Sabine Christiansen-Chat mit Scholl-Latour

Geschrieben von Marc Almond am 03. März 2003 14:32:38:

Der kopierte Text vom Sabine Christiansen-Chat gestern. Ist ein bischen lang, aber vielleicht interessiert es ja einige unter euch.
Gruß Marc Almond

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Moderator: Wir warten noch auf Herrn Scholl-Latour,
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schlesinger1: Warum wird in den Diskussionen nie erwähnt, dass bereits 1983 die amerikanische Regierung in Person des derzeitigen Verteidigungsministers Rumsfeld, Saddam Hussein aktiv unterstützt hat in seinem von den Amerikanern gewünschten Krieg gegen den Iran?
PeterSchollLatour: Bitte lesen Sie mein letztes buch, das steht das ausführlich drin.

Monaco1: Herr Scholl-Latour, Frau Redgrave's Sorge über einen Anstieg des Terrorismus angesichts der neuen amerikanischen Weltpolitik exerziert am Beispiel Irak als einem arabischen Staat, scheint absolut begründet und realistisch, wie sehen Sie das?
PeterSchollLatour: Aus dem Irak ist der Terrorismus nicht gekommen, so schrecklich das Regime im Innern auch ist. Am 11. September war kein Iraker beteiligt.

Thorti1: Herr S.L. , Grundsätzlich teile ich Ihre Auffassung über amerikanisches Engagement weltweit, doch was soll Ihrer Meinung nach mit der dort etablierten Diktatur geschehen, unter der die Bevölkerung zu leiden hat ? Soll man gar nichts unternehmen ?
PeterSchollLatour: Es ist ein guter Vorsatz, den man aber auch in anderen Ländern dann verwirklichen sollte. Es gibt genügend blutige Diktaturen, die mit dem Westen aufs Engste verbunden sind.

korgull1: wie würde das irakische volk / "öffentlichkeit" auf die erklärung saddam husseins zum kriegsverbrecher reagieren?
PeterSchollLatour: Ich glaube nicht, dass sie ihn speziell als Kriegsverbrecher betrachten, sondern als unerträglichen Tyrannen. ber dier Amererikaner haben bisher auch keine Alternative geboten.

Rabbit1: Herr Scholl-Latour, würden sie die Kontrolle über das irakische Öl als ein Kriegsziel für die USA bezeichnen?
Meldung an den Moderator (wird geprüft und eventuell freigeschaltet): Herr Scholl-Latour, Sehen Sie im Falle eines amerikanischen Angriffs auf den Irak eine ersthafte Bedrohung Deutschlands durch terroristische Anschläge?
PeterSchollLatour: Durchaus. Für die amerikanische Welt-Friedensordnung, wie Präsident Bush sich vorstellt, ist die weltweite Kontrolle über das Er döl ein unentbehrliches Instrument.

wepa2: Welche Strategie zur Befreiung des Irak von Sadam schlagen Sie vor?
PeterSchollLatour: Die amerikanischen Generale sind da sehr viel zögerlicher als die amerikanischen Politiker. Die Amerikaner werden versuchen, den Häuserkampf in Bagdad zu vermeiden. Aber ohne die Kontrolle über Bagdad ist die Schaffung normaler oder gar demokratischer Verhältnisse gar nicht vorstellbar.

Joergerl1: Wie werden sich nach Ihrer Einschätzung Saddam Hussein und die irakische Armee im Falle eines Krieges angesichts der Übermacht der Amerikaner und Allierten verhalten ?
PeterSchollLatour: Die Armee wird schnell zusammenbrechen, es kann sein, dass das Regime Husseins in wenigen TAgen weggefegt wird. Aber die weit verbreitete Feindschaft gegen Saddam Hussein bedeutet noch längst nicht, dass die Iraker pro amerikanisch sind.

Steve1: Wenn Bush die Demokratie im mittleren osten will, warum wurde sie nicht in Kuweit oder Saudi-Arabien durchgesetzt, zu denen die USA ein viel besseren Draht haben?
PeterSchollLatour: Das ist eine sehr kluge Frage. Der westlichen Politik haftet nämlich der Geruch der Heuchelei an.

Felix2: sollte in der schule verstärkt über das thema irak gesprochen werden? wenn ja, wie verschaft sich die klasse in der kurzen unterrichtszeit einen guten überblick über dieses sehr umfangreiche thema? -reichen da zeitungsartikel etc. ?
PeterSchollLatour: Ich befürchte, dass die Lehrer in diesem FAlle überfordert wären und ihren parteipolitischen Neigungen den Vorzug geben.

paul3: warum ist jede amerikanische regierung proisraelisch?
PeterSchollLatour: Der Sohn Bush ist wesentlich stärker den israelischen Wünschen offen, als es z.B. sein Vater war.

Meldung an den Moderator (wird geprüft und eventuell freigeschaltet): In der Sendung wurde erwähnt,dass Israel den Krieg für ethnische Säuberungen ausnutzen würde. Könnte das passieren?
janwillem1: Sollten wir als "westliche demokratische" Staaten nicht in Dialog mit der "arabisch-moslimische" Welt treten, so wie wir es früher mit dem "osten" gemacht haben (Stichwort Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit)?
PeterSchollLatour: Wir haben gar nicht die Wahl. Die islamische Welt befindet sich in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und ist in Europa stark vertreten. Aber die religiösenb Probleme, die sich dabei stellen, sind ganz anderer Natur als seinerzeit bei dem Ausgleich mit dem Osten.

kulmen1: Guten Abend Herr Scholl - Latour .Was kommt nach Irak?Welches Land ist nach Irak der nächste?Wird die USA vielleicht den Iran oder Saudi Arabien als nächsten vornehmen?
PeterSchollLatour: Eine ausgezeichnete Frage, die an diesem Abend leider nicht gestellt wurde.

ulme1: herr scholl-latour, wieso wird nicht verstärkter der kern des kriegsproblems angegangen. ich meine, wieso haben sämtliche schurkenstaaten dieser welt die möglichkeiten sich immer wieder mit westlichen waffen einzudecken?
PeterSchollLatour: Die Raffgier der Industrie ist eben stärker als der Sinn für Vernunft und sogar Selbsterhaltung.

ShabDe1: Herr Scholl-Latour,es ist immer eine Freude, sie im TV zu sehen. Frage: Falls die Deutsch-Französische Linie wegen des von Russland angekündigten Vetos bei der UN erfolgt haben sollte, meinen Sie wir sind in Zukunft mit diesen Alliierten gut beraten?
PeterSchollLatour: Der Irakkonflikt hat zur Folge, dass die europäische Union nur noch eine Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft ist. Ein harter und auch verteidigungsfähiger Kern ließe sich tatsächlich nur durch Deutschland und Frankreich bilden, aber dafür fehlt die Vision eines großen Staatsmannes.

Phoenix1: Guten Abend Herr Scholl-Latour. Sind Sie auch der Meinung, dass die heutige Situation im Nahen Osten bereits auf die am Ende des Ersten Weltkrieges erfolgte künstliche Staatenbildung zurückzuführen ist?
Meldung an den Moderator (wird geprüft und eventuell freigeschaltet): Seehr geehter Herr Scholl-Latour:Wann wird Ihrer Meinung nach der Angriff auf den Irak stattfinden ?
PeterSchollLatour: Die Aufteilung des osmanischen Reiches war zweifellos am Anfang dieser Probleme, aber es sind zahllose andere hinzugekommen.

Ursula2: Warum hat sich Bush sen. im 1. Irakkrieg kurz vor Bagdad zurückgezogen und Saddam Hussein nicht gefangengenommen? Warum hat er den CIA nicht Saddam Hussein umbringen lassen? Warum tut dies George W. nicht? Welche Alternative sehen Sie zum Krieg??
PeterSchollLatour: Es gibt eine These, wonach Bush 1991 davon ausging, dass Saddam Hussein von innen gestürzt würde. Heute fehlt offenbar dem amerikanischen Geheimdienst bislang die Fähigkeit, die Liqudierung Saddam Husseins zu vollziehen.

Marcel2: Mindern die aktuellen Anti-Kriegs-Demonstrationen den Druck auf Hussein, den die Amerikaner durch ihr militärisches Aufmarschieren erzeugen? Erwecken die Demos den Eindruck, die Mehrheit der Welt stehe sogar eher hinter Saddam als hinter den USA?
PeterSchollLatour: Die Kundgebungen sind ja kein Sympathiebeweis für Saddam Hussein, sondern daraus spricht die Angst for einer unkontrollierbaren Ausweitung des Konflikts.

Felix181: Herr Scholl-Latour, was ist ihrer Ansicht nach der Grund für den Hass auf die Amerikaner (oder generell Christen?) in den Arabischen Staaten?
PeterSchollLatour: Seltsamerweise habe ich sehr selten bei den Arabern Hass gegen die Amerikaner als Volk angetroffen. Die Situation der Christen im Orient ist schwierig und wird durch das Aufkommen religiöser Unduldsamkeit eventuell noch bedrohlicher, zumal im Irak.

Stephan4: Inwieweit könnte der Massenmord im Welthandelszentrum zur ideologischen Vorbereitung der Weltbevölkerung auf einen "Säuberungsschlag" im gesamten nahen Osten gedient haben?
PeterSchollLatour: Zweifellos hat der Anschlag auf das World Trade Center den weltweiten Kampf Präsident Bushs in Bewegung gesetzt und motiviert.

dada1: Wie denken die Menschen im Irak über Amerika und Europa?
PeterSchollLatour: Man ist erstaunt, dass einem Europäer oder Amerikaner im Irak fast nie persönliche Feindschaft entgegenschlägt. Die Feindseligkeit richtet sich vornehmlich gegen gewisse Aspekte der amerikanischen Politik.

chris1: Wie wird die UN reagieren wenn die USA und ihre Verbündeten (GB, Spanien,...) ohne UN-Mandat den Irak angreifen ?
PeterSchollLatour: Die UNO hat ohnehin ihre Bedeutung weitgehend eingebüßt und wird durch die endlosen Debatten im Weltsicherheitsrat weit überschätzt.

disput1: Könnte aus dem Krieg im Irak der dritte Weltkrieg werden?
PeterSchollLatour: Einen klassischen Konflikt wie 1914 und 1939 wird es vermutlich nicht wieder geben und dafür treten wir in eine endlose Phase von Re gionalkonflikten ein.

ShabDe1: Herr Scholl-Lator, glauben Sie an die offizielle Version der Amerikanischen Regierung über die Vorgänge vom 11. September?
PeterSchollLatour: Vieles bleibt dabei ungeklärt.

Beobachter1: Herr Scholl Latour, hat Saddam H. im Irak Rückhalt in der Bevölkerung?
Jasmin1: Muslime zeigen weltweit Sympathien für Glaubensbrüder- nationenübergreifend. Ist der Sprung zum gemeinsamen Kampf da nicht naheliegend? Sprich: Ansprung der terroristischen Akte?
PeterSchollLatour: Er ist mehr als 30 Jahre an der Macht un din Russland trauern heute sogar viele alte Leute dem Schreckensregime Stalins nach.

Alexander1: Werden die Türken in den Nordirak einmarschieren? Welche Auswirkung hätte dies?
PeterSchollLatour: Die Kurden haben für diesen Fall angekündigt, dass sie Widerstand leisten würden. Für den amerikansichen Vormarsch auf Bagdad wäre das eine Belastung ihrer rückwärtigen Verbindungen.

Moderator: Wir kommen nun zur letzten Frage...

Hartmut1: Herr S.L. - läuft unsere Welt allmählich auf den Kampf der Kulturen zu?
PeterSchollLatour: Teilweise ist das schon im Gange, aber nicht so wie Huntington es beschreibt.

Moderator: Danke für das große Interess! Bis nächsten Sonntag.



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