Egoisten und Individualisten - die Neanderthaler der Neuzeit
Geschrieben von Torsten am 05. März 2003 14:33:59:
Liebe Leute,
zum Ende der letzten Eiszeit wanderten unsere Vorfahren (Homo sapiens sapiens) nach Europa ein und verdrängten die hier siedelnden Neanderthaler (Homo sapiens neanderthalensis, manchmal auch Homo neanderthalensis genannt), bis sie schließlich verschwanden. Inwieweit das gewaltsam oder durch Einschränkung der Lebensräume und damit Nahrungsquellen erfolgte, sei dahingestellt; wahrscheinlich Beides.
Was aber sicher ist: Der Homo sapiens sapiens war einfach besser in der Lage, sich in Gruppen zu organisieren und in Gemeinschaften technische Fortschritte zu erzielen sowie seine Umwelt zu gestalten. Er war im darwischen Sinne "fitter". Dabei wird die Übersetzung "stärker" häufig falsch ausgelegt, da "fit" auch fähiger, geeigneter oder angepaßter bedeutet. Die Stärke bestand nicht in der des Individuums, sondern in der sinnvollen Nutzung der Fähigkeiten der Einzelnen im Interesse der Gruppe.
Das wird heute zunehmend verlassen. Obwohl im großen Maßstab eine immer stärkere Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit zu beobachten ist, tritt gerade in unserer "zivilisierten westlichen Welt" eine immer stärkere Abgrenzung ein. Ob das die Industrieller von Arbeitern ist oder die der Wohnungsnachbarn in den Städten - die Individualisierung betrifft alle Lebensbereiche. Die Medien tragen ihren Teil dazu bei: Ständig wird das Ideal des eigenen Stils und Weges propagiert.
Zudem wird Konkurrenzdenken geschürt. Anstatt sich für etwas (der Gemeinschaft nützliches) einzusetzen, werden Menschen von Kindesbeinen trainiert, sich gegen etwas (zum eigenen Nutzen) durchzusetzen. So wurden Egoismus und Individualismus zu Tugenden erhoben, die das mehrheitliche Verhalten bestimmen.
Das führt dazu, daß keine gemeinsamen Ziele mehr verfolgt werden (die aufgrund der genannten Verflechtung global sein müßten), sondern viele verschiedene. Zwar auch im globalen Maßstab, aber nur im Interesse bestimmter Gruppen. Das Ergebnis kann man in der Tageszeitung nachlesen: Wirtschaftskrisen, Konfliktherde, wachsendes Sozialgefälle (national wie global), Umweltschäden, Klimawandel wie sogar auch Unfälle (weil jemand zur Gewinnoptimierung zuwenig Fluglotsen einsetzt, Radkonstruktionen von Zügen nicht ausreichend testet oder in alten Rostkähnen Schweröl um die halbe Erde gondelt).
Kurz: Viele Menschen handeln ihrer Natur als soziales Wesen zuwider, was in Verbindung mit heutigen technischen Möglichkeiten verheerende Folgen hat. Die eigenen Existenzbedingungen werden untergraben. Nicht die unmittelbaren des Egoisten und Induvidualisten, aber vielleicht seine zukünftigen und sicher die seiner Nachfahren. Weil der Egoist und Individualist aber weder geneigt noch imstande ist, Interessen und Probleme der Gemeinschaft zu erfassen und vernünftig anzugehen, wird er folgerichtig solange Schäden anrichten, bis deren Folgen ihre Fortsetztung ausschließen. Beispielsweise kann man die fossilen Brennstoffe genau einmal verplempern.
An irgendeinem Punkt werden diese Folgen Ausmaße annehmen, die Handeln im gemeinschaftlichen Interesse unumgänglich machen. Es werden sich Gemeinschaften bilden, deren Mitglieder dazu in der Lage sind. Da Umdenken und eine grundsätzliche Verhaltensänderung ein langer Prozeß ist, werden Egoisten und Individualisten in diesen Gemeinschaften keinen Platz finden und - gewaltsam oder verdrängt - mangels Anpassung an neue Umweltbedingungen aussterben. Wie die Neanderthaler. Sie werden ein schweres Erbe hinterlassen, aber das wird durch gemeinnütziges und strategisches Denken und Handeln zu bewältigen sein.
Viele Grüße
Torsten