@Kober: Rauschgiftschmuggel im ostiranischen Grenzgebiet
Geschrieben von Swissman am 22. Februar 2003 03:37:57:
Hallo Kober,
Die abgestürzte Maschine kam aus Zahedan. Die Grenzstadt Zahedan befindet sich im Gebiet Sistan/Belutschistan, im Grenzdreieck Iran/Pakistan/Afghanistan. Sie liegt zudem am Schnittpunkt mehrerer (nicht nur, aber auch für den Rauschgiftschmuggel) bedeutender Verkehrslinien:
In östlicher Richtung führen eine Strasse und eine Eisenbahn ins pakistanische Quetta (dieses liegt in den berüchtigten Northwestern Territories, in denen die pakistanische Staatsgewalt sich überwiegend auf eine symbolische Präsenz beschränkt), in nordöstlicher Richtung zweigt von der Strasse Zahedan-Maschad eine Stichstrasse (Grenzübertritt bei Zaranj) zur afghanischen Ringstrasse ab.
Folgt man der Ringstrasse in östlicher Richtung, gelangt man in die Provinzen Helmand und Kandahar, wo sich bedeutende Opiumanbaugebiete befinden (vor dem Sturz der Taliban, die hier ihre Stammlande hatten, waren es sogar die grössten der Welt - der der Opiumanbau soll unterdessen zurückgegangen sein, ist aber namentlich in diesen beiden Provinzen, entlang des Hilmend-Flusses, immer noch von erheblicher Bedeutung).
Die genannten Verbindungen vereinigen sich bei Zahedan durchqueren die Wüste Dasht e-Lut und und führen schliesslich ins Landesinnere, nach Kerman.
Zu Zeiten des Taliban-Regimes stationierte der Iran rund 1/3 seiner Truppenstärke in Friedenszeiten an seiner Ostgrenze, zwecks Bekämpfung des organisierten Rauschgiftschmuggels. Die Truppenstärke mag mittlerweile etwas reduziert worden sein, vor allem Nordosten, wo die Schmuggler vor dem Sturz der Taliban auf der Achse Herat-Maschad operierten.
In der afghanischen Provinz Herat herrscht mittlerweile (wieder) der (schiitische) Gouverneur und Mudschaheddin-Kommandeur Ismail Khan, ein fähiger Mann, der in seiner Provinz Ordnung geschaffen hat, und zweifellos auch den Rauschgifthandel/-schmuggel bekämpft.
Seit US-Truppen in Afghanistan operieren, hat sich der Opiumtransport aus Sicherheitsgründen teilweise verlagert: Anstelle der Ringstrasse wird jetzt öfters pakistanisches Territorium verwendet, wo den USA die Hände gebunden sind.
Die Bedeutung der Nordroute dürfte daher eher abgenommen haben, wodurch Zahedan als Stützpunkt gegen den Rauschgifthandel sogar noch wichtiger wird. Überdies verfügt die Stadt über einen Flughafen, auf dem selbst grosse Maschinen starten und landen können. Zweifelsohne überwacht die iranische Luftwaffe von hier aus die Grenzregion aus der Luft.
Die Bezeichnung "Krieg gegen die Drogen" ist hier absolut wörtlich zu verstehen, denn die Rauschgiftschmuggler operieren meist in schwerbewaffneten Konvois. Anti-Drogeneinsätze enden meist in wüsten Schiessereien - in den letzten Jahren kam es mehrfach zu tagelangen Verfolgungsjagden und eigentlichen Gefechten im gebirgigen Grenzgebiet.
Das Auswärtige Amt warnt daher übrigens vor der iranischen Ostgrenze im allgemeinen, und vor Sistan-Balutschistan im besonderen.
Wie man sieht, ist Zahedan ein bedeutender Stützpunkt in der Bekämpfung des Opiumschmuggels. Nebst Polizei, Grenzschutz und Armee setzt die iranische Regierung für diese wichtige Aufgabe auch die Pasdaran ("Revolutionsgarden") ein.
Die Pasdaran sind eine Elitetruppe, die dem Staatsoberhaupt persönlich untersteht und bevorzugt mit moderner Ausrüstung ausgestattet wird. Für den eigentlichen Zugriff auf Opiumkonvois werden, wenn verfügbar, bevorzugt Einheiten der Pasdaran eingesetzt. Die abgestürzte Maschine beförderte ausschliesslich Pasadaran-Mitglieder, sodass der Schluss nahelag, dass diese Männer zuvor zur Rauschgiftbekämpfung eingesetzt worden waren.
Zudem spricht der Name der betroffenen Einheit, Imam-Ali-Bataillon, dafür, dass diese Männer normalerweise nicht mit langweiligen Routine-Aufgaben geplagt werden, sondern sich wichtigeren Dingen widmen dürfen: Der Namensgeber, Imam Ali, war nämlich der Ehemann von Fatima, der Tochter Mohammeds. Nach schiitischer Überzeugung war er, nicht Abu Bakr, vom Propheten zu seinem Nachfolger bestimmt worden.
Die Schiiten (im Iran ca. 90% der Bevölkerung) verehren ihn als ersten Imam. Man geht daher sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass die Männer die im Imam-Ali-Batallion dienen, eine Elite innerhalb der Elite bilden.
Tatsächlich scheint meine anfängliche Vermutung jedoch nicht zuzutreffen: Nah den letzten mir vorliegenden Meldungen traf die Einheit in Zahedan Vorbereitungen für den dort geplanten Besuch des Vorsitzenden des Wächterrates, Gross-Ayatollah Chamenei.
Ein konkretes Datum wurde zwar nicht genannt, doch gehe ich davon aus, der Besuch im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Islamischen Neujahr steht, welchem bei den Schiiten eine besondere Bedeutung zukommt: Dieses markiert nämlich den Beginn des (schiitischen) Trauermonats Muharram, während dessen ersten zehn Tagen die Schiiten um die getöteten Imame Ali und Hussein trauern ("Aschura").
An sich ist Zahedan nicht viel mehr als ein grösseres Dorf in der Wüste, sodass ein Besuch durch einen Mann in Chameneis Position, zumal während der höchsten schiitischen Festtage, leicht übertrieben wirken müsste - es sei denn der Besuch gilt weniger der Stadt, als vielmehr den Truppen, die an der iranischen Ostgrenze (auch für uns, denn das afghanische Opium wird ausschliesslich nach Europa geliefert!) Tag für Tag ihr Leben riskieren.
mfG,
Swissman
- Re: @Kober: Rauschgiftschmuggel im ostiranischen Grenzgebiet Kober 23.2.2003 12:09 (1)
- Re: @Kober: Rauschgiftschmuggel im ostiranischen Grenzgebiet Swissman 23.2.2003 21:21 (0)