N: Kommentar wider die EU-Erweiterung

Geschrieben von Freiwild am 10. April 2003 01:02:21:

Als Antwort auf: N: NACHRICHTEN (o.T.) geschrieben von Freiwild am 10. April 2003 00:43:51:

GASTKOMMENTAR

Wider die EU-Osterweiterung

Von Hans-Peter Martin, Straßburg

Am 9. April wird das Europäische Parlament in Straßburg über die Erweiterung der Europäischen Union um zehn Staaten entscheiden. Guten Gewissens kann man dem nicht zustimmen, findet der parteifreie Europa- Abgeordnete Hans-Peter Martin. In einem Beitrag für SPIEGEL ONLINE begründet er, warum er nicht zu den Jasagern gehören wird.

Bei der letzten Europawahl vor vier
Jahren wurde versprochen, die EU nur mit Sorgfalt und Umsicht zu erweitern. Jetzt, vor der Abstimmung am 9. April im Europäischen Parlament, stellt sich endgültig die Frage: Ist der Westen reif für den Osten?

Die seriöse Antwort lautet: Nein. Denn die EU hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Schon vor einem Jahrzehnt, beim Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands, stimmte ein Fünftel der Europaabgeordneten nicht zu, weil sie um die Entscheidungsfähigkeit der Union fürchteten.

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"Europa geht kaputt",

sagt ein führender Sozialdemokrat und meint damit auch das offene Doppelspiel, das etwa die polnische Regierung betreibt.
Mit der EU ringt sie unnachgiebig hart um Subventionen, gleich danach profitieren amerikanische Rüstungskonzerne von Milliardenaufträgen. Ostkenner erklären, dass viele Ostlobbyisten noch mehr wirtschaftspolitischen Neoliberalismus nach Brüssel bringen und keineswegs die Wertegemeinschaft des sozialen Zusammenhalts stärken werden. Auch die Vermählung der Korruptionskultur von Brüssel mit jener im Osten zeichnet sich ab.

Den Bürgern sowohl in West wie Ost, so ist realistischerweise zu fürchten, wird all dies mehr schaden als nützen. Denn ohne Transparenz gibt es keine Demokratie und ohne Demokratie keinen stabilen Frieden. Die Erweiterung ohne umfassende EU- Reform verkommt so zum Pyrrhussieg. "Chaos" prophezeien erfahrene Europahasen dem Haus Europa ab Mai 2004, mit zerstörerischem Streit um Einfluss und Geld. Zerstörerisch, weil dem Haus die nötige Stabilität fehlt. Sie wäre erst nach einem erfolgreichen Abschluss des Konvents herstellbar, im Jahr 2007 die EU mithin tatsächlich erweiterungsbereit.

Doch die Beitrittsländer drängen, verweisen auf ihr historisches Schicksal. Persönlich ist mir deshalb eine politische Entscheidung noch nie so schwer gefallen, zumal ich 1972 rund um die Ostverträge und nach dem Kniefall von Willy Brandt in Warschau politisiert wurde.

Natürlich soll zusammenwachsen, was zusammengehört. Doch es ist ein Marathonlauf, ein falscher Zwischensprint kann schnell zum vorzeitigen Aufgeben zwingen. Europa darf aber nicht aus dem Tritt kommen.
Und eine stolpernde EU kann auch den Bush-Kriegern nicht die Stirn bieten.



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