N - Aufbau einer Europäischen Verteidigungsunion
Geschrieben von Freiwild am 06. April 2003 20:11:39:
Als Antwort auf: NACHRICHTEN! oT (o.T.) geschrieben von Guerrero am 06. April 2003 01:55:48:
Interview im Deutschlandfunk auszugsweise
-------------------------------------------------------Martin Zagatta im Gespräch mit Reinhold Robbe, SPD, Vorsitzender der Bundestagsverteidigungsausschusses / Deutschlandfunk- Interview am Morgen, 04. April 2003
Zagatta: Während im Irak gekämpft wird, hat US-Außenminister Powell gestern in Brüssel schon einmal sondiert, welche Rolle die Europäer im Nachkriegsirak spielen wollen. Viel Konkretes ist dabei nicht herausgekommen, aber Bundeskanzler Schröder hat gestern deutlich gemacht, dass er jetzt auch als Konsequenz aus diesem Irak-Krieg auf den Aufbau einer Europäischen Verteidigungsunion setze. Was konkret würde das für die Bundeswehr bedeuten? Reinhold Robbe ist am Telefon, SPD-Politiker und Vorsitzender des Bundestagsverteidigungsausschusses. Guten Morgen, Herr Robbe.
Robbe: Guten Morgen, Herr Zagatta.
Zagatta: Herr Robbe, eine Europäische Verteidigungsunion, eine schlagkräftige europäische Armee, liegt das für sie in Reichweite oder ist das ein Vorhaben, mit der man jetzt die Ohnmacht von Berlin und Paris schönredet?
Robbe: An das denke ich nicht. Der Bundeskanzler hat gestern ja einige interessante Anmerkungen zu diesem Gesamtthema gegeben, zu der Notwendigkeit, dass wir uns insbesondere nach dem Irak-Konflikt verstärkt, und ich denke auch, schneller als das ursprünglich angedacht war, über eine stärkere europäische Außen- und Sicherheitspolitik Gedanken machen müssen, und dazu gehören dann natürlich auch Fragen: Wie positionieren sich die einzelnen Armeen und EU-Mitgliedsstaaten? Welche Rolle spielt die NATO, etc. - also eine ganze Reihe von verschiedenen wichtigen Fragen, die schnell geklärt werden müssen, schneller zumindest als sich das viele vorgestellt haben.
.......
Zagatta: Ist denn eine solche Eingreifgruppe, eine europäische Armee, wie sie Ihnen vorschwebt, mit Wehrpflichtigen überhaupt noch zu machen oder ist das das Ende der Wehrpflicht?
Robbe: Nein, das ist aus meiner Sicht nicht das Ende der Wehrpflicht. Das bleibt davon im Prinzip aus meiner Sicht unberührt. Der Bundesverteidigungsminister hat schon erklärt, dass er in Kürze die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien veröffentlichen wird. Daraus wird sich aus meiner Sicht die Notwendigkeit ergeben, dass wir an der Wehrpflicht festhalten müssen. Wir sind in einer vollkommen anderen Situation nach 1990, nachdem wir weltpolitisch gesehen eine ganz neue Lage sicherheitspolitisch haben. Daraus ergibt sich dann auch die Notwendigkeit, dass wir neu definieren, was Landesverteidigung bedeutet, und ich denke, dass wir zumindest in der Sozialdemokratie auf jeden Fall an der Wehrpflicht auch unter diesen neuen Konstellationen, wie wir sie jetzt gerade eben diskutieren festhalten.
Zagatta: Aber verpasst da die SPD nicht die Zeichen der Zeit? Das was wir jetzt im Irak erleben ist doch ein Hightech-Krieg. Das erfordert Profis. Wie sollen das Wehrpflichtige noch bewerkstelligen können, die in der Regel ja nur einige Monate ausgebildet werden und eigentlich gar keine Erfahrung haben.
Robbe: Wissen Sie, wir wollen ja nicht Weltpolizist werden. Wir haben nie gesagt, dass wir die militärischen Fähigkeiten haben wollen, wie sie beispielsweise die USA jetzt im Irak-Konflikt vorführt, sondern wir haben ganz klare, fest umrissene Aufgaben. Wir müssen vorbereitet sein auf die Herausforderungen der Zukunft. Dazu gehört auch ein Vorbereitetsein auf die Herausforderungen des internationalen Terrorismus. Das muss man dann auch mit entsprechenden Waffensystemen darstellen können. Das ist ganz klar. Aber wir werden niemals beispielsweise den Standard der Amerikaner, nicht mal auf europäischer Ebene, anstrengen können. Darüber muss man sich im klaren sein und das muss natürlich auch im vornherein feststehen.
Zagatta: Herr Robbe, letzte Frage: Können Sie sich mit dem Gedanken anfreunden, dass deutsche Soldaten demnächst doch noch in den Irak gehen, wenn auch jetzt zur Friedenssicherung?
Robbe: Es ist im Moment immer noch zu früh, auch wenn die US-Amerikaner inzwischen offensichtlich den Flugplatz von Bagdad eingenommen haben, über konkrete Einzelheiten im Zusammenhang mit einer möglichen militärischen Abwickelung der Aufbaumaßnahmen nachzudenken. Ich bin dafür, dass wir dieses zunächst einmal abwarten. Wir hoffen auf ein schnelles Ende und auf möglichst wenig Opfer. Dann wird es darum gehen, dass wir unter dem Dach der Vereinten Nationen humanitäre Hilfe organisieren, dass wir unter dem Dach der UN auch das machen, was wir als den Aufbau einer Demokratie bezeichnen. Inwieweit dann die Bundeswehr eine Rolle spielen kann und soll, muss dann entschieden werden, aber der Kanzler hat gestern deutlich gemacht, dass es unter dem Dach der UNO passieren muss, das daraus resultiert, dass es Blauhelme sein werden und dann wird es darum gehen, zu überlegen, inwieweit wir uns daran beteiligen können.
Zagatta: Reinhold Robbe, SPD-Politiker und Vorsitzender des Bundestagsverteidigungsausschusses. Herr Robbe, schönen Dank für das Gespräch.
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