Re: @Mica, BB und Johannes

Geschrieben von BBouvier am 28. Februar 2003 17:10:08:

Als Antwort auf: @Mica, BB und Johannes geschrieben von franke43 am 28. Februar 2003 13:11:35:


Lieber Franke!

Deinen freundlichen Tadel habe ich verdient, aber dafür bin ich jetzt ein bischen schlauer als vorher. Ganz lieben Dank für die Nachhilfe!

Herzlich, Dein

BB


>Hallo Leute
>Können wir uns darauf einigen, dass wir uns alle etwas
>mit der Sozialstruktur und Wirtschaftsweise des
>Mittelalters befasst haben ?
>Ein einheitliches Bild im Sinne einer volkswirtschaftlichen
>Kosten/Nutzen-Rechnung des Adelsstandes wird uns hier
>kaum gelingen, so unterschiedlich waren die Verhältnisse
>von Land zu Land und von Jahrhundert zu Jahrhundert.
>Ausserdem wird uns Johannes auf irgendein Mittelalterforum
>verweisen, wenn wir hier eine geschichtliche Fachdebatte
>lostreten.
>Sicher: soweit mir bekannt ist, war anfangs die Kriegerkaste
>ein Vorteil für alle. Nachdem man Jahrhunderte lang mehr
>oder minder seine Streitigkeiten (grössere Raufhändel)
>zu Fuss ausgetragen hatte, zwangen die Ungarneinfälle
>dazu, wieder eine berittene Kerntruppe einzuführen, wie
>die Römer ja auch schon eine besessen hatten und manche
>Germanenstämme der Völkerwanderungszeit ebenfalls.
>Später wurde aus der Kriegerkaste, die zunächst ein
>Karriereberuf für die Mutigen war, ein erbliches Privileg,
>finanziert durch die erbliche Belehnung der "Planstellen-
>inhaber" (Vasallen, "Ritter") mit Land durch den höheren
>Adel oder den König. Die Lehenspyramide entstand und
>schloss sich im Hochmittelalter gegen den Zustrom aus
>"nichtadligen" Kreisen ab.
>In mehreren Ländern gab es Mischformen mit der Belehnung
>Nichtadliger, die aber von der Weitervererbung ausgeschlossen
>waren. Manchmal war aber auch dann noch ein Aufstieg in
>den niedersten adel möglich. In Deutschland war das die
>Schicht der Ministerialen, auch "Dienstmänner" genannt,
>in England waren die "knights" auch nicht immer von
>Adel.
>Das Versepos "Meier Helmbrecht", geschrieben vom Nichtadligen
>Werner der Gärtner ("Gartenaere") ist ein schreiender
>Protest dagegen, dass das Rittertum im Hochmittelalter
>nicht mehr für Neuzugang "von unten her" offen war.
>Zur selben Zeit setzten auch die ersten Bauernrevolten
>ein, z.B. unter John Balle in England, weil man sich
>ab diesem Zeitpunkt immer weniger bis gar nicht mit dem
>Adel (auch nicht mit dem niedrigen) identifizieren konnte.
>Die Adelsprivilegien zeigten sich nicht nur im Jagdrecht,
>das es den Bauern verbot, notorische Flurschädlinge
>selbst zu bejagen. Sie zeigten sich auch in den immer
>rigoroseren Kleiderordnungen, die es den Bauern bei
>Strafe verboten, eventuellen Wohlstand nach aussen hin
>zu zeigen. Auch wurde ihnen das Tragen "ritterlicher"
>Waffen (Schwerter) verboten. So protestierte Neidhart
>von Reuenthal lauthals gegen einen wohlhabenden Bauern
>aus "seinem" Dorf:
>"Niuwen vezzel zweier hende breiten
>hat sin swert"
>Da hatte einer die Frechheit, ein Schwert zu besitzen und
>offen zu tragen und auch noch das Schwertgehänge mit
>buntem Stoff zu verzieren. Das durfte nicht sein, denn
>da konnte der ja prachtvoller auftreten als der "Herr
>Neidhart von Riuwental" selber.
>Die späteren Bauernaufstände waren dadurch verursacht, dass
>der niedere Adel, der sich selbst im sozialen Abstieg befand
>(auskonkurriert von Hochadel und Stadtbürgertum), den Druck
>auf die Bauern weitergeben und deren wenige Rechte noch
>weiter schmälern wollte. Z.B. sollten die erniedrigenden
>Frondienste (Zwangsarbeit) wieder eingeführt werden, die
>die meisten Bauern durch Natural- oder Geldabgaben
>"abgelöst" hatten.
>Manchmal hatten die Aufstände auch nationalen Charakter,
>wie etwa die Bauernaufstände in Schweden unter Engelbrekt
>und später auch unter Gustav Wasa gegen die dänische
>Fremdherrschaft.
>Bald wird uns Johannes hier das Wort abschneiden.
>Gruss
>Franke 43
>Motto:
>Da weint der Ritter bitterlich,
>denn das war gar nicht ritterlich



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