Re: Architekt des Krieges "Professor War"

Geschrieben von Bern am 21. März 2003 08:01:18:

Als Antwort auf: Architekt des Krieges "Professor War" geschrieben von Freiwild am 21. März 2003 05:12:27:

man kanns auch kürzer sagen.
Illuminierte Kriegstreiberzionisten.
bernd
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>US-Invasion
>
>Professor War
>Von Gerhard Spörl, Washington
>Der Krieg, der heute Nacht begann, hat einen glühenden Vordenker: Paul Wolfowitz, stellvertretender US-Verteidigungsminister und eifernder Großmachts-Missionar, lieferte die Hymne für die große Schlacht gegen Saddam Hussein. Die Geschichte, so sein düsteres Lied, ist ein Ort der Tragödien.
>Der Krieg gegen den Irak hat etliche Propheten. Den fischig-kalten Richard Cheney feiern die großen US- Zeitungen momentan als Triumphator der Stunde, weil er aus seiner Verachtung für die Vereinten Nationen nie einen Hehl gemacht hat und deshalb die ganze Prozedur für verschwendete Zeit hält.
>Natürlich wenden sich jetzt auch viele Augen im patriotismus-seligen Amerika Donald Rumsfeld zu, der die Europäer so hübsch in Weißglut versetzen kann und von nun an Herr über den Krieg sein wird. Als er am 5.März zum Rapport ins Weiße Haus ging, war die Entscheidung zum Präventivschlag ohne die lästige Anteilnahme übermäßig vieler Alliierter gefallen. Doch weder Rumsfeld noch sein alter Freund Cheney dürfen sich eigentlich als große Seher des zweiten Golfkrieges rühmen lassen. Dieser zweifelhafte Verdienst gebührt einzig und allein einem eher kleinen, klugen Zivilisten, der mit milder, leicht brüchiger Stimme und dem Aussehen des ewigen College-Kids seit Jahren den Fall Saddam begründet.
>Rumsfeld und Cheney sind austauschbare Machtpolitiker, allerdings von besonders hartem Schrot. Wolfowitz dagegen ist ein Moralist mit einer Mission. Für ihn ist die Macht des Präsidenten und die Allmacht des amerikanischen Militärs Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck wie für die beiden anderen.
>Die pathetischen Schwanengesänge, die Präsident Bush über die schöne neue demokratische Welt im Nahen Osten angestimmt hat, flossen ursprünglich aus der Feder von Wolfowitz. Für ihn ist der Regimewechsel im Irak eine bloße Selbstverständlichkeit. Er hat eine erprobte Abneigung gegen Gewaltherrscher und, wenn es in Zukunft nach ihm geht, was nicht einmal unwahrscheinlich ist, darf die in seinen Augen korrupte und autokratische Kamarilla in Saudi-Arabien schon einmal über ihr Traum- Exil nachdenken. Das wäre dann der endgültige Triumph des Intellektuellen im Pentagon, der Nummer Zwei, die es wohl niemals zur Nummer Eins bringen wird, weil da immer schon ein anderer sitzt. Es wäre das endgültige Ende einer Ära der amoralischen amerikanischen Außenpolitik, geprägt seit Ende der sechziger Jahre von Henry Kissinger und seinen Schülern. Es fragt sich nur: zu welchem Preis?
>Machthungriger Akademiker
>Wolfowitz ist selbst für amerikanische Verhältnisse ein Unikat. Er gehört zu den Pendlern zwischen akademischer Welt und Washington. Er war dreimal im Außenministerium und dreimal im Pentagon. Zwischendurch lehrte er in Yale und war Dekan der Johns Hopkins Universität. Das Wissen allein war ihm wohl nie Befriedigung genug. Die Macht, und was sich mit ihr bewirken lässt, hat ihn allemal mehr gefangen genommen. Normalerweise haben sich die kreuzzüglerischen Neokonservativen ihre Lebenswunden entweder in Vietnam zugezogen oder im Kampf gegen die Linke seither. Wolfowitz, 58, ist der Sohn eines Mathematikers, der Polen schon nach dem Ersten Weltkrieg verlassen hatte. Der Rest der Familie kam im Holocaust um.
>"Das Gefühl dafür, was in Europa im Zweiten Weltkrieg passiert ist, hat viele meiner Ansichten geprägt", sagt er. "Es ist einfach furchtbar, wenn Menschen andere Menschen umbringen, und wenn ein Volk Minderheiten auslöscht. Es ist sicher nicht so, dass man solche Dinge auf der Welt verhindern kann, aber es ist gleichermaßen falsch, den Versuch als bloß humanitäres Wunschdenken abzutun, als stünde es nicht in Verbindung mit wirklichen Interessen."
>Das Wunschdenken nach Neuordnung im Nahen Osten steht in der Tradition des Macht gestützten amerikanischen Idealismus, der Freiheit und Marktwirtschaft in alle Winkel der Erde tragen möchte, die Amerika als ihre Interessensphäre betrachtet. Aus Wolfowitz' Sicht ist damit das Bestreben verbunden, den Terrorismus an einer seiner zentralen Brutstätten zu bekämpfen. Dass die Straße nach Jerusalem über Bagdad führt und mit einem eigenen Palästinenserstaat gepflastert sein wird, hat er der konservativen jüdischen Lobby in Amerika zu deren Missfallen klar gemacht. Außerdem lässt sich im Zuge der Neuordnung der Region ziemlich schnell über das Brechen des Opec- Kartells nachdenken.
>Beschwingt in den Kampf gegen den Terror
>Wolfowitz' Weltsicht kommt durch eine verwegene Mixtur aus Pessimismus, Optimismus und Ungeduld zustande. Aus Pessimismus sieht er in der Welt eine Fülle von Feinden am Werke. Deshalb hat ihn der 11.September 2001 wohl tatsächlich weniger überrascht als andere. Die Geschichte ist für ihn einfach ein Ort der Tragödien, die sich immer und überall ereignen. Aus Optimismus glaubt er jedoch, dass die Vereinigten Staaten, mächtig wie sie sind, das Böse besiegen können. Der Beweis dafür ist für alle Neokonservativen, die wie Wolfowitz oder auch Richard Perle unter ihrem Idol Ronald Reagan in ihren besten Jahren gearbeitet haben, der Untergang des sowjetischen Weltreiches. Der Glaube, dass die Terroristen in einem - zugegeben asymmetrischen - Krieg besiegt werden können, speist sich aus dieser beschwingenden Erfahrung.
>Aus Ungeduld ist Wolfowitz zum Unilateralisten geworden. Für Neokonservative dieser Denkungsart mutet es wie ein Treppenwitz an, dass sich eine beispiellos überlegene Weltmacht wie die Vereinigten Staaten Regeln und Recht, Verträgen und Institutionen unterwerfen soll, die für andere Verhältnisse zu anderen Zeiten erfunden worden sind. Und diese Theorie von der Handlungsfreiheit der Hegemonialmacht vertritt Wolfowitz schon seit dem Ende des Kalten Krieges.
>Als die ruhmreiche Sowjetmacht langsam zusammenbrach, war Richard Cheney Verteidigungsminister und gab zweien seiner strategisch begabten Vordenker im Haus, Paul Wolfowitz und Colin Powell, den Auftrag, die Bedeutung der historischen Zäsur für die Stellung Amerikas in der Welt auszuloten. Um den missionarischen Intellektuellen Wolfowitz sammelten sich schon damals Leitfiguren wie William Kristol (ein Intellektueller, der den "Weekly Standard" herausgibt, das Hausorgan des Neokonservativismus), James Woolsey (ehedem CIA-Chef) oder Richard Perle (heute Rumsfeld- Berater), die in der amerikanischen Öffentlichkeit heute wieder eine große Rolle spielen.
>Der charismatische Powell aber, der bis zum Scheitern der Uno-Verhandlungen einen Ruf wie Donnerhall genoss, stand schon damals vor allem für sich selber. Was Wolfowitz und Powell im Laufe der Jahre ersonnen haben, dafür hat sich ein hübscher Ausdruck eingebürgert: "Cheneys Lied für Amerika". Es ist ein Lied mit einer Grundmelodie und zwei Refrains, wie bei so unterschiedlichen Sängern nicht anders zu erwarten. Powells Überlegungen fielen schon damals moderat aus: Die USA seien der einzige Ordnungsfaktor auf der Weltbühne, der sich nach dem Kalten Krieg allerdings auf unübersichtliche regionale Konflikte einstellen müsse. Amerika bleibe deshalb auf Alliierte angewiesen und müsse im Übrigen sein Monopol als Weltmacht verteidigen - mit diplomatischen Mitteln. So denkt und argumentiert der Außenminister Powell noch heute.
>Konkurrenten am Aufstieg hindern
>Auch Wolfowitz räumte dem "unipolaren Moment" höchste Priorität ein. Die militärische Überlegenheit Amerikas dient in dieser Logik jedoch vor allem dazu, neue Konkurrenten, sei es in Asien, sei es in Europa, am Aufstieg zu behindern - mit Mitteln, die nicht unbedingt auf die Diplomatie beschränkt bleiben müssen. So gesehen ist die Abspaltung des neuen Europa vom alten eine erfreuliche Entwicklung, macht sie doch das Entstehen eines politisch, wirtschaftlich und militärisch einigen Kontinents zumindest auf mittlere Sicht unwahrscheinlich.
>Die Ideenkonstrukte der beiden flanieren seither durch viele außenpolitische Traktate. In den neunziger Jahren hatte eher Powell die Oberhand, bis sich dann Wolfowitz mit seinen radikalen Vorstellungen durchsetzte, weil George W. Bush Präsident wurde und sich die Anschläge am 11.September 2001 ereigneten. Die Ideen fanden sich erstmals in Reinkultur in einer Rede wieder, die Präsident Bush im vergangenen Frühsommer in West Point hielt.
>Alleingänge und Präventivkriege
>Damit erregte er weltweit Aufsehen, weil er aggressiv das Recht Amerikas auf Alleingänge und Präventivkriege verteidigte. Sie gingen danach in die "Nationale Sicherheitsstrategie" ein, die sich das Weiße Haus im Juli zueigen machte. Jetzt ist das Lied Richard Cheneys für Amerika aus der Feder des strategischen Weltendenkers Paul Wolfowitz zur Hymne Amerikas im Irak-Krieg geworden.
>Der Krieg, der heute Nacht beginnen soll, verdankt sich eigentlich einem komplizierten Gedankengang, dem Paul Wolfowitz als erster und konsequenter als andere Neokonservative nachgegangen ist. Doch eines hat er nicht abgesehen: dass sich kein werbewirksamer konkreter Grund für den Regimewechsel in Bagdad finden lassen würde.
>Was bleibt, ist der Wunsch des Weißen Hauses nach Beseitigung eines Diktatoren, der die Massenvernichtungswaffen im großen und ganzen dem Westen verdankt, unter anderem Amerika, dessen Freund Saddam war, als der Iran der beginnenden Mullah-Herrschaft der Hauptfeind war.
>Im Krieg, sagen die Amerikaner, ist nur die erste Kugel sicher. Von da an sind all die schönen Pläne, die sich etwa das Pentagon ausgedacht hat, im Zweifelsfall hinfällig. Der Verlauf des Krieges hängt von der Gegenwehr ab, die Saddam Hussein leisten wird - und den Mitteln, die er einsetzt.
>Und über jeden Krieg bildet sich die Welt mindestens zweimal ein Urteil: am Anfang und am Ende. Erst am Ende werden wir wissen, ob der kleine Prophet Paul Wolfowitz wirklich Recht behalten sollte.



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