'Gott steh uns bei' - Gedanken der Zivilbevölkerung im Irak

Geschrieben von Johannes am 15. Februar 2003 23:13:19:

Ausländischen Journalisten gegenüber und vor allem vor laufenden Kameras gibt man sich zuversichtlich. Man sei schließlich Kriege gewohnt, und man habe mehr als genug Schreckliches erlebt. Fast möchte man es ihnen abnehmen, wären da nicht die Menschentrauben vor den Passämtern. Ab drei Uhr morgens stehen sie dort an, um sich eines der begehrten Reisedokumente zu beschaffen.
Wer Geld hat, setzt sich mit seiner Familie zu einer längeren Urlaubsreise ab, meistens in Richtung Syrien. Übrig geblieben sind die, die sich solche Reisen nicht leisten können - also neun von zehn Irakern.

Hallo,

ich stelle das mal hier rein, damit Ihr etwas besser die Situation im Irak seht - und auch der Unterschied zu hier klarer wird.

Die Bevölkerung im Irak muß jederzeit mit Krieg in ihrer Umgebung rechnen. Wenn bei uns dagegen Kriegsangst herrscht, um was geht es denn dann? Haben wir denn das gleiche Mitleid mit den 7 Millionen Kriegstoten 2002 und weiteren 14 Millionen Schwerverletzten? Ist es also wirklich das Mitlied mit der Bevölkerung dort - oder doch mehr eine unbestimmte Angst vor der Entwicklung hier?

Also, wer meint, hier Angst haben zu müssen, der sollte sich erstmal mit den (berechtigten!) Bedenken der Menschen im Irak vertraut machen. Ich denke, dagegen erscheinen unsere Sorgen klein, und wir können alles schon etwas realistischer sehen. Das macht die Gesamtsituation zwar nicht besser, aber Panik hilft auch nichts. Dies richtet sich jetzt speziell auch an die stillen Mitleser im Forum.

Die Familie Abu Hazems hat in ihrem Haus Kriegsvorräte gesammelt - bis hin zu Körnern für die beiden Wellensittiche. Aus dem vergangenen Golfkrieg hat die Mittelklasse-Familie im Zentrum Bagdads gelernt, dass es keinen Sinn hat, die Tiefkühltruhe zu füllen, wenn gleich am ersten Tag des Krieges der Strom ausfällt. Also werden Trockengüter gehortet. Neben der Extra-Ration Sonnenblumenkerne für die Vögel steht die Treppe im Haus voll mit Mehl-, Reis-, Nudel- und Zuckersäcken und Dutzenden von Wasserkartons und vier Kochgasflaschen. Als im Fernsehen ein Werbespot Büchsen-Wurst anpreist, entspannt sich zwischen Abu Hamza und seiner Frau sofort eine Diskussion, ob man nicht gleich morgen auch noch ein paar Dosen davon besorgen soll.

Wer ein Auto besitzt, versucht dieser Tage ständig, seinen Tank vollzuhalten. Jeder weiß: Wenn es einmal losgeht, wird es mit dem Nachschub an Kraftstoff und der Flucht im Automobil sofort vorbei sein. Es wird erwartet, dass die Behörden die Tankstellen vor einem Krieg aus Angst vor Explosionen noch schnell leer pumpen lassen. Ersatzkanister dürfen schon jetzt an der Tankstelle nicht mehr gefüllt werden. Nur nach Mitternacht rückt mancher Tankwart gegen Bakschisch noch ein paar Liter heraus.

Gruß

Johannes




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