Wer hat die Erklärung der Acht organisiert?
Geschrieben von IT Oma am 01. Februar 2003 17:51:29:
Aus der Financial Times Deutschland vom 31.1.2003
Aufruf für Bush treibt Riss durch Europa
Redakteure hatten die Idee, die spanische Regierung baute das Gerüst, nur die Auswahl der Unterzeichner des Aufrufs zur gemeinsamen Unterstützung der USA im Irak-Konflikt bleibt undurchsichtig. Gerätselt wird über einen Regisseur im Hintergrund.
Am späten Mittwochabend sitzt Tschechiens Präsident Vaclav Havel im Nationaltheater von Bratislava. Ein anstrengender Staatsbesuchs in der Slowakei geht zu Ende. Doch die Entspannung währt nicht lange. Als Havel nach der drei Stunden dauernden Vorstellung den Saal verlässt, ruft der stellvertretende Außenminister Alexandr Vondra an und informiert ihn über eine Erklärung, die sieben europäische Regierungschefs unterzeichnet hätten. Es gehe dabei um die Unterstützung der amerikanischen Irakpolitik, erklärt Vondra, der früher zum engsten Beraterkreis um Havel gehörte. Mit seiner Unterschrift könne der Präsident zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit ein spektakuläres Signal setzen.
Havel studiert den Wortlaut der Erklärung und setzt kurz nach Mitternacht seine Unterschrift unter den Text. "Die Erklärung stimmt mit der tschechischen Position und den Überzeugungen des Präsidenten überein", sagt Havels Sprecher Ladislav Spacek. So trägt der offene Brief, der am Mittwoch für Aufruhr in Europa sorgt, acht Unterschriften.
Schon vorige Woche ist die erste Fassung des Textes entstanden. Die ursprüngliche Idee dafür stammt von den Redakteuren des "Wall Street Journal Europe" in Brüssel. "Das ist mein Job: Ich bitte Gastautoren, für uns zu schreiben", sagt Michael Gonzales, stellvertretender Kommentarchef des Blattes. Man habe die Ministerpräsidenten Spaniens, Italiens und Großbritanniens um einen Beitrag gebeten, der die Unterschiede ihrer Position zur Haltung Deutschlands und Frankreichs in Sachen Irak deutlich macht.
Der spanische Regierungschef José María Aznar habe daraufhin Kontakt mit Großbritanniens Premier Tony Blair aufgenommen und den Vorschlag gemacht, gemeinsam mit mehreren Staatschefs ein Kommuniqué zu veröffentlichen. "Das war die Idee von Herrn Aznar", bestätigt das britische Außenministerium.
In Madrid, so die spanische Darstellung, sei ein Gerüst entstanden, das von englischen Muttersprachlern in der Downing Street ausformuliert wurde. "Der Brief wurde dann von den anderen Unterzeichnern durchgesehen, überarbeitet und schließlich abgesegnet", sagt ein Aznar-Sprecher. Der Spanier habe seine Amtskollegen in Portugal und Italien gebeten, mit zu unterzeichnen, Blair sei an Osteuropas Führer sowie Dänemark und die Niederlande herangetreten. Während Blair am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit Aznar für dessen Initiative dankte, übte sich Aznar in Understatement: "Ich kann mich nicht erinnern, wer der geistige Vater des Artikels ist."
Dem "Wall Street Journal" zufolge verweigerten die Niederländer die Unterschrift wegen der laufenden Regierungsbildung nach den Wahlen. Der italienische Premier Silvio Berlusconi zögerte Insidern zufolge nicht lange. Er steht in häufigem Kontakt mit seinem Freund Aznar - vor wenigen Wochen war er Trauzeuge bei der Hochzeit von dessen Tochter. Dem polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller fiel die Entscheidung zu unterschreiben ähnlich leicht. Warschau hat bereits vor einigen Tagen seine Unterstützung für den Kurs der Bush-Regierung bekundet.
Ungarns Regierungschef Peter Medgyesy wurde während seines Griechenland-Besuchs mit der Erklärung konfrontiert. Der Sozialist, der seit seinem Amtsantritt einen klaren transatlantischen und europäischen Kurs verfolgt, setzte seine Unterschrift ebenfalls unter den Text.
Die Auswahl der Unterzeichner bleibt undurchsichtig. Regierungssprecher in Österreich, den baltischen Staaten und Slowenien sagen, ihre Ministerpräsidenten seien nicht angesprochen worden. Die Slowakei schloss sich erst am Donnerstagabend der Erklärung an. "Die Initiatoren haben peinlich genau darauf geachtet, dass die Zusammensetzung der Gruppe ausgewogen ist", sagt Polens ehemaliger Deutschland-Botschafter Janusz Reiter. Das lasse einen Regisseur im Hintergrund vermuten.
Dass der womöglich in Washington sitzt, dementiert die US-Regierung. "Jeder fragt natürlich, ob wir unsere Finger im Spiel hatten", sagt ein Sprecher des Außenministeriums, "die Antwort ist Nein."