Buchkritik K.L. v. Lichtenfels - Lexikon des Überlebens

Geschrieben von Elias am 10. November 2000 21:57:59:

Nun haben wir 1999 glücklich überstanden, das Jahr, das schon vor knapp 20 Jahren von Charles Berlitz in seinem Buch „Weltuntergang 1999“ als Zeitpunkt für das Ende der Zivilisation ausgedeutet wurde. Es kam zu unserer Erleichterung kein Schreckenskönig vom Himmel und auch das von vielen befürchtete Computerchaos zu Silvester war dank intensiver Vorbereitung schließlich ausgeblieben. In diese Zeit, wo auch durch die Überwindung des Kalten Krieges für viele die Angst vor dem drohenden Untergang der Zivilisation vorerst vom Tisch zu sein scheint, platzt nun das „Lexikon des Überlebens“ des österreichischen Autors Karl Leopold von Lichtenfels, das sich schwerpunktmäßig mit der Frage beschäftigt, wie man sich auf zukünftige Kriege und globale Naturkatastrophen möglichst optimal vorbereiten kann.

Dieser scheinbare Anachronismus wird gleich in der Einleitung ausgeräumt, indem der Autor die vielfältigen Risiken darstellt, von einer steigenden Weltbevölkerung über die Rückkehr der Infektionskrankheiten wegen dem Mißbrauch von Antibiotika bis hin zu finanziellen Problemen wie der Rentenproblematik, die eben auch dann real bleiben, falls man nicht an Prophezeiungen glauben sollte. Auch dürfte unabhängig von allen Prophezeiungen klar sein, daß ein Wirtschaftssystem, das auf stetigem Wachstum aufbaut, früher oder später kollabieren muß. Das Thema des Lexikons bleibt also auch nach 1999 weiter aktuell. Ich möchte noch hinzufügen, daß der ausgefallene Weltuntergang sicher auch nicht als Argument gegen Nostradamus gewertet werden kann, da dieser in Centurie X.89 eindeutig eine zuckersüße Friedenszeit mit großen Früchten und Mauern aus Marmor von 57 Jahren beschreibt, die ausgehend vom Kriegsende 1945 erst 2002 enden würde.

Der Autor geht zwar aufgrund seiner eigenen religiösen Überzeugung und seiner Recherche über Prophezeiungen, die er bereits in seinem vor einigen Monaten erschienenen „Lexikon der Prophezeiungen“ vorgestellt hat, von einem recht klar umrissenen Verlauf der zukünftigen kriegerischen Ereignisse und der darauf folgenden Naturkatastrophe aus, dennoch sind die Hinweise und Tips nicht auf dieses Szenario festgelegt, sondern sind auch ohne Einschränkungen bei anderen möglichen Kriegsverläufen anwendbar. Das Lexikon ist also auch dann von Nutzen, wenn es nun zu anderen Abläufen käme, als wie sie in der Mehrzahl der Prophezeiungen vorhergesagt werden. Bei der überwiegenden Anzahl der behandelten Themen spielt das zugrunde liegende Weltbild auch keinerlei Rolle, wenn man einmal von zwei Seiten über „empfohlene Devotionalien und Sakramentalien“ absieht.

Das Buch enthält knapp 500 Seiten geballte Information über Survival, Heilpflanzen, Ernährung, Erste Hilfe, handwerkliche Techniken und vieles mehr. Leider werden manche Themen dabei nur recht knapp behandelt und sind oftmals nicht bebildert, was in einer konkreten Notlage sicher die Nachvollziehbarkeit der Tips für den Leser erschwert. Auch wäre sicher bei den Heilpflanzen eine farbige Bebilderung zur besseren Bestimmbarkeit der Pflanzen sinnvoll gewesen anstatt der einfachen Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Ich sehe das Buch daher also auch nur als Grundstock für eine private Bibliothek des Überlebens, denn trotz seines enormen Umfangs kann dieses Buch andere zum Überleben wichtige Literatur nicht ersetzen, die oftmals nicht unter dem Ziel der Krisenbewältigung verfaßt wurden. Gerade Bestimmungsbücher für eßbare Pflanzen und Heilkräuter, Rezepte für die Zubereitung von Wildpflanzen, Rezeptsammlungen aus vergangenen Notzeiten (z.B. Tante Linas Kriegskochbuch), Informationen für Erste-Hilfe und Do-It-Yourself-Ratgerber zu allerlei Handwerktechniken sind als Erweiterung dringend ratsam. Auch kann ich die Survival-Bücher von Rüdiger Nehberg und die Bücher von John Seymour über alte Handwerktechniken zur Abrundung des Themas empfehlen. Da es in der Vergangenheit schon einige verblüffende Treffer unter den vielfältigen Prophezeiungen gab, kann auch ein gewisses Wissen über die Vorzeichen des künftigen Krieges ganz nützlich sein, um vielleicht beim Eintreten einer entsprechenden Situation das aktuelle Risiko etwas besser einschätzen zu können. Bei evtl. notwendigen Hamsterkäufen oder bei einer Fluch kann ein gewisser zeitlicher Vorsprung für das Überleben entscheidend sein. Hierfür empfehle ich zusätzlich die Bücher von Bernhard Bouvier, Wolfgang Bekh, Stephan Berndt (Prophezeiungen zur Zukunft Europas) und natürlich auch das „Lexikon der Prophezeiungen“ vom Autor dieses hier vorgestellten Lexikons.

Eine besondere Stärke des Lexikons sind die umfangreichen Checklisten einerseits für sinnvolle Maßnahmen in konkreten Notfällen, andererseits auch zur Ausstattung des Notraums und des Fluchtgepäcks. Sicherlich empfindet man ein Lexikon als Nachschlagewerk und ist es allgemein nicht üblich, daß man ein Nachschlagewerk von vorne nach hinten komplett durchliest. Bei diesem Buch würde ich es trotzdem empfehlen, damit der Leser die Möglichkeit hat, seine persönliche Lebensumgebung einmal unter dem Aspekt der Krisentauglichkeit zu untersuchen, Schwachstellen zu erkennen, Maßnahmen für eine individuelle Vorbereitung zu planen, aber auch sich Gedanken zu machen, welchen Nutzen die Dinge in Krisenzeiten haben können, die einen umgeben und denen man vielleicht heute keine große Aufmerksamkeit schenken würde.

Dieses „Lexikon des Überlebens“ hebt sich deutlich von üblicher Survival-Literatur ab, die meistens von dem Fall ausgeht, daß man in einer Wildnis überleben muß, was unter deutschen Verhältnissen mangels Wildnis doch wohl eher unwahrscheinlich ist. Wo Survival-Bücher oftmals von der Grundannahme ausgehen, daß man alleine in menschenleerer Gegend zeitlich befristet überleben will, da stehen in diesem Lexikon des Überlebens eher Strategien im Vordergrund für eine längere Dauer, die nach einem Weltkrieg oder einer globalen Naturkatastrophe zu überbrücken wäre. Daher braucht es auch nicht irritieren, daß manche Themen Einzug in dieses Lexikon gefunden haben, die von vielen auf den ersten Blick sicher nicht als klassische Überlebensthemen eingestufte worden wären, sondern die in einer Zeit nach einer Katastrophe zu einer gewissen Normalität beitragen können. Gerade die strenge alphabetische Ordnung im Mittelteil führt dann gelegentlich zu einer unfreiwilligen Komik durch den häufigen Kontrast zwischen Themen, die für den harten Überlebenkampf absolut notwendig sind und im Verhältnis dazu eher nebensächlich wirkenden Lösungsmöglichkeiten für allerlei banale Alltagsprobleme. Da steht dann der CD-Player der alphabetischen Ordnung folgend in der Nähe von Chemiewaffen, Chorsingen unter Musik neben Mörtelbearbeitung oder auch ein Rezept für Haarfestiger unter Kosmetik zwischen Kompaßersatz und Krankheiten.

Da man das Buch wegen seiner anderen Zielsetzung nicht mit andern Survival-Büchern messen kann, bleibt nur der Vergleich mit „Die kommende Weltkrise“ von Michael Hesemann und Henri Schnyder und „1 x 1 der Vorsorge“ von Hans-Ulrich Müller, die ebenfalls Empfehlungen für Krisenzeiten enthalten und Vorschläge anbieten, wie man den dritten Weltkrieg überleben kann. Bei Hesemann und Schnyder werden aber nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den üblichen Prophezeiungen der eigentlichen Krisenbewältigung gerade einmal zehn Seiten gewidmet. Bezogen auf dieses Thema ist das „1 x 1 der Vorsorge“ bereits ein Vielfaches umfangreicher, kann aber allein schon wegen der geringeren Themenvielfalt und der halben Seitenzahl den Vergleich mit dem „Lexikon des Überlebens“ nicht aufnehmen, welches damit zu dem Standardwerk für eine individuelle Vorbereitung für Krisenzeiten wird.

Natürlich nutzt es nichts, wenn man das Lexikon und die anderen hier empfohlenen Bücher nur im Regel stehen hat, es aber hinterher an Werkzeug oder Erfahrung mangelt. Das Lexikon des Überlebens kann nämlich nur dann nutzen, wenn man die darin enthaltenen Tips auch jetzt umsetzt, wo es noch möglich ist. Ein 6-Tage-Progamm zur Vorbereitung soll den Leser hierbei anleiten.

Es gibt viel zu tun. Also packen wir es an!


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