Re: Ein Feindbild folgt dem nächsten (o.T.)
Geschrieben von Kober am 23. Februar 2003 13:56:55:
Als Antwort auf: Ziemlich heftig geschrieben von Simon am 23. Februar 2003 13:46:42:
>Jelzins «multipolare Welt»
>Kampfansage an den Westen
>Von Hans Graf Huyn
>
>Die russische Aussenpolitik wird immer mehr zu einer Verhinderungsstrategie und Behinderungspolitik westlicher Ziele. Nur noch eine dünne Tünche scheinbar friedlicher Kooperationsbereitschaft ? bedingt durch den Hunger nach westlichen Krediten ? verdeckt die eigentlichen Ziele der Moskauer Politik: einen Gegenpol aufzubauen gegen den Westen, gegen die NATO, insbesondere gegen die Vereinigten Staaten.
>«Erst Bagdad, nun Belgrad: Ungerührt sucht sich Moskau durch Nachsicht mit Gewaltherrschern als Gewaltverhinderer darzustellen. Dabei geht es vor allem zu Amerika immer mehr auf Distanz», mit diesen Worten analysiert die Frankfurter Allgemeine die Moskauer Politik und kommt zu dem Fazit, dass Moskau sich für Friedensbemühungen nicht einbinden lässt. «Ernüchterung zwischen Washington und Moskau» konstatiert die Neue Zürcher Zeitung und stellt «nachhaltige Belastungen» in dem schwierigen Verhältnis zwischen Moskau und dem Westen fest.
>Anmassungen
>Der langjährige amerikanische NATO-Oberbefehlshaber General Alexander Ilaig warnt den Westen, die demokratische Kreml-Kulisse zu ihrem Nennwert zu nehmen und fordert: «Unsere Russlandpolitik sollte nicht länger so tun, als ob die Demokratie in Russland vor der Tür stehe, Russland ein strategischer Partner sei oder dort eine freie Marktwirtschaft entstehe. Die Sowjetunion hat den kalten Krieg verloren und ist untergegangen, nur um von einem korrupten nationalistischen System abgelöst zu werden. Den Triumph der demokratischen Werte hat der Westen nicht erlebt. Der Kampf geht weiter!»
>Der prominente amerikanische Aussenpolitiker Zbigniew Brzezinski fordert, es müsse der russischen Führung klar gemacht werden, dass es nicht länger angehe, gegen den Willen ihrer Nachbarn Machtansprüche über die eigenen Grenzen hinaus aufrechtzuerhalten. Als besonders kritisch betrachtet er das Verhältnis Russlands zur Ukraine und befürchtet, dass der Kreml die jetzt unabhängige Ukraine wieder zu einer russischen Kolonie machen wolle. Brzezinski fordert, Russland müsse seiner imperialistischen Vergangenheit «klar und deutlich» abschwören. Die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der jungen postsowjetischen Staaten müsse stabilisiert und gefördert werden, um «Russland zu einem historisch neuen Selbstverständnis zu nötigen».
>Ein solches neues Selbstverständnis besteht aber keineswegs. Im Gegenteil: So berichtet etwa die Neue Zürcher Zeitung über eine Polemik des stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Parlaments Sergej Baburin in Berlin, der «jede versöhnliche Note fehlte ... Ganze Passagen bei ihm wirkten sowjetischen Propagandabroschüren entnommen, und die Tagung schrak erst auf, als Baburin von den verbrieften Rechten Russlands auf das ehemalige sowjetische Territorium sprach.» Baburin sprach sich unter anderem für einen Anschluss Weissrusslands an Russland aus.
>Die Frankfurter Allgemeine ist skeptisch über die Aussichten des von Clinton und Kohl angestrebten Brückenschlags nach Moskau: «Im Eifer des Entwerfens einer rosaroten europäischen Zukunft wird Russlands Berechenbarkeit und Kooperationswilligkeit von Clinton und Kohl doch wohl überschätzt.»
>Westliche Russlandexperten warnen vor der anmassenden Moskauer Aussenpolitik, die sich in ihren Grundzügen nicht geändert habe. So warnt der amerikanische Aussenminister William Cohen Moskau, der Kreml solle nicht glauben, er habe eine Stimme oder ein Veto bei NATO-Entscheidungen, oder gar eine De-facto-NATO-Mitgliedschaft. Hannes Adomeit von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht in Russland eine «Verhinderungsmacht». Die französische Ostexpertin Renata Fritsch-Bournazel sorgt sich um die russische Stabilität und hat Angst vor der russischen Unberechenbarkeit; «les incertitudes russes». Professor Werner Gumpel von der Universität München befürchtet einen Zerfall der russischen Föderation und der russischen Armee in Privatarmeen, die dann regionale Kriege führen können; Kredite an
>Moskau gingen an ein Fass ohne Boden. Sergej Saizew betont, Russland sei kein «Sicherheitspartner»; Russlands Langzeitgedächtnis sei antiwestlich. Das Land sei krank, gefährlich und unberechenbar. Niemand wisse, wohin Russland sich entwickeln werde.
>Eurasisches Gegengewicht
>Wer Ohren hat, zu hören, dem muss auffallen, dass sowohl Jelzin wie der Aussenminister und alte KGB-Mann Primakow seit einiger Zeit immer häufiger betonen, man müsse eine «multipolare Welt» schaffen. Was sich scheinbar so harmlos anhört, bedeutet in Wirklichkeit eine Kampfansage an die Vereinigten Staaten und den Westen: Russland ist nicht bereit, eine Welt mit nur einer Hauptführungsmacht Amerika anzuerkennen und unternimmt alles, um ein Netz von Gegenpositionen gegen den Westen aufzubauen. In einem Schreiben an Präsident Clinton, das vor der prekären Schuldenlage und der Zahlungsunfähgikeit Russlands warnt, haben Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des amerikanischen Repräsentantenhauses vor den russischen aussenpolitischen Absichten unter dem Motto einer «multipolaren Welt» gewarnt: von der russich-iranischen nuklearen Komplizenschaft über die Weigerung, START-II zu ratifizieren, die nukleare Unterstützung Kubas, die Rüstungshilfe an China, die Unterstützung der Diktatur Lukaschenko in Weissrussland, der Moskauer Versuch, unabhängige sowjetische Nachfolgestaaten wieder zu integrieren, Waffenlieferungen und Unruhestiftung in der Kaukasusregion zu deren Destabilisierung, Manipulation der Gas- und Ölexporte aus den zentralasiatischen Staaten zu Gunsten Russlands, das und vieles mehr ? so die amerikanischen Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses ? verbirgt sich hinter der wohltönenden Formel von der «multipolaren Welt».
>«Russland ist würdig und soll eine Grossmacht bleiben!», bramarbasiert Jelzin und fordert, Russland müsse Machtzentrum in der von ihm angestrebten multipolaren Welt sein. Mit Sorge hat man in Kiew zur Kenntnis genommen, dass Primakow auf dem letzten Gipfeltreffen der OSZE in Lissabon erklärt hat, die Grenzen der Staaten, die sich nach dem Zerfall der Sowjetunion gebildet hätten ? also von den Baltischen Staaten über die Ukraine und den Kaukasus bis Zentralasien ? würden von den Helsinki-Beschlüssen über die Unverletzlichkeit der Grenzen nicht fixiert und nicht garantiert. Damit fordert der alte KGB-Fuchs die Zustimmung der Weltgemeinschaft zu einem künftigen Anschluss der unabhängig gewordenen Staaten und zu einer Wiederherstellung der Sowjetunion im Wege der Einverleibung des «nahen Auslandes» durch den russischen Bären.
>Aber damit nicht genug: durch die Einbeziehung Chinas, des Iran und anderer Positionen im Mittleren Osten ? so der amerikanische Russlandexperte Ariel Cohen ? will Primakow ein eurasisches Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten und dem Westen bilden. Durch dieses Nullsummenspiel gegenüber den USA und der NATO verfolge der alte KGB-Mann mit seiner «Primakow-Doktrin» de facto dieselbe antiwestliche Politik wie schon die Sowjetunion. Dem galt natürlich auch der Moskauer Versuch der Bildung einer «Troika» mit Deutschland und Frankreich, die den alten sowjetischen Traum von einem von Moskau geführten «Grosseuropa» unter Ausschluss der Vereinigten Staaten näherbringen soll. Ziel ist ein Russland, das Eurasien beherrscht ? wobei das wirtschaftlich entwickelte Westeuropa zum Kreditgeber und Hilfsaggregat für die Hegemonialmacht Russland werden soll ? dem die Vereinigten Staaten gegenüberstehen, deren Einfluss auf den amerikanischen Doppelkontinent begrenzt werden soll.
>Wohlkalkulierte Aktionen
>Im amerikanischen Senat wächst zusehends der Unmut über die Zumutung, Russland ? sei es direkt, über den Internationalen Währungsfonds oder über die Weltbank ? neue Kredite zu gewähren, wenn nicht zuvor die russische Haushaltspolitik, insbesondere aber auch die Ausgaben für die Unterstützung etwa des Iran, Kubas oder des Irak oder zur Sicherung des russischen Erdöl- und Erdgastransportmonopols aus Zentralasien in den Westen, genauestens untersucht wird.
>Zum Aufbau der erstrebten multipolaren Welt von Moskaus Gnaden gehört es natürlich auch, die eigenen Klienten aufzubauen und zu schützen und auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten, die NATO und den Westen zu schwächen und zu demütigen. Moskau versteht dies in meisterhafter Weise, indem es den Westen täuscht und sich scheinbar als Vermittler und Retter des Friedens zur Verfügung stellt, in Wirklichkeit aber verhindert, dass der Westen seine politischen Ziele erreicht.
>Dieses Spiel hat Primakow im vergangenen Februar mit dem Irak betrieben, indem es Sadam Hussein hartnäckig Schützenhilfe leistete, unter dem Vorwand, ihn zur Kompromissbereitschaft zu bewegen. In Wirklichkeit hat Primakow Zeit für den Irak gewonnen, die amerikanische Politik zäh konterkariert, ohne es dabei auf eine offene Konfrontation mit Washington ankommen zu lassen. Unter dem Strich war Sadam Hussein Gewinner der Krise und er konnte als direkter Verhandlungspartner der Vereinten Nationen agieren. Dies war ein Erfolg für Moskau und ein Prestigegewinn für Sadam Hussein.
>Nach vergleichbarem Muster hat Primakow in der Kosovo-Krise agiert. Der Westen wollte Moskau einbinden, indem er Jelzin als Vermittler gegenüber Milosevic akzeptierte. Indem der Westen jedoch zugelassen hat, dass der Mörder von Tschetschenien als Friedensvermittler gegenüber dem Mörder von Bosnien und dem Kosovo auftrat, hat er zunächst einmal erlaubt, Zeit für Serbien zu gewinnen. Der Grundfehler war es, Russland als Partner und Vermittler anzusehen, während Jelzin und Primakow in Wirklichkeit als Gegner des Westens agieren.
>Hans Graf Huyn
>Weitere solcher interessanter Artikel findet ihr unter www.schweizerzeit.ch ,
>u.a. zur amerikanischen Wirtschaft der Beziehungen USA - Europa und das teilweise vor 11. September. Ist wirklich Wert mal durchzulesen. Einfach mal in der Suchmaschiene auf der Seite Wirtschaft, USA usw. eingeben.
>Simon