Luther und die zwei Reiche

Geschrieben von franke43 am 28. Januar 2003 16:22:20:

Als Antwort auf: Re: Ubi patria nostra ? geschrieben von Hubert am 28. Januar 2003 15:57:29:

Hallo Hubbi

>Hallo Frank,

>Luther hat Teile der Schöpfung säkularisiert – man könnte es sogar schärfer >formulieren: Er hat sie entheiligt. Wenn ich aber z. B. die Ehe oder die >menschliche Arbeit als von Gott getrennte Dinge auffasse, sie also völlig >verweltliche, dann kann ich sie auch nicht heiligen, was Gott aber von uns >fordert. Es wäre mal eine großangelegte wissenschaftliche Untersuchung wert, >inwiefern die gravierenden Probleme der westlichen Welt auf eben jene falsche >Theologie Luthers zurückgeführt werden können.

Es ist ebenso eine Forschungsarbeit wert, inwieweit Luther wirklich
seine eigene Bibelauslegung wiedergab und inwieweit "seine" Bibel-
auslegung durch die weltlichen Interessenkonstellationen hinter
Luther (Friedrich von Sachsen, Jakob Fugger) vorgegeben war. Ich
behaupte, Luther war Auftragstheologe, hat also die Bibel gezielt
so gelesen, wie es für die Tagespolitik seiner Auftraggeber
opportun war.

>Im Gegensatz zu Luther sage ich hingegen, dass himmlische Dinge nach >himmlischen und irdische Dinge nach irdischen Spielregeln funktionieren. Du >gibst mir Recht, das ist eine völlig andere Aussage.

Das sagst Du nicht im Gegensatz zu Luther, sondern im Einklang
mit ihm. Denn er hat den Gedanken von Paulus im Römerbrief
aufgegriffen und weiter entwickelt, dass es zwei getrennte
Regime gibt, das geistliche (Gottes Reich, nicht von dieser Welt)
und das weltliche (die weltliche Obrigkeit), und dass der Christ
beiden Obrigkeiten zu gehorchen hat, im Konfliktfall aber der
göttlichen (geistlichen) zuerst.

>Patriotismus ist eine Gesinnung, die auf einem starken >Zugehörigkeitsgefühl zur Heimat beruht und jedem anderen Volk die gleiche >patriotische Gesinnung zubilligt. Globale Einigungsprozesse werden begrüßt, >ohne die eigene Identität preisgeben zu wollen.
>Nationalismus ist die krankhafte Übersteigerung einer gesunden >patriotischen Gesinnung. Ein Volk oder eine Nation wird von einer Art >Sendungsbewusstsein befallen, das es dazu verleitet, anderen „minderwertigen“ >Völkern oder Nationen die eigenen zivilisatorischen Werte aufprägen zu müssen. >Nationalismus kann sich sehr leicht mit völkischen oder rassischen Ideologien >vermischen.

Stell Dir vor: wenn Du von mir eine Definition dieser Begriffe
verlangt hättest, wäre die Formulierung fast dieselbe gewesen.

>Dass die Masse nicht differenzieren kann, siehst Du z. B. daran, dass Franco, >Hitler und Stalin häufig in den gleichen Topf geworfen werden.

>Francos Herrschaft war z. B. autoritär, das heißt, er regierte zwar mit >harter Hand, aber der einzelne Staatsbürger blieb in seiner Gesinnung völlig >frei und nur seinem Gewissen unterworfen. Das heißt, der autoritäre Staat gibt >die Sinngebung des Seins selbst nicht vor.

Francos Linie wäre die des Alten Fritz gewesen:

Räsoniert, aber gehorcht.

>Hitlers und Stalins Regime waren hingegen totalitär, das heißt, die >Sinngebung selbst wurde vom Staat vorgegeben.

Stimmt, denn bei Hitler und bei Stalin war schon jeder
abweichende Gedanke ein Verbrechen, genau im Sinne des
von Orwell in 1984 dargestellten "Thoughtcrime".

>Herzlichst,
>Hubert
>PS: Unter meinen Freunden, von den viele in den Fünfzigerjahren geboren >wurden, ist kein einziger 68-Infizierter. Vielleicht liegt das daran, dass wir >nicht in einem geistigen Vakuum, sondern im Schoß unser heiligen Mutter Kirche >aufgewachsen sind?

Willst Du mir meine protestantische und von CVJM und ähnlichen
Jugendgruppen geprägte Vita vorwerfen ?

Gruss

Franke 43



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