Basra
Geschrieben von Andreas am 28. März 2003 22:28:55:
Als Antwort auf: N: viell. nicht offt.? "Fürst der Dunkelheit" - und "Prophs" geschrieben von franz_liszt am 28. März 2003 11:59:19:
kopiert aus dem Elliot-Wellen-Forum
Erschütternde, brutale Tatsachen, die die Wahrheit über Basra ans Licht fördern
von Robert Fisk
The Independent / ZNet 27.03.2003
Zwei tote britische Soldaten auf einem Basraer Straßendamm, ein kleines irakisches Mädchen - Opfer eines
britisch-amerikanischen Luftangriffs - das mit aus dem Bauch hängendem Gedärm ins Krankenhaus eingeliefert wird u. eine
furchtbar verletzte Frau, die in Agonie schreit, während Ärzte versuchen, ihr das schwarze Kleid vom Körper zu lösen. Und:
ein irakischer General, umgeben von hunderten seiner bewaffneten Soldaten, wie er im Zentrum von Basra verkündet, diese
zweitgrößte Stadt des Irak befinde sich nach wie vor sicher in irakischer Hand.Das nicht redigierte Viedomaterial von Al Dschasiera (aufgenommen während der letzten 36 Stunden u. frisch in Bagdad
eingetroffen) ist brutal, unerträglich u. erschütternd. Aber es ist auch Beweis - Beweis für die Tatsache, dass das angeblich
bereits letzte Woche durch britische Truppen "eingenommene" u. "gesicherte" Basra in Wahrheit noch immer von den Truppen
Saddam Husseins gehalten wird. Und obwohl britische Offiziere behaupteten, dass in Basra soetwas wie ein Aufstand
ausgebrochen sei, sieht man (auf den Bändern) Autos u. Busse ganz normal durch die Straßen fahren, während die irakische
Bevölkerung geduldig für Gasflaschen ansteht, die gerade von einem Regierungslaster abgeladen werden. Viele Feuerbälle sind
auf dem Videomaterial zu sehen; sie blühen auf über dem Westen der Stadt, dazu ist die Explosion einschlagender Granaten zu
hören - wahrscheinlich britische Granaten. Die kurze Einspielung der beiden toten britischen Soldaten - die Tony Blair gestern
so schrecklich fand -, sind durchaus zu vergleichen mit dutzenden ähnlichen Einspielungen, die tote irakische Soldaten zeigten.
Derartige Clips waren im Verlauf der letzten 12 Jahre ja immer wieder im britischen Fernsehen zu sehen, ohne dass sich
Premier Blair daran gestoßen hätte. Die beiden toten Briten - noch in Uniform - liegen auf einem Straßendamm, Arme u. Beine
von sich gestreckt, der eine augenscheinlich in den Kopf, der andere in Brust u. Bauch getroffen. An anderer Stelle auf
demselben Band sieht man, wie eine Menschenmenge Basraer Zivilisten u. Bewaffneter in Zivilkleidung, den britischen
Armeejeep der Toten mit den Füßen bearbeitet bzw. auf dem Fahrzeug herumtanzt. Ein paar andere Männer treten gegen den
umgeworfenen Verteidigungsministeriums-Trailer, den der Jeep im Schlepptau hatte, als er (höchstwahrscheinlich) in einen
Hinterhalt geriet. Auf dem redaktionell unbearbeiteten Band (das übrigens auf der offenen Straße von Basra nach Bagdad
transportiert wurde) sind zudem Aufnahmen einer jener unbemannten britischen Foto-Aufklärungs-Drohnen zu sehen. Man
erkennt das rot-blaue Militäremblem auf einem der Flügel. Die Drohne wurde abgeschossen u. liegt kopfüber am Fahrdamm,
beschriftet mit 'ARMY' (in Großbuchstaben). Coderegistrierung: ZJ300, hinten am Heck. An der Drohne hängt eine große
zylindrische Schale, in der wahrscheinlich die Fotokamera steckt.Viel schlimmer als die Aufnahmen der toten britischen Soldaten sind jedoch die Videoaufnahmen aus dem größten
Krankenhaus Basras: Opfer des britisch-amerikanischen Bombardements - sie schreien vor Pein - auf ihrem Weg in den
Operationssaal. Ein Mann mittleren Alters wird im Schlafanzug ins Hospital gebracht - von Kopf bis Fuß vollgesogen mit Blut.
Auf einer Liege fährt man ein vielleicht vierjähriges Mädchen in den Operationssaal. Sie starrt auf eine Anhäufung ihres eigenen
Gedärms, das aus der linken Seite ihres Bauches quillt. Ein Doktor in blauer Montur gießt Wasser über die Därme des kleinen
Mädchens, legt dann vorsichtig Bandagen an, bevor er operiert. Eine schwarzgewandete Frau - anscheinend mit
Bauchverletzung -, schreit vor Schmerzen auf, als Ärzte versuchen, ihr für die Operation die Kleider auszuziehen. Und an
anderer Stelle des Bandes: Man sieht, wie sich ein Rinnsal Blut von der frischen Einschlagsstelle einer - wahrscheinlich
britischen - Granate ergießt. Direkt neben dem Krater ein paar Plastikslipper.Diese Al-Dschasiera-Bänder, das meiste Material noch ungezeigt, sind der erste faktische Beweis, dass die Briten Basra noch
längst nicht eingenommen haben. Sie beweisen nicht nur, dass eine der Hauptstraßen Richtung Bagdad nach wie vor passierbar
ist - über sie gelangten ja die 3 Haupt-Videos nach Bagdad -, sondern zeigen auch ein Interview mit General Khaled Hatem,
geführt mitten auf einer Basraer Straße. Hatem ist dabei umgeben von hunderten seiner uniformierten, bewaffneten Soldaten,
während er dem A-Dschasira-Reporter erklärt, seine Männer würden sich den Feinden Iraks "niemals" ergeben. Gleichfalls auf
den Straßen der Stadt zu sehen sind bewaffnete Milizionäre der Bath-Partei. Daneben Verkehrpolizisten, die Kleinlaster u.
Busse dirigieren. Die Aufnahme entstanden neben dem Basraer Sheraton-Hotel.Den Al-Dschasiera-Korrespondenten in Basra, Mohamed al-Abdullah, halte ich für den derzeit mutigsten Journalisten im Irak.
3 Videobänder lang sieht man, wie er unter Feuer Interviews mit Familien führt oder wie er mit ruhiger Gelassenheit den gerade
einsetzenden britischen Artilleriebeschuss kommentiert. Auf einem der Bänder ist zu erkennen, dass auch das Sheraton-Hotel in
Basra (am Ufer des Flusses Shatt al-Arab) durch Granaten beschädigt ist. Am Flussufer sieht man Einwohner Basras mit leeren
Nachttöpfen Wasser aus dem abwasserverseuchten Fluss schöpfen. Daneben das riesige Denkmal der irakischen
Kriegsmärtyrer des 1980 - 88 Kriegs. Jeder der Märtyrer deutet mit vorwurfsvoll erhobenem Finger über das Wasser
Richtung Iran. Vor 5 Tagen erklärte die irakische Regierung, es hätte in Basra 30 tote Zivilisten u. 63 Verwundete gegeben.
Gestern sprach die irakische Regierung von insgesamt über 4 000 verletzten u. über 350 toten Zivilisten im Irak seit
Kriegsausbruch.Auf Mr. Abdullahs Videotapes sind mindestens 7 weitere Leichen zu sehen, Leichname, die innerhalb der letzten 36 Stunden in
die Leichenhalle des Basraer Krankenhauses gebracht wurden. Ein Mann - aus seinem Kopf tropft noch Blut auf den
Leichenhallenboden - wird später als der arabische Korrespondent einer westlichen Nachrichtenagentur identifiziert werden.
Eine andere schreckliche Szene zeigt ein teilweise enthauptetes kleines Mädchen, den roten Schal noch immer um den Hals
gelegt. Ein weiteres kleines Mädchen auf einer Bahre liegend - ohne Gehirn, auch das linke Ohr fehlt. Und noch ein totes Kind
- die Füße weggerissen. Ob diese Kinder der britischen Artillerie oder jener der Amerikaner zum Opfer fielen, ist nicht
ersichtlich. Auch finden sich auf dem Band keinerlei Hinweise auf Opfer auf Seiten des irakischen Militärs. Dennoch: In einer
Zeit, da die irakische Regierung westlichen Reportern den Zugang nach Basra verweigert, stellen diese Bänder die bestmöglich
unabhängige Bestätigung dafür dar, dass der Widerstand in Basra kontinuierlich anhält u. die Briten es nicht schaffen, die Stadt
einzunehmen. Den optimistischen Berichten sogenannter "eingebetteter" Reporter ('embedded reporters'), vor allem der BBC,
die den Eindruck eines "gesicherten", zumindest aber irgendwie von den Briten kontrollierten Basras, vermitteln, widersprechen
die Irakis schon seit Tagen. Die Videoaufnahmen bestätigen nun die Unwahrheit jener Berichte. Auf einem der Bänder die
Aufnahme zweier schwarzhäutiger Männer, von denen das irakische Militär behauptet, es seien amerikanische
Kriegsgefangene. Die Männer werden nicht befragt. Beide tragen dieselben schwarzen Shirts u. Jacken. Nervös starren sie auf
die Kamera-Crew u. den Pulk irakischer Soldaten hinter sich.Möglich, dass es in Basra während der letzten Tage tatsächlich zu geringem Widerstand gegen das irakische Regime
gekommen ist, wie von britischen Offizieren behauptet. Aber sieht man sich diese Bänder an, so kann man sich schwer
vorstellen, dass es (falls überhaupt) zu viel mehr als einem kurzen Schusswechsel gekommen ist. Diese nicht redigierten Berichte
sind daher der vernichtende Beweis, dass britisch-amerikanische Sprecher in Bezug auf die Schlacht um Basra nicht die
Wahrheit sagten - eine für die Invasionsarmeen letztendlich viel verheerendere Tatsache, als die Bilder zweier toter britischer
Soldaten beziehungsweise die Aufnahmen toter irakischer Kinder (irakisches Leben ist schließlich nicht weniger heilig als
britisches).
Die Briten tun offenbar wieder einmal, was sie seit den Napoleonischen Kriegen am besten können: blockieren und abwarten. Selber sind und waren sie ausser auf See in der jüngsten Geschichte schon immer zu schwach um eine grössere militärische Operation zu Lande ohne massive Unerstützung durch Verbündete zu ihren Gunsten entscheiden zu können.Gruss
Andreas