischen Robert Kennedy und Anatoli Dobrynin am Abend zuvor. Auch schien eine US-Invasion für den Kreml inzwischen doch noch nicht so schnell bevor zu stehen, so dass die Passage mit dem Raketentausch einfach nachgeschoben wurde. Bei den „Falken" im ExComm löste der neue Brief dagegen Empörung aus. Erst war von den Jupiter-Raketen in der Türkei keine Rede gewesen, jetzt plötzlich doch ! Warum dieser spontane Sinneswandel im Kreml ? War Chrustschow am Ende inzwischen abgesetzt, gab es einen Putsch in Moskau ? Die Vereinigten Stabschefs, allen voran General Maxwell Taylor, verlangten nun um so mehr einen massiven Luftangriff und eine Invasion, und zwar nicht später als Montag morgen, also in weniger als 48 Stunden.
In diesem Moment wurde eine weitere Hiobsbotschaft in die laufende Sitzung gereicht: es gab den ersten Toten. Ein U-2-Aufklärungsflugzeug ist von einem kubanischen Luftabwehrgeschütz zum Absturz gebracht worden. Der Pilot, Major Rudolph Anderson, der auch die entscheidenden Fotos am 14.Oktober gemacht hat, war sofort tot. Ein untergeordneter sowjetischer Kommandeur hat den Abschussbefehl erteilt, nachdem er seinen Vorgesetzten nicht erreichen konnte (65). Im ExComm dagegen wurde fälschlicherweise angenommen, es handle sich um eine grundsätzliche neue Stufe der Eskalation auf sowjetischer Seite. Die Militärs sahen für einen solchen Fall die Zerstörung einer kubanischen Luftabwehrstellung durch einen Bomber der Air Force vor. Gegebenenfalls kam auch eine erneute Aktion gegen ein sowjetisches Schiff an der Blockadelinie in Betracht. (66) Zur fraglichen Zeit näherte sich der sowjetische Tanker „Grazzny" (=Donner, Gewitter). Der Präsident dagegen fürchtete weitere Eskalationen und die Gefahr eines neuen Weltkrieges. Doch der Druck der Militärs und der CIA wurde immer größer. Paul Nitze (Staatssekretär), John McCone, C.Douglas Dillon (Finanzminister) und General Taylor drängten mit „absoluter Überzeugung" (O-Ton Dean Rusk) auf Luftangriffe. Die Angriffe sollten mindestens alle Raketenstellungen und sowjetischen Militärbasen auf Kuba zum Ziel haben, möglicherweise aber auch Industriestandorte, Häfen usw. An eine Reaktion Chrustschows glaubten sie nicht. Ein oder zwei Tage später sollte dann die Invasion folgen. Beginn dieser ganzen Operationen: der 29.Oktober. US-Verteidigungsminister McNamara warnte vor gravierenden Folgen eines solchen Plans: Auf eine Invasion Kubas werde die Sowjetunion mit Luftangriffen auf die Jupiter-Raketen in der Türkei reagieren. Dies wiederum würde beantwortet werden müssen mit amerikanischen Luftschlägen gegen sowjetische Luftwaffen- und Marinestützpunkte am Schwarzen Meer, auf sowjetischem Territorium !
Auch der Präsident sagte, die Konsequenzen eines Luftangriffs auf Kuba seien „very grave and very bloody." Trotzdem beugte er sich den Hardlinern. Es sollte ein letzter diplomatischer Versuch unternommen werden : der Präsident wollte den ersten, für die USA positiveren und versöhnlicheren Brief beantworten und das dortige Angebot annehmen: Abzug der Kuba-Raketen, als Gegenleistung das Versprechen, nicht einzumarschieren. Den zweiten Brief dagegen mit den Jupiter-Raketen wollte man einfach ignorieren. Ginge die sowjetische Seite bis Montag nicht darauf ein, dann sollten die Luftangriffe und die Invasion beginnen. Eine wirkliche Chance, den Krieg noch zu vermeiden, sahen die Verantwortlichen im ExComm nicht mehr. John F.Kennedy verteilte versiegelte Briefe an die Mitglieder des Gremiums. Sie enthielten Anweisungen für sie selbst und ihre Familien. Die Anweisungen betrafen ihre Evakuierung aus Washington in einen nicht näher bezeichneten Atombunker bzw. eine Kriegs-Kommandozentrale. (67)
Der Präsident verließ am Abend die Sitzung zutiefst besorgt. Er dachte an Hunderte von Millionen Menschen, für die er sich verantwortlich fühlte. McNamara blickte draußen in den Abendhimmel und fragte sich, ob er noch jemals einen Samstag erleben werde.
Die Zeichen standen zweifellos auf Krieg. Schon mehrmals war das atomare Inferno in diesen Tagen nur noch Minuten entfernt, wie man inzwischen weiß. So startete am 26.10. um 4 Uhr morgens vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien aus eine Atlas-Interkontinentalrakete. Sie trug keinen Atomsprengkopf, denn es war ein Test, über den Washington allerdings nicht informiert worden war. Immerhin befand sich die Basis auf DefCon 2. Die Sowjets hätten den Teststart falsch interpretieren können. Auf einer Basis in Minnesota löste am 25.10. ein verirrter Bär, der über einen Zaun kletterte, einen Sabotagealarm aus. Durch die Vernetzung der Basen wurde auch andernorts Alarm ausgelöst. Dabei ertönte auf Volk Field in Wisconsin fälschlicherweise die Sirene für den Beginn eines Atomkriegs. Sofort starteten die Piloten ihre Düsenjäger, die mit Kernwaffen bestückt waren. Ein Offizier fuhr mit seinem Auto auf die Startbahn und gab mit den Scheinwerfern Zeichen, um den Fehler anzudeuten. Am gefährlichsten war jedoch ein Zwischenfall am „Schwarzen Samstag" um 9 Uhr. In einer Frühwarnstation in Moorestown in New Jersey wurde routinemäßig eine Computersimulation durchgeführt, die einen Raketenangriff aus der Karibik annahm. Es sollte damit getestet werden, ob der Computer automatisch auf die nächst höhere Alarmstufe schaltet. In genau dem Moment jedoch, als dies geschah, erschien auch ein Satellit über Kuba am Radarhorizont. Das Personal wusste nicht mehr, was Realität war und was nicht. Wie im Krieg wurde die atomare Kommandozentrale NORAD in Colorado Springs informiert, in Kuba sei eine Rakete gestartet. Laut Berechnungen war das Ziel Tampa in Florida und der Einschlag um 9 Uhr 02 zu erwarten. Von Colorado Springs aus wurden das SAC (Strategic Air Command) in Omaha, Nebraska und das Pentagon informiert, ein Atomangriff auf Florida sei im Gange, gerade, als es 9 Uhr 02 wurde. Nach Rückfragen in Tampa stellte man fest, dass dort keine Atombombe detoniert war. (68)
Nun, am Abend des 27.10., planten maßgebliche Kreise des US-Militärs ihrerseits einen umfassenden atomaren Präventivschlag gegen die Sowjetunion. Führend dabei war der ehemalige Oberbefehlshaber des Strategischen Luftkommandos, General Curtis Le May, über den es den Reim gab „Bombs away with Curtis Le May". Er hielt einen Atomkrieg für gewinnbar und sprach sich für einen Einsatz von Atomwaffen zur Lösung der Kubakrise aus (69). Außerdem gab es da den damals amtierenden Befehlshaber des SAC, General Thomas Power, der sagte : „Zurückhaltung ? Warum ist es Ihnen so wichtig, den Russen das Leben zu retten ? Es geht doch gerade darum, die Kerle zu töten. Wenn bei Kriegsende zwei Amerikaner und ein Russe am Leben bleiben, dann haben wir gewonnen." (70) Im Geheimen wurde eine „Operation Armageddon" vorbereitet, ein präventiver Atomschlag gegen die Sowjetunion mit dem gesamten Arsenal der amerikanischen nuklearen und thermonuklearen Waffen, etwa 2500 Sprengköpfe, mit 200 bis 500 Millionen Toten. In den USA selbst sollte zeitgleich ein Militärputsch US-Präsident Kennedy entmachten. Dies spekuliert Bernd Greiner, zum Teil mit Rückgriff auf – allerdings problematische – Passagen der Memoiren von Chrustschow (71).

8. Lösung der Krise:
John F.Kennedy wusste wohl, dass er den „Falken" im ExComm nicht so recht trauen konnte. Im Oval Office sagte er im engsten Kreis (Dean Rusk, McGeorge Bundy, Theodore Sorensen und Llewellyn Thompson) zu seinem Bruder Robert, der ein Gespräch mit Dobrynin vor sich hatte: er solle Dobrynin nicht nur das Ultimatum stellen, dass die Sowjetunion bis Montag auf der Grundlage des Briefes vom Freitag mit dem Abzug der Raketen zu beginnen habe. Sondern er solle Dobrynin zusätzlich vertraulich mitteilen, dass die USA die Jupiter-Raketen aus der Türkei ebenfalls abziehen würden. Dies war ein Alleingang Kennedys gegen die herrschende Meinung eines großen Teils der Mitglieder im ExComm.
Robert Kennedy überbrachte dem sowjetischen Botschafter am Abend im Justizministerium diese Mitteilungen. Der Abzug der Raketen aus der Türkei dürfe aber nicht Teil eines offiziellen Abkommens werden. Auch dürfe die Sowjetunion den Abzug ihrerseits nicht vorzeitig öffentlich machen. Diese Vorkehrungen schienen dem Kreis um Kennedy notwendig, um nicht andere Mitglieder der NATO zu verprellen (die ja zu dem Vorgang nicht angehört wurden) und wohl auch aus innenpolitischen Gründen. Zum Schluss sagte Robert Kennedy zu Dobrynin : „Time will not wait."
Zusätzlich sollte – was Dobrynin nicht wusste – UNO-Generalsekretär U Thant am Sonntag selber den Vorschlag des „Raketentauschs" (Kuba-Raketen gegen Türkei-Raketen) machen, falls die Sowjetunion bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht positiv antworten würde. Dann könnte die US-Regierung in Zukunft immer sagen, der Vorschlag sei von der UNO gekommen und es sei kein Diktat der Sowjetunion.
Im Kreml herrschte sehr große Angst, dass tatsächlich der Dritte Weltkrieg direkt bevorsteht. In Novo-Ogarevo wurde Chrustschow am Sonntag morgen kurz nach Erhalt des Dobrynin-Berichts mit dem „Ultimatum" Robert Kennedys darüber informiert, dass der US-Präsident eine Fernsehansprache für 17 Uhr Moskauer Zeit angekündigt habe. Jeder in der Sowjetführung hielt das für die Kriegserklärung an die Sowjetunion. Dann berichtete auch noch der KGB, John F.Kennedy sei in die Kirche gegangen. Chrustschow und seine Genossen waren irritiert. War dies ein Präludium für einen Atomangriff ? Wollte Kennedy vorher noch einmal beten ? „Die Welt hing an einem Faden", wird Chrustschow später im Präsidium sagen. Bereit, allem zuzustimmen, wurde eiligst eine Radiobotschaft vorbereitet. Am Sonntag morgen um 9 Uhr Washingtoner Zeit meldete dann Radio Moskau, dass die sowjetische Regierung die Anweisung erteilt habe „die Waffen, die Sie als ‚offensiv‘ bezeichnen, zu demontieren, zu verpacken und wieder in die Sowjetunion zurückzubringen." In den USA atmete man erleichtert auf. Der drohende Krieg schien abgewendet. (72)
Über den Sender „Voice of America" erklärte Präsident Kennedy sein Einverständnis. Es sollten auch keine Schiffe mehr an der Blockadelinie gestoppt werden. Die akute Phase der Kubakrise war zu Ende.
Die Nachgeschichte lässt sich kurz zusammenfassen: Die Raketen wurden abgebaut und Anfang November von sowjetischen Schiffen zurückgebracht in die UdSSR. Castro war in Rage wegen dieses „Verrats", nannte Chrustschow einen „Dreckskerl, Bastard, Arschloch" (73). Chrustschow versuchte im Nachhinein noch etwas für sich auszuhandeln, z.B. einen Abzug der US-Truppen aus Guantanamo Bay, eine Lösung der Deutschlandfrage oder ein neues Gipfeltreffen, aber ohne Erfolg (74). Im Kreml sank der Stern Chrustschows. Er galt als Versager in Kuba. Die UdSSR war nun konfrontiert mit der extremen strategischen Unterlegenheit gegenüber den USA. Die Aufholjagd im Rüstungswettlauf hatte Einschnitte beim Lebensstandard und die Aufgabe der teuren Agrarprogramme zur Folge. Auf Dauer war Chrustschow nicht mehr haltbar. Im Oktoberplenum 1964 wurde er gestürzt.
John F.Kennedy dagegen konnte die Lösung der Kubakrise als Sieg verkaufen. Bei den Kongresswahlen gewannen die Demokraten. Die Popularität Kennedys stieg fast kometenhaft und eine große Zukunft schien ihm noch bevor zu stehen. Sie endete jäh im November 1963, als der US-Präsident Opfer eines bis heute rätselhaften Attentats wurde.

9. Resümee:
Abschließend lässt sich sagen, dass die Eskalation während der Kubakrise von den Anfängen bis in ihre akute Phase hinein, bis zum „Schwarzen Samstag", die reale Gefahr eines Krieges immer weiter gesteigert hat. Dies lässt sich vor dem Hintergrund der inzwischen bekannt gewordenen Quellen deutlicher denn je feststellen. Was wohl vor allem zur Eskalation beigetragen hat, war die ständige Annahme, der Gegner sei aggressiv und plane bereits den nächsten Schritt der Steigerung. Und dies war nur bedingt richtig. Chrustschow nahm an, die Jupiter-Raketen in der Türkei seien aufgestellt worden, um mittelfristig einen nuklearen Präventivschlag gegen die Sowjetunion auszuführen. In Wirklichkeit sollten sie bereits im Dezember 1960 abgebaut werden (75), nur wurde dies dann versäumt. Kennedy und vor allem die „Falken" im ExComm wiederum glaubten, der Abschuss des U 2-Piloten über Kuba sei eine bewusst geplante Eskalation seitens der UdSSR. In Wirklichkeit war es ein Fehler aufgrund von Problemen in der Koordination. Immer wurde eine größere Aggressivität des Gegners angenommen, als dies tatsächlich der Fall war. Eine solche ständige Annahme führt in globale Krisen und auch in globalen Rüstungswettlauf. Zur Durchbrechung dieses verhängnisvollen Kreislaufs hilft eine konsequente Verständigung. Eine „hot line", eine telefonische Direktverbindung, wie sie 1963 zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml eingerichtet wurde, war ein erster Schritt dahin. Aber es dauerte noch fast weitere dreißig Jahre, bis der Kalte Krieg endgültig vorbei war, ein Krieg, den wir laut Richard Ned Lebow alle verloren haben („We all lost the Cold War").

(1) „Es wird die Politik dieser Nation sein, jede von Kuba aus gegen irgendeine Nation in der westlichen Hemisphäre gestartete Nuklearrakete als einen Angriff der Sowjetunion auf die Vereinigten Staaten zu betrachten, welcher einen Vergeltungsschlag in voller Stärke auf die Sowjetunion erfordert." US-Präsident John F.Kennedy in der Fernsehansprache am 22.10.1962
(2) Howard Thrivers, Three Crises in American Foreign Affairs and a continuing revolution. Carbondale, Edwardsville 1972, S. 85 (zit.Thrivers)
(3) Theodore C.Sorensen, Kennedy vindicated, in: Robert A.Divine, The Cuban Missile Crisis. The Continuing Debate. New York 1988, S.197-202, hier S.198 (zit.Divine / Sorensen)
(4) so der Titel eines Buches von Robert F.Kennedy, Dreizehn Tage. Die Verhinderung des Dritten Weltkriegs durch die Brüder Kennedy. deutsch von: Irene Muehlon, Bern, München, Wien 1969 (zit.Kennedy) ; außerdem ist „Thirteen Days" auch der Titel eines Films über die Kubakrise mit Kevin Costner, Kinostart in Deutschland am 22.3.2001
(5) seit der Öffnung der UdSSR unter Gorbatschow (Glasnost) sind zahlreiche bislang unter Verschluss gehaltene Quellen zur Kubakrise zugänglich geworden. Es handelt sich im Einzelnen: auf Seiten der USA um freigegebene Dokumente des National Security Council, des State und des Defense Departements sowie der CIA und um Transkripte der Excomm-Tape-Recordings ; auf Seiten der UdSSR u.a. um die Korrespondenz Chrustschow – Castro und die Aufzeichnung des Telefonverkehrs zwischen der sowjetischen Botschaft in Washington und dem Kreml ; auf Seiten Kubas um so genannte militia reports und Auszüge aus einem sowjetisch-kubanischen Vertragsentwurf vor der Raketenstationierung – Auch im Zuge der „oral history" und auf amerikanisch-sowjetischen Seminaren der Sloan Foundation wurden viele neue Erkenntnisse gewonnen.
(6) Richard Crockatt, The fifty years war. The United States and the Soviet Union in world politics 1941-1991, London 1995, S.195 (zit.Crockatt)
(7) Michael R.Beschloss: The Crisis Years. Kennedy and Khrushchev 1960-1963 New York 1991, S.96 : „His brother Raul and his colleague Che Guevara were known Marxist-Leninists, but Castro himself had always held back from such open commitment." (zit.Beschloss)
(8) Beschloss S.96
(9) Schon auf dem XX.Parteitag der KPdSU 1956 vertrat Chrustschow die Ansicht, man müsse „nicht westliche" Staaten der Dritten Welt durch Hilfs- und Handelsangebote „auf eine Linie bringen", die in den sozialistischen Block mündet ; entsprechend gab es Wirtschaftshilfen und Offerten an Staaten wie Ägypten, Indien und Indonesien.
(10) Jeremy Isaacs und Taylor Downing, Der Kalte Krieg, deutsch von Markus Schurr u.a. München, Zürich 1999, S.188 (zit.Isaacs)
(11) Beschloss S.106 : „eine bemerkenswerte Arbeit, den Landeplan so zu entwickeln, dass er unspektakulär und still vonstatten geht und im Wesentlichen glaubhaft kubanisch."
(12) Beschloss S.118
(13) Beschloss S.120
(14) Richard Ned Lebow, Janice Gross Stein, We all lost the Cold War, Princeton 1994, S.28f. (zit.Lebow)
(15) Isaacs S.190
(16) Lebow S.24
(17) Lebow S.25
(18) Lebow S.26
(19) Lebow S.27
(20) Khrushchev, Nikita Sergejewitsch „Khrushchev Remembers", Boston 1970-1974, S.509-514 (zit.Chrustschow)
(21) Bernd Greiner, Kuba-Krise. 13 Tage im Oktober: Analyse, Dokumente, Zeitzeugen, Nördlingen 1988, S.20 (zit.Greiner)
(22) Siehe dazu Lebow S.29
(23) Crockatt S.162f.
(24) Lebow S.34
(25) Lebow S.35
(26) „Auf die Frage, was man wohl auf dem Mond finden werde, antwortete ein hochrangiger Angehöriger der US-Luftwaffe: ‚die Russen‘.", Isaacs S.159
(27) Lebow S.40-46 ; auch William R.Tompson „Khrushchev: a political life, Basingstoke 1995, S.247 : bei einem Bulgarien-Besuch im Mai 1962 stand Chrustschow am Strandvon Varna, als sein Verteidigungsminister Marschall Rodion J.Malinovsky ihn darauf hinwies, am anderen Ufer des Schwarzen Meeres seien Raketen gegen sowjetische Städte gerichtet (zit.Tompson)
(28) Lebow S.38
(29) Martin McCauley: Khrushchev and Khrushchevism, Bloomington 1987, S.226 (zit.McCauley) ; Tompson S.248 ; dagegen Lebow S.62: einen Tausch Berlin gegen Kuba, vorgeschlagen vom stellvertretenden sowjetischen Außenminister Vasiliy A.Kuznetsov, habe Chrustschow barsch abgelehnt
(30) Lebow S.48 : „...so they can feel what its like to live in the nuclear gun sites."
(31) Thrivers S.68 : „The Soviets responded, not for Cuban purposes, but for their own."
(32) Lebow S.61
(33) Bis hierhin geschildert bei Lebow S.74-76
(34) Lebow S.84f. ; Crockatt S.161
(35) Crockatt S.161,163
(36) Crockatt S.161-163
(37) Greiner S.236f. ; Bernd Greiner konnte 1988 erstmals einige bis dahin geheim gehaltene Quellen veröffentlichen, darunter die zitierte Richtliniendirektive.
(38) Greiner S.27-29 ; siehe auch Lebow S.27
(39) über die Zahl der Todesopfer spekulierte Robert Kennedy in „Thirteen Days", Kennedy S.23 ; indirekte und direkte Zitate von den Sitzungen im Kabinettsaal sind im Folgenden den ExComm-Tape Recordings entnommen, den Tonbandmitschnitten der Gespräche des Krisenstabes, auszugsweise veröffentlicht in Greiner
(40) dazu McNamara: „Meine persönliche Meinung ist, dass sich überhaupt nichts ändert." und J.F.Kennedy: „Welchen Unterschied macht das schon ? Sie haben ohnehin genug, um uns in die Luft zu sprengen.", so frei übersetzt von Greiner, siehe S.43 und 265-267
(41) Lebow S.111 ; ausführlicher Beschloss S.455-457
(42) Lebow S.107
(43) Beschloss S.460
(44) Beschloss S.469
(45) Beschloss S.471
(46) Lebow S.118 : „Many more nuclear armed B-52 bombers went airborne and as many ICBM missile silos as was possible were raised to full-alert status."
(47) „I call upon Chairman Khrushchev to halt and eliminate this clandestine, reckless, and provocative threat to world peace...He has an opportunity now to move the world back from the abyss of destruction."
(48) Die Ereignisse am 22.10. sind im Detail wiedergegeben bei Greiner S.76-80
(49) „Kannst Du Dir vorstellen, kein Weihnachten, Thanksgiving, Ostern, keinen Geburtstag, keinen Tanz oder auch Halloween mehr zu erleben ?...Wir sind einfach zu jung zum Sterben." Diese Eindrücke sind wiedergegeben in Beschloss S.487
(50) Isaacs S.195 ; Lebow S.116 ; Greiner S.95
(51) Zahlen nach Lebow S.118
(52) Lebow S.113 zitiert dazu aus „Khrushchev Remembers": „..I suggested to the other members of the government: Comrades, let‘s go to the Bolschoi Theater this evening. Our own people as well as foreign eyes will notice, and perhaps it will calm them down. They‘ll say to themselves, ‚If Khrushchev and our other leaders are able to go to the opera at a time like this, then at least tonight we can sleep peacefully.‘ We are trying to disguise our own anxiety, which was intense."
(53) Aber: „wenn die USA auf einen Krieg bestehen, dann sehen wir uns alle in der Hölle wieder.", zitiert nach Isaacs S.198
(54) „Ja oder Nein ? Warten Sie nicht auf die Übersetzung ! Ja oder Nein ?" Sorin: „Ich bin nicht in einem amerikanischen Gerichtssaal, Sir, und deshalb habe ich keine Lust, eine Frage zu beantworten, die mir gestellt wird, als stünde ich vor dem Staatsanwalt." Stevenson: „Sie stehen hier vor dem Gerichtshof der Weltmeinung und Sie können antworten, mit Ja oder Nein." Später: „Ich bin bereit auf meine Antwort zu warten bis die Hölle gefriert." – der Dialog ist wiedergegeben bei Beschloss S.505f.
(55)Beschloss S.509
(56) Lebow S.132f.
(57) Lebow S.131: Rusk sah „reale Chancen", aber „die Zeit drängt sehr."
(58) Der Brief ist wörtlich wiedergegeben bei Beschloss S.516-520
(59) Schon am 23.10. waren vier von sechs Abschussrampen samt Raketen voll einsatzbereit, so der CIA-Bericht, Lebow S.107
(60) Beschloss S.521
(61) Isaacs S.200
(62) Dieses Telegramm von Castro an Chrustschow wurde erst in der Gorbatschow-Ära 1990 öffentlich gemacht, Lebow S.12
(63) Isaacs S.200
(64) Beschloss S.526 ; laut Isaacs S.200 erfuhr das ExComm erst kurz nach 12 Uhr davon – hier spricht mehr für Beschloss, da er im Gegensatz zu Isaacs in ständiger Wiederholung aus den ExComm Tape Recordings zitiert, die ihm also offenbar vorgelegen haben, also eine primäre Quelle, aus der der Ablauf auf die Minute genau rekonstruierbar ist
(65) Dieser Sachverhalt ist erst seit Öffnung der Archive 1987 geklärt worden, siehe Crockatt S.163f.
(66) Der ehemalige US-Botschafter in Moskau und Sowjetexperte Llewellyn Thompson sagte im ExComm : „Let‘s push harder. I think they‘ll change their minds when we take continued forceful action – stopping their ship or taking out a SAM site. That kills some Russians." „Lasst uns härter durchgreifen. Ich denke sie werden ihre Haltung ändern, wenn wir fortwährend energische Aktionen durchführen – ein Schiff stoppen oder eine Luftabwehrstellung ausradieren. Das tötet einige Russen.", Beschloss S.533
(67) Lebow S.118f.
(68) Isaacs, S.241ff.
(69) Laut Isaacs S.150 stammt von Curtis Le May der Satz, wenn das Strategische Luftkommando am Abend den Kampf begänne „würde die Sowjetunion morgen früh wahrscheinlich keine militärische Großmacht oder überhaupt keine große Nation mehr sein. Der Tag könnte anbrechen in einem Land, das unendlich ärmer wäre als China, weniger Einwohner zählte als die Vereinigten Staaten und zu einer landwirtschaftlichen Existenz verurteilt wäre, vielleicht für viele Jahrzehnte."
(70) Isaacs, S.232
(71) Greiner S.148, 157-160 ; Khrushchev S.530
(72) Die Ereignisse der letzten Stunden sind wiedergegeben nach Beschloss S.535-537, Lebow S.138-142 und Isaacs S.202
(73) Isaacs S.203
(74) Tompson S.252
(75) Lebow S.43

Literatur zur Kubakrise (Auszug):
Michael R.Beschloss, The Crisis Years. Kennedy and Khrushchev 1960-1963, New York 1991
Bernd Greiner, Kuba-Krise. 13 Tage im Oktober. Analyse, Dokumente, Zeitzeugen, Nördlingen 1988
Jeremy Isaacs und Taylor Downing, Der Kalte Krieg, deutsch von Markus Schurr u.a. München, Zürich 1999
Richard Ned Lebow, Janice Gross Stein, We all lost the Cold War, Princeton 1994
Weitere Literatur siehe in den Anmerkungen

>Hello
>was war mit der Cubakrise, da standen wir sehr kurz vor einem Atomkrieg.
>Aber warum kam er nicht, es war doch alles schon bereit dafür.
>Warum kam kein Atomkrieg zu stande?
>Friedliche Grüsse
>Kober
>>wieder ein schritt richtung lokalen atomkrieg der dann
>>in eine WK3 mündet es ist nicht mehr lang.
>>US-Senat erlaubt Entwicklung von Mini- Atomwaffen



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