»Tawakkaltu ala Allah« - Ich lege mein Leben in Gottes Hand
Geschrieben von Fred Feuerstein am 25. August 2001 16:16:36:
Pers. Anmerkung: nach 3-wöchigem Aktiv-Urlaub (Alpen-Radtour, Bergwandern Südtirol)keuch, hüstel, melde ich mich wieder zurück, das Forum scheint zwar urlaubsbedingt wohl etwas ausgedünnt zu sein, aber ich hoffe, daß sich das ganze in nächster Zeit wieder etwas belebt. :-)
»Tawakkaltu ala Allah« - Ich lege mein Leben in Gottes HandHier ein eingescannter Artikel aus PM 09/2001 indem m.E. recht gut die Problematik des „Schicksals“ in unserer „modernen, aufgeklärten“ Gesellschaft analysiert wird. Der Autor vergleicht die derzeitige christlich geprägte modernistische „Ich bin meines Glückes Schmied“ Vorstellung mit römischen, griechischen und auch islamischen Schicksalsvorstellungen, in denen das »Ta-wakkaltu ala Allah« - Ich lege mein Leben in Gottes Hand ( = Geisteshaltung der palästinensischen Selbstmordattentäter!!) durchgängig bestimmend war/ist. Der Autor kommt zu dem Schluß, daß dieser Geisteshaltung eine Renaissance bevorsteht.
- DIE WIEDERKEHR DES SCHICKSALS - von Manon Baukhage
Unbeholfen und ängstlich betritt am 17. Juni 1934 eine 16-Jährige die Bühne im Harlem Opera House in New York. »Die nächste Teil-nehmerin unseres Talent-Wettbe-werbs heißt Ella Fitzgerald. Sie wird für uns tanzen«, kündigt der Moderator an. In diesem Augen-blick geschieht etwas Ungewöhnliches. Die junge Dame überlegt es sich plötzlich anders und flüstert dem Moderator etwas zu. Der räuspert sich verlegen - und sagt: »Verehrtes Publikum, die junge Dame hat sich anders ent-schieden. Miss Fitzgerald wird nicht tanzen, sie wird singen.«
Dreieinhalb Minuten später rast das Publikum vor Begeiste-rung - und ruft »Zugabe«. Ella Fitzgerald gewinnt den ersten Preis. An diesem Abend beginnt ihre beispiellose Karriere. Die größte Jazzsängerin aller Zeiten hat diese Geschichte später gern und oft erzählt - und dabei im-mer wieder von einem »Wink des Schicksals« gesprochen.Kein anderes Phänomen ist mit so widersprüchlichen Gefühlen verbunden wie »Schicksal«. Es vermag ein unbekanntes Mädchen in die höchsten Höhen des Glücksgefühls zu tragen - und zugleich Menschen in die tiefsten Tiefen der Verzweiflung zu schleudern, wenn ein »Schicksalsschlag« sie trifft.
Auf tragische Weise verloren vor kurzem mehrere Prominente ihre Angehörigen: Die TV-Mo-deratorin Petra Schürmann ihre Tochter, Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl seine Frau, die Schauspielerin Ursula Karven ihren Sohn ... dramatische Ereignisse, die uns die »höhere Macht« jäh ins Gedächtnis rufen.
Die Frage nach dem, was »Schicksal« eigentlich ist, erlebt heute geradezu einen Boom. Unter den Jugendlichen, so die jüngste Shell-Jugendstudie, hat sich der Glaube an ein waltendes Schicksal stark verbreitet. Und in den USA erhält eine neue Denkschule enormen Zulauf die »Schicksalspsychologie«. Sie findet auch bei uns immer mehr Anhänger. Ihr Wortführer James Hillman, von Haus aus Psycho-analytiker, erklärt: »Die Menschen sind unglücklich darüber, dass alle wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse ihren Hunger nach Lebenssinn nicht stillen können. Man erzählt uns zwar, wie wir auf mikroskopischem Niveau funktionieren. Doch dies hat uns nicht wirklich geholfen«. Und: Wir haben »unsere Suche nach dem Sinn und das Verstehenwollen unseres Schicksals« nicht aufgegeben.Diese Suche ist in der Tat so alt wie die Menschheit selbst. Sie spielt in allen Kulturen eine zentrale Rolle. Früher weissagten Priester das Schicksal aus den Himmelskonstellationen, heute veröffentlichen Astrologen ihre Sterndeutungen in Zeitschriften und Zeitungen, wissend, dass ih-re Horoskope eine »hohe Einschaltquote« haben. Früher las man Groschenhefte, die sich als »Schicksalsromane« ausgaben -mit Titeln wie: »Eine große Liebe veränderte unverhofft mein Leben«. Heute beschäftigen sich Millionen Menschen intensiv mit Biografien. Bücher und Filme sind immer dann besonders erfolgreich, wenn sie individuelle Schicksale nacherzählen. Und in zahllosen Talkshows geht es darum, Lebensgeschichten zu rekonstruieren. Wir möchten uns vom Geheimnis eines Menschen und der Besonderheit seines Schicksals faszinieren lassen. So können wir uns selbst als einzigartiges Wesen begreifen: Wer bin ich? Was ist mein Schicksal?
Eine Antwort auf diese Fragen gibt im sechsten Jahrhundert v. Chr. der chinesische Philosoph Laotse. »Die Himmel
erachten die Menschen als Heuhunde«, schreibt er in seinem Werk »Tao Te King«. Heuhunde waren Dekora-tionen für ein Fest - aus Heu geflochtene Hunde -, die nach dem Fest auf die Straße geworfen wurden, man ging achtlos an ihnen vorbei - oder über sie hinweg. Mit anderen Worten: Das Schicksal hat kein Erbarmen mit uns - denn es nimmt uns überhaupt nicht wahr. Eine kalte, schwer zu ertragende Vorstellung, die überdies unsere Eitelkeit verletzt. Sind wir denn nichts? Ist unser Leben und Sterben wirklich ohne jede Bedeutung? Dieses Ausgeliefertsein an ein übermächtiges Schicksal ist zu beängstigend, als dass wir mit diesem Gedanken in Frieden leben könnten. Schon früh wurde deshalb dem Schicksal Gestalt und Name gegeben, denn was wir kennen - oder vorgeben zu kennen - und was wir benennen können, verliert an Schrecken, und das schmerzliche Gefühl der Ohnmacht wird gemildert.So gaben die alten Griechen das Schicksal den »Moiren« in die Hand, göttlichen Wesen, die den Ablauf der Ereignisse im menschlichen Leben bestimmen. »Ursprünglich bedeutete moira im Griechischen Anteil. Es bezeichnet die den einzelnen Menschen zukommenden Anteile am Lebensschicksal«, erklärt Religionswissenschaftler Manfred Lurker. Das Geschick, das jede Seele zu erfüllen hat, wurde drei Schicksalsgöttinnen zugeteilt: Lachesis, die Los-Werferin sie teilt jedem einen daimon zu, der als Hüter des Lebens regiert. Klotho, die Spinnerin; spinnt den Lebensfaden. Und Atropos, die Unabwendbare; durchschneidet den Lebensfaden und führt den Tod herbei.
Die Moiren waren also keine abstrakten Schicksalsmächte mehr, sondern Gottheiten, »noch nach heutigem griechischem Volksglauben«, so der Philologe Herbert Jennings Rose, »ein neugeborenes Kind besuchen, um zu bestimmen für ein Los dieses Kind im Leben haben soll.«Die Römer machten die Parzen zu ihren Schicksalsgöttinnen. Der lateinische Name Paricae leitet sich ab von parere, was so viel bedeutet wie hervorbringen«. Sie spannen den Lebensfaden; ähnlich wie die germanischen Nornen, die beim Urdbrunnen wohnten, unter den Wurzeln der Weltesche Yggdrasil. Ihre Namen waren Urd, Verdandi und Skuld, was etwa »Vergangenheit«, »Gegenwart« und »Zukunft« bedeutet. Im Epos Edda werden sie die »vielwissenden« Frauen genannt, die »Stäbe schneiden« und die »Lose bestimmen, wel-che den Menschen ihr Schicksal verkünden.« Die Nornen spannen das gesamte Gewebe des Schicksals. Die Dreizahl erklärt sich aus ihrer dreifachen Tätigkeit: Leben geben, Geschick zu-teilen, beides zerschneiden. Et-was von den Nornen lebte noch lange in den Feen der europäi-schen Volksmärchen weiter. Die-se Feen können mit dem Erfüllen von Wünschen, aber auch mit Verwünschungen, entscheidend auf das Leben der Menschen einwirken.
Die Macht des Schicksals ist im antiken Mythos verbunden mit der Seele, die ein Los wählt, noch bevor sie auf die Erde kommt. Der griechische Philo-soph Platon (428 -348 v. Chr.) nennt dieses Los »paradeigma«: Grundriss von Lebensweisen. Alleine unser unsichtbarer Begleiter, der »daimon« kennt dieses Los. Und so führt er uns zu einem bestimmten Körper und Ort, zu bestimmten Eltern und Umständen. Auf diese Idee des Schicksals greift die moderne Schicksals-psychologie zurück. Sie stellt die Moira (»das uns Zugewiesene, den Anteil«) in den Mittelpunkt. Das Schicksal ist Teil unseres Lebens. Und dabei wird uns »ein unsichtbarer Gefährte« (daimon) hinzugesellt.Platon zufolge betritt jeder Mensch die Erde mit einem unsichtbaren Doppelgänger. Er be-gleitet ihn zeitlebens und leitet ihn zu seiner Bestimmung und Entfaltung. Er ist der »gute Geist, der den Unfall in letzter Sekunde verhindert; er ist der »Zufall«, der dafür sorgt dass wir der Frau oder dem Mann unseres Lebens begegnen; er ist die »Eingebung«, die Ella Fitzgerald statt zum Tan-zen zum Vorsingen bewegte.
Warum stößt die Wiederbelebung eines uralten Mythos bei immer mehr Menschen auf positive Resonanz? »Eigentlich will der moderne Mensch sich und sein Schicksal designen«, sagt Trendforscher und Soziolo-ge Alexander Steinle. »Er will Kontrolle über sich bekommen, über seinen Nachwuchs, auch über seinen Tod.« Dabei sollen ihm die modernen Wissenschaften helfen, insbesondere Bio- -und Gentechnologie. »Wir haben zwar unsere Gene entschlüsselt aber dabei den Menschen entzaubert«, glaubt Forscher Hillman. »Wir sind trotz enormer Fort-schritte immer noch im Unklaren darüber, warum wir auf der Welt sind und worum es im Leben überhaupt geht.«
Weiterhelfen könne uns die Erinnerung an den ursprünglichen Schicksalsmythos,
der von der Kirche verdrängt wurde. Die großen monotheistischen Weltre-ligionen kennen keine Geistwe-sen mehr, die das unpersönliche Schicksal verkörpern. Hier über-nimmt Gott (Jahwe, Allah) die Rolle des Schicksalsbestimmers.
Der Erfolg der christlichen Vorstellung beruhte auf , einem neuen, höchst attraktiven Gedan-ken: Die antiken Götter hatten, genau wie die Menschen, nur ih-re Interessen im Sinn. Wenn sie sich zu den Menschen herab-ließen, dann nur, um ihren Spaß mit ihnen zu haben (was nicht selten in reine Schikane ausarte-te) oder sie als Verbündete einzu-setzen gegen Götterkollegen, de-nen sie eins auswischen wollten. Eine eigensüchtige Göttergesell-schaft, die den Menschen bes-tenfalls als amüsantes Spielzeug betrachtete. Der Mensch tat gut daran, die Götter mit Opfergaben auf Abstand zu halten: Ich gebe dir - lass mich dafür in Ruhe!Und nun das Christentum: Es bot einen Gott (auch er eine Drei-einigkeit), der den Menschen liebte und nur das Beste für ihn wollte; der sich persönlich um je-den Einzelnen kümmerte und keinen Unterschied machte zwi-schen reich und arm, Sklave und Herrn. Und: Vor Gott waren alle Menschen gleich wert und jeder einzigartig. Dieser wohltuende Gedanke an einen gnädigen Gott trug entscheidend bei zur raschen Ausbreitung des Christentums -und schuf dabei den Boden für jenen Individualismus, der unsere Gegenwart prägt Platons guter Geist, der »daimon«, hatte gegen diesen Gott keine Chance; um erst gar keine Konkurrenz aufkommen zu lassen, verteufelte man ihn als »Dämon«.
Erst im Christentum personifiziert sich also das Schicksal in Gott. Damit wird es für den Menschen greifbarer, und er gewinnt scheinbar größeren Einfluss -vorausgesetzt, er hält sich an die Regeln: Führe ich ein Gott wohl-gefälliges Leben, dann ist er mir gnädig; mache ich Fehler, dann kann ich ihn mit kleinen Opfern versöhnen und hoffen, dass er mich mit Schicksalsschlägen verschont. Zwar bestimmt Gott das Geschick und setzt Tag und Stunde des Todes eines jeden Menschen fest. Doch der christliche Glaube an die göttliche Vorherbestimmung, die Prädesti-nation, räumt der individuellen Willensfreiheit einen größeren Platz ein als beispielsweise der Islam. Hier ist der Hinweis auf die göttliche Vorherbestimmung bereits im Glaubensbekenntnis eindeutig formuliert: »Ich glaube ... an die Vorherbestimmung seitens Allah - die gute wie die schlimme (Koran, Sure 9,5 1).
Diese Überzeugung spiegelt sich im Alltag wider. Auch heute noch sprechen viele Muslime, die ein Flugzeug, einen Zug oder ein Schiff besteigen, die Formel »Ta-wakkaltu ala Allah« - Ich lege mein Leben in Gottes Hand.« Anders gesagt: Ich weiß, dass es in Gottes Hand liegt, und es wird nur das geschehen, was er will. Man hadert nicht groß und fragt auch nicht nach dem Warum und Wieso. Im Extremfall verleiht dieser Glaube an »kismet« (türk., arab.: kisma = unveränderbares Schicksal) wahren Todesmut, etwa den Kämpfern im so ge-nannten Heiligen Krieg.
Uns Europäern mag die »Ergebenheit« in das Schicksal fremd erscheinen. Doch auch bei uns haben die Menschen den längs-ten Zeitraum der Geschichte ihren Handlungsspielraum als sehr begrenzt erfahren. Erst mit der Renaissance und der Auf-klärung bahnt sich in Europa ein Wandel an: Die Menschen fühl-ten sich dem Schicksal nicht mehr so hilflos ausgeliefert. Sie sahen durchaus die Möglichkeit, sich zu entscheiden, zu handeln und Einfluss auf ihr Leben zu nehmen. Seit der Reformation wurde der Willens- und Ent-scheidungsfreiheit ein immer größerer Spielraum zugebilligt.
In dieser Zeit begann der Indi-vidualismus, dessen Grundlage das Christentum geschaffen hat-te, sich voll zu entfalten. Zusam-men mit dem im 19. Jahrhundert entstandenen naturwissenschaft-lich-technischen Weltbild hat dies allmählich zu der Vorstellung geführt, die uns heute beherrscht: Wir und nur wir selbst bestim-men unser Schicksal. Jeder ist seines Glückes Schmied!
Der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter bezeichnet die-se Vorstellung in seinem gleich-namigen Buch als »Gotteskom-plex«. »Gott geht verloren, der Mensch will selber Gott sein.«
Für den modernen Menschen gibt es keinen Beschützer ihres Schicksals, keine wohlgesonne-nen Geister mehr. Diese Rolle muss jetzt das Individuum selber übemehmen, »Unser Weltbild hat sich gegenüber früheren Zei-ten insofern geändert, als wir heute unseren eigenen Anteil am Glück und Unglück in unserem Leben viel stärker herausstellen als die Abhängigkeit von unper-sönlichen Schicksalsmächten«, schreibt die Sozialwissenschaft-lerin Herrad Schenk. »Wir sind überzeugt von der Machbarkeit des Glücks,« Das bestätigte auch Professor Peter Wippermann auf dem Trendtag 2001 in Hamburg. »Wir treten in eine posthumane Phase ein. Schicksal wird zur Ware.« Gegen Geld kann alles optimiert werden-. der Körper -im Fitness-Studio; die Gefühle -auf der Psychologen-Couch; die Beziehung - beim Paartherapeu-ten. Und die Seele?
Gleichzeitig wissen wir, dass immer wieder - ohne Vorwarnung - Unheil, über uns hereinbrechen kann. Weil jedoch in unser Weltbild keine Dinge mehr passen, die sich unbeeinflusst vom Menschen vollziehen, nehmen wir überall Täter wahr. Wir sagen nicht: Dieses Zugunglück war Schicksal. Wir fragen sofort: Wer war schuld? Hat der Lokführer ein Signal übersehen? Wer war für die falsche Weichenstellung verantwortlich? Wem hätte die Materialermüdung der Räder auffallen müssen? Auch die persönliche Entwicklung wird »menschlich« erklärt. »Ein Mensch«, so Herrad Schenk, »wird heute nicht erfolgreich oder unglücklich, zum berühmten Zeitgenossen oder zum Verbrecher, weil es sein Schicksal war oder weil die Feen es ihm an der Wiege gesungen haben, sondern weil seine Lebensumstände, sein Milieu, seine Eltern ihn dazu gemacht haben.«
Diese Auffassung hält James Hillman für »Pop-Psychologie«, die jedoch zur »vorherrschenden Religion geworden ist. Die Leute befassen sich obsessiv mit ihren Beziehungen, mit ihrem Ich. Sie denken kausal, überschätzen ihre Vergangenheit. Wir blicken nicht mehr zurück zum Mythos, sondern reden nur noch von Genetik und Elektronik. Wir wollen alle nur länger, gesünder, reicher leben.« Diese Lebenshaltung hindere uns daran, unsere wahre Persönlichkeit zu entfalten. »Jeder Mensch«, so Hillmans These, »besitzt von Geburt an einen Kern, ein individuelles Schicksal, das alle Aspekte seines späteren Lebens enthält.« Hillman verwendet das Bild einer Eiche, die bereits alle Merkmale des späteren Baumes in sich birgt. Um seelisch und körperlich gesund zu bleiben, müssen wir diese Eichel, diese Bestimmung, als unser Schicksal respektieren.
Damit stellt Hillman die vorherrschende psychologische Betrachtungsweise des Menschen auf den Kopf. Denn allgemein gilt: Der Mensch muss seiner Kindheit entwachsen und ein Erwachsener werden. Hillman aber glaubt, dass es nicht die Aufgabe des Menschen sei, »aufzuwachsen«, sondern »herunterzuwachsen« - er müsse herausfinden, wer er bereits ist, nicht, was er wird. Der Maler Pablo Picasso hat das intuitiv erfasst: »Ich entwickle mich nicht - ich bin!«
Nur wer sein Fundament gefunden habe, könne auch seine Persönlichkeit entfalten - sagt die Schicksalspsychologie. Die eigentliche Menschwerdung gelinge erst, wenn wir in Übereinstimmung mit unserer Bestimmung leben und dem Ruf unseres Schicksals folgen. Aber: Geraten wir auf der Suche nach unserem Schicksal nicht wieder in Stress?Wissen wir jetzt besser, was Schicksal ist? Heute gibt es kein verbindliches Deutungsmuster mehr dafür. Früher half der gemeinsame Glaube. Dieses gemeinsame Bezugssystem ist verloren gegangen. Jeder kann heute im »Supermarkt der Religionen und Weltbilder« seine Vorstellung wählen - ein bisschen Buddhismus, gemixt mit Feng Shui und Mystik ... Psychologen sagen, die Kehrseite des Individualismus ist, dass der heutige Mensch auf sich selbst zurückgeworfen wird und jetzt alles alleine entscheiden und verantworten muss. Dies aber sei eine schier unmenschliche Aufgabe und mache uns seelisch krank.
Weil wir das spüren, versuchen wir, mit neuen Ritualen modernen Opfergaben - das Schicksal günstig zu beeinflussen. Wir schließen Versicherungen gegen jedwede Unbill des Lebens ab; wir spenden immer mehr Geld für Menschen, die vom Schicksal benachteiligt sind, oder wir leisten freiwillige, unbezahlte, soziale Arbeit. Das ist die moderne Form des Ablasshandels mit der Macht des Schicksals.
Es ist das uralte Bestreben, sich das Schicksal gewogen zu machen. Weil wir, mag der Glaube an die Machbarkeit des eigenen Glücks noch so stark sein, ahnen, dass »wir zwar am Drehbuch unseres Lebens mitschreiben«, so Herrad Schenk, »aber nicht allein, Es gibt viele Co-Autoren, menschliche und nichtmenschliche Einflüsse.«Der Philosoph Arthur Schopenhauer hat dies in einem Satz zusammengefasst: »Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen.« Wenn wir das akzeptieren, lebt es sich vermutlich leichter.
INTERNET-ADRESSEN
>Schicksalspsychologie/James Hillman: www.mayas.net/presse/archiv/schicksal.html
>Feen, Moiren und Parzen: www.feenreich.de/fantasy/fee1.htm
mit freundlichen Grüßen
Fred
- Re: »Tawakkaltu ala Allah« - Ich lege mein Leben in Gottes Hand Evi 26.8.2001 10:00 (1)
- Schicksal u. Prophezeiungen Fred Feuerstein 27.8.2001 20:10 (0)