Hybris des (vorgeblichen) Asketen, die Zweite
Geschrieben von Salim am 15. April 2003 13:18:46:
Als Antwort auf: es ist getan geschrieben von Rosenkreuzer am 15. April 2003 09:49:27:
Grüß Gott Rosenkreuzer!
Da du das erste Statement wohl nich gelesen hast, hier nocheinmal etwas zur Hybris der Asketen.
Wer Spiritualität will, wer wirklich anfangen will, ein geistiges Wesen zu werden, der muß einsehen, daß wir die wichtigsten, die beglückendsten, die umwerfend schönsten und erquickendsten Dinge als Geschenk erhalten, und zwar unverdientermaßen. Und es beginnt damit, daß wir uns all dessen bewußt werden, was wir bislang schon als Geschenk erhalten haben, ohne es auch nur geahnt zu haben. Also, es ist durchaus möglich, morgends beim Aufwachen sich zu verwundern und zu denken: "O, ich wundere mich sehr, daß es mich überhaupt gibt und nicht vielmehr nicht!" Und wir können unserem Schöpfer dafür danken, daß Er uns überhaupt in die Existenz gebracht hat. Und wir können Ihn preisen - "al-hamdulillâh!" sagen.
Zu den bestialischen Unverschämtheiten aber würde es gehören, wenn wir die Geschenke unseres Schöpfers deshalb ablehnen würden, weil wir es lieber so hätten, daß wir sie verdient hätten. Das ist die Krankheit des Abendlandes. Und der große Scheich Immanuel Kant, ein treues Kind des Abendlandes, hatte einmal in einer kleinen Schrift von einem "neuerdings erhobenen vornehmen Tone in der Philosophie" gefragt, ob die Weisheit "im seeligen Zustande des Genießens von oben eingegossen" oder durch "beharrliche Arbeit von unten mühsam erklimmt" werde. Doch Kant hatte seine Frage nicht ernst gemeint, sondern sie immer schon als im Sinne der "beharrlichen Arbeit" und des von unten mühsamen Erklimmens beantwortet verstanden.
Tatsächlich aber bekommen wir die schönsten Dinge als Geschenk und zwar unverdientermaßen. Genau das zu sehen, ist der erste Schritt zur Spiritualität. Friedrich Nietzsche hatte einen sehr scharfen Blick, als er die Unverschämtheiten des "asketischen Ideals" brandmarkte. Denn es ist wahr: Die Hybris des Asketen besteht genau darin, daß er glaubt, entscheidend durch eingene Verrenkungen sein Glück zu befördern, statt zu sehen: Wir bekommen es, ohne es verdient zu heben, als Geschenk.
Das ist es. Und deine Sicht erscheint als die eines Autisten. Ich , Ich und nochmals Ich. Und darauf sollen wir uns einlassen? Da hast du deine rechnung ohne den Chef gemacht! Der nämlich hat gesagt:
"Wenn sich mein Diener Mir durch zusätzliche Übungen zu nähern versucht, gehe Ich ihm entgegen. Kommt er Mir auf eine Handbreit entgegen, nähere Ich Mich ihm um Armeslänge, nähert er sich Mir um Armeslänge, so Ich ihm um die Länge der ausgebreiteten Arme, und so er auf Mich zugeht, so laufe Ich ihm schon entgegen."
Grüße,
Salim