Krieg ist unausweichlich - deutliche Worte
Geschrieben von ahlfi am 20. Januar 2003 13:32:32:
Krieg ist unausweichlich
20. Jan 13:20
Noam Chomsky
Noam Chomsky ist einer der schärfsten Kritiker der amerikanischen Außenpolitik. Im Gespräch mit der Netzeitung macht er aus seiner Meinung kein Hehl: Die USA brauchen einen Krieg und sie werden ihn führen.Von Martin Schwarz, Wien
«Die USA und die Briten kümmern sich einen Dreck um Menschenrechte», sagt Noam Chomsky, Linguist am «Massachusetts Institute of Technology» (MIT), zum Konflikt um Irak. Zur Wahrung der Menschenrechte würden die Armeen der beiden Länder garantiert nicht in Irak einmarschieren, auch wenn sie dies behaupten, so Chomsky.
«Die Briten haben ja einen dicken Bericht über die Menschenrechtsverletzungen durch das Regime Saddam Husseins herausgegeben. Ich bezweifle nicht, dass wahr ist, was da drinnen steht», sagt Chomsky. «Was aber die britische Regierung nicht sagt ist die Tatsache, dass sich dieser Bericht im wesentlichen auf Recherchen von Amnesty International aus den achtziger Jahren stützt. Was damals Saddam Hussein an der eigenen Bevölkerung angerichtet hat, tat er mit Duldung oder Unterstützung der USA und Großbritanniens.»Böse Briten
Chomsky kritisiert seit Jahrzehnten die amerikanische Außenpolitik. Die «Washington Post» nannte ihn einmal den «bedeutendsten Intellektuellen unserer Zeit». Im Zusammenhang mit dem Irak-Konflikt hat er seine Kritik auch auf Großbritannien ausgedehnt.
Noch vor einem Jahr hätte der nunmehrige britische Außenminister und damals das Innenministerium leitende Jack Straw den Asylantrag eines Irakers abgelehnt, weil er das irakische Justizsystem für vertrauenswürdig gehalten habe. Wenn nun humanitäre Überlegungen aus der politische Requisite geholt würden, geschehe dies nur aus politischen Überlegungen, sagt Chomsky.
Öl
Er glaubt, dass es ganz andere Motive für einen Krieg gibt. Das erste sei der Versuch, die enormen Ölreserven des Landes zu kontrollieren: «Kennen Sie ein anderes Land, das auf den zweitgrößten Ölressourcen der Welt sitzt?»
Als Beleg dafür dient ihm auch der Umgang der USA mit Nordkorea. Weil es dort kein Öl gebe, gehe Washington mit dem Regime in Pjöngjang wesentlich sanfter um, obwohl es die Arbeit an Atomwaffen bereits zugegeben hat.
Innere Sicherheit
Doch Chomsky glaubt noch an einen zweiten Grund, an einen fast privaten: Präsident George Bush müsse eine Bedrohung von außen kreieren, um seine Popularität im Land zu erhalten. «Die Bush-Regierung hat unseren Budget-Überschuss in ein Minus verwandelt, sie hat die Steuern für die Reichen gesenkt und der Rest der Bevölkerung leidet unter dem ökonomischen Missmanagement. Da ist es nur logisch, die Bevölkerung in eine Angstspirale zu treiben und einen äußeren Gegner aufzubauen», sagt Chomsky.
«Schauen Sie sich nur die Entwicklung dieses Irak-Konflikts an: Im Juli noch war eigentlich keine Rede von der Bedrohung, die von Irak ausgeht. Im September, zwei Monate vor den Kongresswahlen, war Saddam plötzlich die Bedrohung Nummer eins. Das Kalkül ist aufgegangen.»
Schon frühere Präsidenten hätten sich diese Methode zu Nutze gemacht, sagt der MIT-Professor: «Anfang der achtziger Jahre stand es schlecht um die US-Wirtschaft und Reagan hatte Probleme. Plötzlich mussten die USA die Contras in Nicaragua unterstützen. Damals wurde etwa verbreitet, dass Nicaragua nur zwei Tagesmärsche von der US-Grenze entfernt liegt. Werfen Sie mal einen Blick auf die Landkarte, dann werden Sie feststellen, dass es Nonsens ist. 1986 mussten wir dann in Grenada landen, weil ja die Sowjets von diesem Inselchen aus die USA hätten angreifen können. Ende der achtziger war dann Ghaddafi dran.»
Keine Schranken mehr
Dabei gibt es, so glaubt zumindest Chomsky, niemanden auf der Welt, der die USA an solchen Szenarien hindern könnte. Selbst die Vereinten Nationen könnten daran nichts ändern, sie seien ohnehin nicht mehr als ein Appendix zur Durchsetzung der US-Politik: «Die USA stecken die Grenzen ab, innerhalb derer sich die Vereinten Nationen bewegen dürfen. Der Vietnam-Krieg zum Beispiel wurde im UN-Sicherheitsrat niemals zum Thema. Der UN-Generalsekretär hat mir einmal gesagt, dass die UN endgültig zerstört worden wären, wenn man sich des Vietnam-Kriegs angenommen hätte.»
Längst sei der Krieg gegen Irak entschieden, unabhängig vom Ergebnis der Waffeninspektion. «Die USA haben sich ihre Autorisierung zu einem Militärschlag schon geholt, indem sie behaupten, Irak verletze die neue UN-Resolution. Wenn die Vereinten Nationen das bestätigen, so ist's fein. Wenn nicht, ist es auch egal», glaubt er.
Nach Gutdünken könnten sich die Mächte USA und Großbritannien über internationales Recht hinwegsetzen und sie hätten es schon oft getan. Die USA seien das Land, das am häufigsten von seinem Vetorecht im UN-Sicherheitsrat Gebrauch mache. Gefolgt von Großbritannien.