N: Beißt Amerika in der UNO auf Granit?

Geschrieben von Subman am 11. März 2003 12:13:20:

Als Antwort auf: N: Die größte Beute aller Zeiten heisst Irak u. ist 2800 Milliarden Dollar wert geschrieben von XI am 11. März 2003 10:30:09:

Beißt Amerika in der UNO auf Granit?
Im Ringen um die Irak-Resolution kündigt Russland Widerstand gegen die USA an - und setzt sich damit vor Frankreich an die Spitze der Ablehnungsfront. Doch das Ringen um einen Kompromiss geht unvermindert weiter

von Torsten Krauel und Thomas Kielinger

Die Ankündigung Russlands, gegen die amerikanisch-britische Irak-Resolution ein Veto einzulegen, legt vordergründig nahe: George W. Bush wird für einen Krieg gegen Saddam Hussein, der sich auf die explizite Feststellung eines "materiellen Bruchs" der Resolution 1441 stützen kann, in der UNO kein grünes Licht mehr erhalten. Selbst wenn es Washington gelingen sollte, die Mehrzahl der unentschlossenen Mitglieder des Gremiums auf seine Seite zu ziehen - ein Veto machte diesen diplomatischen Kraftakt bedeutungslos. Überdies haben die ständigen Ratsmächte Russland, Frankreich und China bisher jedenfalls augenscheinlich fest verabredet, nicht unterschiedlich abzustimmen. Das lässt ein Veto auch aus Paris und Peking erwarten. Die Achse gegen Bush, scheint es, steht.

Und doch: Die Vielschichtigkeit moderner Außenpolitik setzt der Gewissheit, das Ergebnis der UN-Abstimmung nun zu kennen, immer noch Grenzen. Die Unsicherheit beginnt bereits bei der Frage, ob Außenminister Igor Iwanow wirklich exakt ein Veto angekündigt hat. Iwanows Formulierung anlässlich einer Rede in der Moskauer Universität lautete: Russland werde "dagegen stimmen", wenn die USA und Großbritannien ihren "derzeit vorliegenden" Resolutionsentwurf einbrächten, "der inakzeptable ultimatumsartige Forderungen enthält". Ein Sprecher des Außenministeriums bestätigte zwar, Iwanow habe in der Tat ein Veto gemeint. Doch sich als Minister undeutlich zu äußern und die Äußerung durch einen Sprecher interpretieren zu lassen ist ein beliebtes Mittel, Druck aufzubauen. Und Iwanow war undeutlich. "Derzeit vorliegend": Eine Resolution, die im Wortlaut leicht abgeändert würde, wäre vielleicht eine neue Grundlage. Vor allem aber: "Dagegen stimmen" ist eben nicht noch identisch mit einem Veto. Allerdings geht man in Berliner Regierungskreisen davon aus, dass die Moskauer Drohung ernst und mit Sicherheit nicht als Ankündigung des Gegenteils gemeint ist.

Sollten Paris und Moskau genügend Neinstimmen im Sicherheitsrat sammeln können, entfiele die Notwendigkeit, eine etwaige amerikanische Mehrheit durch die letzte Waffe Veto zu Fall bringen zu müssen. Genau dies aber strebt die französisch-russische Achse derzeit an. Es gibt zumindest keinen anderen Grund, den diplomatische Beobachter in Betracht ziehen, um zu ergründen, weshalb Außenminister Dominique de Villepin in den vergangenen 48 Stunden eine Blitzreise auf dem afrikanischen Kontinent unternahm.

Die Interessenabwägung zumal Moskaus ist vielschichtig. Noch am vergangenen Wochenende war ein enger Vertrauter Putins zu Gesprächen bei Präsident George W. Bush eingetroffen. Putin selber telefonierte zusätzlich mit Bush. Er tat dies auch mit Chirac und Schröder - aber ein Gespräch mit Bush wäre zwecklos gewesen, wenn der russische Präsident ihm nur hätte mitteilen wollen, an seiner, Putins, Beurteilung der Lage habe sich nichts geändert. Es ging, davon lässt sich ausgehen, um konkrete Entscheidungen.

London sieht es so: Durch seinen Vorstoß hat sich Moskau an die Spitze der Ablehner-Staaten gesetzt, seiner eigenen von ihm so eingeschätzten Großmachtstellung entsprechend. Moskau möchte damit auch als Erster indirekt Wünsche und Bedingungen einbringen, die erfüllt werden müssten, soll sein Nein noch umgestimmt werden. Anders ausgedrückt: Russland hat lange genug dem französischen Betreiben zugeschaut und jetzt bemerkt, dass sein eigenes Einflussprofil dabei in den Hintergrund getreten ist. Das kann man in Moskau nicht so stehen lassen. Die Ordnung der Dinge muss wieder hergestellt werden: Nicht Russland kann so aussehen, als folge es Frankreich, sondern Frankreich muss abwarten, was Russland entscheidet; dann mag es seine Würfel werfen. Wie Moskau, geht, so gehe bitte Frankreich - nicht umgekehrt. Lässt man sich an der Moskwa durch neue Kompromissvorschläge umstimmen, so das Kalkül in Whitehall, dann würde auch Paris in Zugzwang kommen, sein kategorisches Nein zu überdenken. Nicht Frankreich muss daher von London und Washington zufrieden gestellt werden - das hat man inzwischen aufgegeben. Moskau vielmehr ist der erste und vorrangige Gegenpol.

Nach wie vor gilt: Russland und China verbindet mit den USA eine derart gravierende Interessenvielfalt, dass ein vor der Weltöffentlichkeit vollzogener Bruch als äußerst riskante Option erscheint. Ein Veto, das eine potenzielle amerikanische Stimmenmehrheit torpedierte, würde Amerika fraglos zu Reaktionen herausfordern. Die USA, die mit ihrem ganzen politischen und wirtschaftlichen Gewicht auf Stimmensuche gehen, könnten ein vorab zweifelsfrei angekündigtes Veto indirekt sogar zu ihren Gunsten nutzen. Denn damit würde den bislang unentschiedenen Mitgliedern des Sicherheitsrates wie Chile oder Angola die Entscheidung erleichtert, sich eine pro-amerikanische Haltung durch Zugeständnisse Washingtons versüssen zu lassen. Sie bliebe ja mit Bezug auf den eigentlichen Anlass folgenlos: Sie gewännen ökonomische oder politische Vorteile, brauchten aber nicht zu fürchten, für einen Krieg in Haftung genommen zu werden.

Die komplizierte Natur der Thematik lässt erwarten, dass eine endgültige Entscheidung erst in den letzten Stunden, ja vielleicht sogar Minuten vor der Abstimmung über den britisch-amerikanischen Textentwurf fallen wird. In London wird fieberhaft an Auswegen aus der verfahrenen Lage gesucht. Man denkt dort vor allem an zwei Dinge: Erstens die Liste der von Irak zu erfüllenden Aufgaben, welche die Angloamerikanern jetzt ihrem Entwurf beigegeben haben, zu veröffentlichen. Damit hätte man demonstriert, dass man sich den Bedenken der Kriegsgegner durchaus geöffnet habe. Denn von solchen "benchmarks", dass heißt von konkreten Antworten auf konkrete Fragen an den Irak, war schon seit einem ähnlichen Vorschlag der Kanadier vor einiger Zeit die Rede gewesen. Doch sowohl Colin Powell wie auch sein britischer Kollege Straw hatten diesen Gedanken abgelehnt, da sie fürchteten, über eine solche "Wäscheliste" in eine endlose Verzögerung hineingezogen zu werden. Kommt eine solche Liste jetzt doch, mithin die bislang abgelehnten "benchmarks"?

Wichtiger noch ist der Ablauf des Ultimatums. Auch hier gibt es noch eine Marge des Entgegenkommens gegenüber Moskau, das die Befristung auf den 17. März ablehnt. Zwei, drei Tage könnten dieser Frist angehängt werden, äußerstenfalls eine Woche. So weit könnte Bush seinem Freund Blair, angesichts dessen prekärer innnenpolitischer Position, sowie dem russischen Partner entgegen kommen. Mehr aber nicht.

Das Weiße Haus ließ am Wochenende wissen, man beabsichtige, die Resolution am heutigen Dienstag zur Abstimmung zu stellen. Dem folgten gestern Hinweise, frühestens Mittwoch werde es dazu kommen. Eine Verlängerung der Frist bis Donnerstag, Freitag, womöglich Montag ist möglich, ja wahrscheinlich. Bis dahin bleibt aller Andeutungen aus Moskau zum Trotz die Tür noch einen Spalt offen.

Artikel erschienen am 11. Mär 2003




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