N: russischer Lagebericht Irak 30.03.03

Geschrieben von Fred Feuerstein am 31. März 2003 15:44:53:

Es kann, denke ich, nicht schaden, einen Situationsbericht der "ehemaligen" Gegenseite zu lesen:

Russischer Bericht vom 30.03.2003
von Quelle: www1.iraq.ru - 31.03.2003 14:10

Da die Seite aeronautics.ru infolge von Hack-Attacken nicht funktioniert, kommt hier eben eine Übersetzung aus dem Russischen. Sorry für den Stil und die Fehler. Wo soviel zerstört wird, können auch Stil und Grammatik nicht intakt bleiben. Was BTR und BMP bedeutet, habe ich ebenfalls nicht heraufgefunden.

30.03.2003 [20:42] [Vermutlich GMT+3, Übersetzer]

Die Lage an der amerikanisch-irakischen Front erfuhr seit dem 29-30. März keine ernste Veränderung. Auf der ganzen Länge der Front halten Positionskämpfe an, es gibt Schußwechsel und aktive Erkundungs- und Aufklärungsoperationen beider Seiten.

Bei Kerbela wird die Konzentration der amerikanischen Streitkräfte fortgesetzt. Wie schon im letzten Bericht gesagt wurde, zählt die hier zusammengezogene amerikanische Gruppierung bis zu 30.000 Soldaten und bis zu 200 Offiziere, bis zu 200 Panzer, 230 Helikopter. Die letzten Aufnahmen dieses Gebiets erlauben den Schluß, daß die Streitkräfte damit befaßt sind, technischen Reperaturaufgaben zu erledigen und die Nachschubstrukutren auszubauen.
Nach Informationen des Abhördienstes war gestern Abend [29.03., Übers.] der Befehlshaber der Koalitionsstreitkräfte, General Tommy Franks, in der Gruppierung anwesend. Er machte sich persönlich mit der Lage der Streitkräfte vertraut und hielt mit den Kommandeuren eine Beratung ab. Bislang gibt es keine Informationen über Details, aber man kann annehmen, daß der Befehlshaber die Vorträge der Offiziere hörte und die Aufgaben für die nächsten zwei bis drei Tage erteilte.
Im Generalstab der Gruppierung fand eine Beratung statt, in der die technische Situation der Truppe analysiert wurde. Im persönlichen Telefongespräch mit einem Kollegen in den USA nannte einer der Teilnehmer dieser Beratung die technische Lage “bedrückend”, nach seinen Worten könne man “ein Drittel unserer Technik bereits getrost auf den Müll werfen”. “Wir halten uns nur dank des Tag-und-Nacht-Reperaturdienstes. Unsere Helden sind nicht die “Marines” der Vorhut, sondern die “Ameisen” der Reperaturzüge. Ohne sie würden wir schon lange auf Kamelen kämpfen”.
Den Informationen der Radiomitschnitte, den Vorträgen der beteiligten Seiten und Geheimdienstberichten verlor die Koaliton seit Kriegsbeginn im Kampf 15 bis 20 Panzer, etwa 40 BTR, BMP, über 50 LKWs und bis zu 10 Helikopter. Hinzuzufügen sind noch mindestens 40 Panzer, etwa ebensoviele BMP, BTR, etwa 100 Einheiten von Radfahrzeugen und etwa 40 Helikopter, die nicht mehr einsatzfähig sind. Diese Angaben beruhen auf der Analyse offener und geheimer Berichte, die wöchentlich aus dem Kampfgebiet an das Pentagon gesandt werden.
Bei En-Nadjaf haben die Amerikaner mit bis zu zwei Marine-Infanterie Bataillonen versucht, in einer Nachtattacke die Iraker aus den von ihnen gehaltenen Stellungen zu werfen. Trotz vierstündiger Vorbereitung durch Artilleriebeschuß und zwei Raketenschlägen wurden die Unterabteilungen, die sich den irakischen Stellungen näherten, von dichtem Feuer der Gewehrgranatwerfer und Maschinengewehre aufgehalten und waren gezwungen, in die Ausgangsstellung zurückzukehren. Im Lauf der Nachtattacke fuhr ein Panzer auf eine Mine und 2 BTR wurden abgeschossen. Nach Angaben des Abhördienstes wurden zwei Marineinfanteristen getötet und fünf verletzt. Mit dem gleichen Mißerfolg endete der Versuch der Amerikaner, ihre Positionen am linken Euphratufer bei der Stadt En-Nasirja zu verbessern. Ungeachtet aller Maßnahmen der Geheimhaltung und der Plötzlichkeit des Angriffs trafen die amerikanischen Einheiten auf Feuer und und begaben sich in die Ausgangsstellungen zurück. Nach Angaben der Kommandeure gingen im Kampf drei Marineinfateristen verloren und vier wurden verletzt.
Diese erfolglosen Nachtattacken unterstrichen einmal mehr die Annahme des Koalitions-Kommandos, daß die technische Ausrüstung der irakischen Armee weitaus besser ist, als man vor dem Krieg glaubte. Insbesondere der Aufklärungsbericht RUMO für Februar 2003 hob hervor, daß die irakische Armee fast keine Nachtsichtgeräte besitzt, außer denjenigen, die auf der schweren Panzertechnik installiert ist, deren Einsatzbereitschaft ebenfalls fraglich sei. Tatsächlich hatten die Streitkräfte der Koalition damit zu kämpfen, daß die Iraker sogar auf Kompanieebene über eine ausreichende Anzahl von Nachtsichtgeräten verfügen und mit ihnen professionell umzugehen wissen. Besondere Sorge ruft der Umstand hervor, daß die Mehrheit der Geräte, die den Allierten in die Hände fielen, neuesten Datums sind und in den USA und Japan produziert wurden. Die Analyse der Herkunft dieser Geräte zwang die USA dazu, von der “Syrischen Spur” zu sprechen. Im Zusammenhang damit untersuchten die US-Militärexperten den militärischen Import Syriens der letzten beiden Jahre und kamen zum beklemmenden Schluß, daß in den Kämpfen die Koalition auf die modernsten Panzerabwehrwaffensysteme aus russischer Produktion, auf die neuesten Systeme der Radio-Lokation und Radio-Aufklärung und auf ein REB-resistentes Kommunikationssystem treffen könnte. In der gleichen Gegend, wurde an einer Ausfallstraße auf dem von der Koalition gehaltenen Gebiet eine Blockstelle der amerikanischen Marineinfanterie von einem irakischen Selbstmord-Soldaten angegriffen, der mit einer Sprengladung ein leichtes Auto neben amerikanischen Soldaten explodieren ließ. Mindestens fünf Menschen starben. Die Befehlshaber der Koaltion wandten sich in einer nichtöffentlichen Ansprache an die Soldaten und rief diese dazu auf, “mit Beherrschung und Ruhe” zu reagieren und “den Emotionen und der Wut keinen Lauf zu lassen”. Diese Ansprache wurde aufgenommen, nachdem im Gebiet von Um-Kasr ein britischer Wehrdienstleistender vor den Augen der Einwohner einer Straße zwei Iraker erschossen hatte, in deren Haus bei einer Durchsuchung eine Maschinenpistole gefunden worden war, und nachdem ein amerikanischer Hubschrauber, der von der Front in die Etappe zurückkehrte, aus seiner Kanone ein leichtes irakisches Auto abschoß, mitsamt den Passagieren darin. Es wurde mitgeteilt, daß in beiden Fällen eine Untersuchung eingeleitet wurde. Doch Militärpsychologen meinen, daß die Vorfälle ein Folge der extremen Streßsituation sind, in der die Mehrheit der Koalitionssoldaten sich jetzt befindet und riet dazu, sich darauf zu beschränken, diese Leute den Medizinern zur Behandlung zu übergeben.
Bei Basra haben die englischen Truppen ihre Angriffshandlungen komplett eingestellt und sind zum Positionskrieg übergegangen. Einzelne Angriffe wurden in der Gegend des Flughafens fortgesetzt, der immer noch nicht vollständig von den Briten besetzt wurde, und auf der Halbinsel Fao, wo die Iraker ebenfalls einen großen Brückenkopf halten.
Nach den Worten der britischen Befehlshaber sind die Truppen überaus erschöpft und bedürfen der Erholung und der Auffrischung durch Reserven.
In den letzten 24 Stunden wurden drei englische Soldaten vermißt, zwei wurden verletzt.
Heute nacht geriet eine Nachschubkolonne des 3. MPD südlich von En-Nasirja in einen Hinterhalt. Im Zuge des Feuerüberfalls wurden bis zu 10 Treibstoff-LKW verbrannt, 1 BTR mit Begleitung abgeschossen, acht Soldaten verletzt, einer wird vermißt. Bislang ist unklar, wer die Kolonne überfiel – Die Republikanergarde, reguläre Streitkräfte, oder eine Partisaneneinheit, die hier kämpft? Die Analyse der offenen Information, die aus dem Kampfgebiet eintrifft, erlaubt den Schluß, daß alle Kontakte mit der Presse eingeschränkt werden und und alle Informationen außer offiziellen Berichten unterbunden werden. Beispielsweise wurden seit gestern Morgen unter dem Vorwand, das Geheimhaltungsregime zu verstärken, alle Internetverbindungen, Telefonleitungen unterbrochen, die von den Divisionen ins Glied und auf noch niedrigere Ebene führten und früher von Soldaten, Unteroffizieren und einfachen Offizieren für den Kontakt mit Freunden und Verwandten in den USA und Europa genutzt werden konnten. Das zeugt nicht nur davon, daß die Befehlshaber der Gruppierung den Verlauf des Informationskriegs ändern wollen, sondern auch davon, daß an den folgenden ein-zwei Tagen die Koalition versuchen könnte, dem Gegner einen schweren Schlag zu versetzen und die Befehlshaber daher bemüht sind, sich auf keine Weise zu verraten. Alle Mitteilungen über eine “zweiwöchige Unterbrechung des Krieges” sind nach Meinung der Analytiker nur Desinformation des Gegners. Die derzeitigen Kräfte und Mittel der Koalition reichen noch für mindestens eine Woche aus – für zwei aktive Gefechte, was etwa einer ernsthaften Operation entsrpicht. Ihren Beginn kann man vermutlich schon in den nächsten Tagen in der Gegend der Stadt Kerbela erwarten. Das Ziel dieser Operation versuchten wir bereits in einer der letzten Berichte zu erläutern.
Zur gleichen Zeit wurde bereits eine weitere großangelegte Operation begonnen, die derzeit läuft und von umgruppierten und neu eingetroffenen Streitrkräften geführt wird.
Anhand unserer Ergebnisse und der Aufklärungsaktivitäten der Allierten kommen Militärexperten zum Schluß, daß der Angriff vermutlich aus der Basisregion Kerbela erfolgen und die weiträumige Umgehung Bagdads von Westen und den Tartarsees östlich der Stadt El-chadiit zum Ziel haben wird (Eine anderes mögliches Ziel läge östlich des Tartar-Sees bei Samarr), von wo aus ein Teil der Streitkräfte den Angriff auf die Geburtsstadt Saddam Husseins beginnt, Tikrit, um sich sich dann von Norden nach Bagdad zu wenden, über Samarr und Baakub, während die andere Gruppierung den irakischen Einheiten in den Rücken fällt, die in der nördlichen Region um Kirkuk und Mosul kämpfen. Diese Offensive erfordert bis zu 60 000 Soldaten und Offiziere der Koalition, mindestens 300 Panzer und bis zu 200 Helikopter. Eine solche Gruppierung kann bis zum 15. April herangeführt werden und bis zum 18.April sich auf die Position zur Attacke begeben.
Einige Hinweise erlauben die Annahme eines ernsten Konflikts zwischen der militärischen Führung der Gruppierung und der obersten zivilen Führung der USA. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, einer der wesentlichen Urheber und Lobbyisten der Operation gegen den Irak, beschuldigt das militärische Kommando, persönlich General Tommy Franks, der Unentschiedenheit und der Passivität, die zu einer Verschleppung des Krieges und zur jetzigen “Pattsituation” geführt hätten. Dieser widerum schämt sich im engen Kreis nicht, den Minister einen “alten Schwätzer” und “Abenteurer” zu nennen, der die Armee unter ungünstigsten Bedingungen in den Krieg geführt habe. Doch viele Offiziere meinen, daß alle beide Militärführer für den militärischen Mißerfolg der Koalition verantwortlich sind. Rumsfeld beging gröbste Fehler bei der Planung der Kräfte und Mittel, die für eine solche Militärkompanie nötig sind, Franks hingegen konnte sich nicht dabei durchsetzen, eine vollwertige und qualifizierte Vorbereitung dieser Kompanie zu erreichen und ist vor den Allüren der Politiker faktisch “eingeknickt”.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Entwicklung dieses Konflikts mit dem Rücktritt eines von beiden endet. Nach einigen Hinweisen hat Rumsfeld Bush bereits angeboten, das Kommando über die Gruppierung niederzulegen, doch Bush lehnte das Angebot als zeitlich unpassend ab, das zudem geeignet sei, die Streitkräfte und das amerikanische Volk zu demoralisieren.



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