DOLLAR IM STURZFLUG. Der Offenbarungseid des Mister Snow
Geschrieben von Subman am 12. Mai 2003 14:58:23:
Als Antwort auf: NACHRICHTEN (o.T.) geschrieben von Krümel am 12. Mai 2003 07:31:13:
Die europäische Gemeinschaftswährung ist am Montag gegenüber dem Dollar auf den höchsten Stand seit vier Jahren geklettert. Neue Hiobsbotschaften über die finanzielle Lage der USA machen einen weiteren Absturz des Dollars in den kommenden Wochen wahrscheinlich.Es war eine Binsenweisheit mit Folgen. US-Finanzminister John Snow sagte am Sonntag gegenüber dem Fernsehsender Fox: "Der Wert des Dollars wird im Wettbewerb der Wechselkurse festgesetzt." Bei Londoner Devisenhändlern, die wegen des seit Wochen andauernden Verfalls des Greenback gegenüber anderen wichtigen Währungen ohnehin schon nervös sind, löste Snows ökonomische Erstsemester-Erkenntnis Panik aus und trieb den Dollar weiter nach unten. Schon kurz vor neun am Montagmorgen war der Euro auf 1,1609 Dollar gestiegen - den höchsten Stand seit vier Jahren.
Eigentlich hatte Snow die Lage beruhigen wollen. Der rasante Verfall der amerikanischen Währung, so seine Argumentation, mache US-Produkte billiger, kurbele in der Folge den Export an und helfe so der amerikanischen Wirtschaft. Grundsätzlich ist Snows Darstellung richtig: Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) geht davon aus, dass ein fünfprozentiger Wertverlust des Dollars auf die US-Binnenkonjunktur eine ähnliche Wirkung hat wie eine Senkung der Leitzinsen um 0,5 Prozent.
Schneeball-Effekt
Devisenhändler interessieren sich momentan allerdings weniger für die Wachstumsaussichten als für die explodierende Verschuldung und das extrem hohe Leistungsbilanzdefizit der USA, zu dem der US-Finanzminister keine beruhigende Aussage parat hatte. Für den Markt kamen die Äußerungen Snows einer Art Offenbarungseid gleich: Snows Verweis auf die Marktkräfte bedeutet nichts anderes, als dass seine Regierung nicht willens ist, sich gegen den Verfall des Dollars zu stemmen.
Eine Intervention gilt zwar ohnehin als utopisch, da der Devisenmarkt mit einem Tagesumsatz von etwa 1,2 Billionen Dollar dafür einfach zu groß ist. Der psychologische Effekt von Snows Eingeständnis ist dennoch groß. "Snows Kommentare sind einfach eine weitere Ausrede [Dollar] zu verkaufen, denn die fundamentalen Daten für einen schwächeren Dollar gelten nach wie vor", sagt Hans Redeker von BNP Paribas.
Schon wieder Pleite
Derzeit verlassen die Investoren die USA in Scharen. Die Bank UBS Warburg hat ermittelt, dass derzeit täglich(!) etwa 400 Millionen Dollar an Kapital durch Verkäufe auf dem US-Aktienmarkt abwandern. Das macht es für das Land zunehmend schwieriger, sein Leistungsbilanzdefizit, grob gesagt die Differenz zwischen volkwirtschaftlichen Einnahmen und Ausgaben, zu finanzieren. Täglich brauchen die USA, die erheblich mehr importieren als sie exportieren, etwa zwei Milliarden Dollar, um das stetig wachsende Loch in ihrer Leistungsbilanz zu finanzieren. Eine andere wichtige Geldquelle, der Verkauf von US-Staatsanleihen an ausländische Investoren, droht ebenfalls zu versiegen. Zwar gelten lang laufende amerikanische Staatsanleihen weiterhin als sichere Bank, wegen der extrem niedrigen Zinsen legen viele Investoren inzwischen jedoch ihr Geld lieber in den höher verzinsten europäischen Bonds an.
Für Unruhe bei Devisenexperten sorgt außerdem die Tatsache, dass die US-Regierung ihren vom Kongress erst kürzlich erhöhten Spielraum zum Schuldenmachen bereits voll ausgeschöpft hat. Derzeit versucht das US-Finanzministerium noch mit allerlei Tricks, das Unvermeidliche einige Tage herauszuzögern. Doch schon diese Woche muss das US-Parlament vermutlich über eine erneute Anhebung des Schulden-Plafonds von derzeit 6,4 Billionen Dollar beraten.
Einmal in den Keller und zurück
"Das positivste Szenario für die Cash Flows ist, dass sie [die US-Regierung] erst in der letzten Maiwoche Schwierigkeiten bekommen. Aber wenn es Enttäuschungen gibt, könnten die Dinge schon in den nächsten Tagen haarig werden", sagte Lou Crandall, Chefökonom von Wrightson Associates, gegenüber dem "Wall Street Journal".
Sollte der Kongress der Regierung von George W. Bush weitere Mittel versagen, könnte das an den Devisenmärkten erneut zu Turbulenzen führen. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Euro dann die psychologisch bedeutsame Marke von 1,1745 Dollar überspringen könnte. Zu diesem Kurs war die Gemeinschaftswährung am 1. Januar 1999 in den Handel gestartet.